2. Juli 2023, 16:08 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Dass Hunde soziale Wesen sind, ist wohl jedem Tierfreund bekannt. Doch ob ihre Wahrnehmung und ihr Sozialverhalten ähnlich wie bei uns abläuft, war lange unerforscht. Eine Studie aus Wien hat nun das Sozialgehirn von Hunden mithilfe von MRT-Daten näher untersucht und liefert erstaunliche Ergebnisse.
Hunde sind nicht ohne Grund sehr beliebte Haustiere. Die sozialen und intelligenten Tiere sind schon seit Jahrtausenden unsere Begleiter. Und doch unterscheiden sich Menschen und Hunde fundamental in ihrer evolutionären Entwicklung. Um die Tiere und ihre Wahrnehmung besser zu verstehen, wurden schon viele Aspekte der sozialen Interaktion zwischen Mensch und Hund analysiert. Dass Hunde menschliche Gesichtsausdrücke deuten und einordnen können, haben Forscher bereits herausgefunden. Auch können sie Verhaltensweisen nachahmen. Was bei sozialer Interaktion im Gehirn der Tiere abläuft, war jedoch lange unklar.
Wie nehmen Hunde uns wahr?
Die Evolution von Hunden ist nachweislich dadurch beeinflusst worden, dass sie von uns domestiziert wurden. Dies ist allein schon dadurch sichtbar, dass es mittlerweile über 350 von der FCI (Federation Cynologique Internationale) anerkannte Hunderassen in zehn verschiedenen Kategorien gibt. Die domestizierten Tiere haben gelernt, unsere Stimmungen zu lesen und können anhand unserer Körpersprache einschätzen, wie es uns gerade geht. Sie können ebenfalls menschliche Gesichter und Stimmen unterscheiden. Zudem können sogar Welpen bereits Hinweise von Menschen richtig interpretieren und orientieren sich daran.
In einer ersten Studie haben Wissenschaftler rund um Magdalena Boch von der Universität Wien nun untersucht, inwieweit sich die soziale Wahrnehmung von Hund und Mensch vergleichen lässt. Lange war unklar, wie und ob Hunde überhaupt Gesichter erkennen, oder ob es bei ihnen auf dieselbe Weise funktioniert wie bei Primaten und Menschen. Mithilfe von MRT-Scans konnte sie jetzt beweisen, wie sehr der Prozess sich ähnelt und doch bei Hunden viel spezialisierter vonstattengeht.
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Wie die Forscher vorgingen
Für ihre Untersuchungen werteten die Forscher Daten von 15 Hunden und 40 menschlichen Probanden aus. Die Hunde waren nicht angeleint, waren vorher auf die Situation trainiert, und begaben sich freiwillig ins MRT. Die Tiere trugen einen Lärmschutz und hätten bei Unwohlsein stets selbst gehen können.
In einem Zeitraum von 5 Minuten wurden den Probanden bei der Untersuchung verschiedene Bilder präsentiert. Darunter waren Körper von Menschen und von Hunden, ihre jeweiligen Gesichter und unbewegliche Objekte. Zur Kontrolle wurden verzerrte Bilder derselben Situationen verwendet, um unterschwellige Wahrnehmungen zu prüfen.
Anhand der Daten aus dem MRT konnten die Forscher nicht nur ablesen, welche Gehirnareale beim Sehen der Bilder aktiviert wurden, sondern auch in welchem Ausmaß dies stattfand.
Hunde nehmen uns im selben Gehirnareal wahr wie Artgenossen
Mithilfe der erhobenen Daten konnten die Wissenschaftler zeigen, dass Hunde belebte Objekte im Schläfenlappen wahrnehmen. Dieser auch vorderer Temporallappen genannte Bereich des Gehirns ist wichtig für soziale Interaktion. Bei der Untersuchung machte es dabei keinen Unterschied, ob die Tiere gerade einen Menschen oder einen Artgenossen sahen. Dies war erstaunlich ähnlich wie bei der Verarbeitung in einem menschlichen Gehirn. Quasi ein analoges System zu sozial-visuellen Sehbahnen beim Menschen.
Außerdem haben die Forscher ein neues Areal im Gehirn von Hunden belegen können, von dem man zuvor nichts wusste. Demnach nehmen die Tiere nicht nur Gesichter, sondern auch Bewegungen in dem Teil des Hirns wahr, der für soziale Interaktionen reserviert ist. Dieser Bereich dient allein der visuellen Wahrnehmung von Körperhaltung und ihrer sozialen Funktion. Dies hilft den Hunden, den emotionalen Zustand des Gegenübers einzuschätzen und Absichten abzulesen.
Was die soziale Wahrnehmung im Gehirn von Hunden von unserem unterscheidet
Beim Menschen gibt es spezielle Areale, die nur auf das Erkennen und Einordnen von Gesichtern spezialisiert ist. Einen vergleichbaren Bereich bei Hunden konnte man in der Studie jedoch nicht ermitteln. Stattdessen geschieht dies in einem Areal, das für Körperbewegungen zuständig ist.
Tatsächlich fanden die Wissenschaftler auch Beweise dafür, dass bei Hunden gleichzeitig zu der Wahrnehmung visueller Impulse auch Regionen im Gehirn aktiv waren, die für die Verarbeitung von Gerüchen zuständig sind. Dass Hunde um ein Vielfaches besser riechen als der Mensch, war schon länger bekannt. Dass sie dies aber auch stärker mit Gesehenem neuronal verknüpfen, wird zukünftig helfen, die Wichtigkeit von (Riech-)Wahrnehmung bei Hunden besser zu verstehen.
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Quelle
- Boch, M., Wagner, I.C., Karl, S. et al. Functionally analogous body- and animacy-responsive areas are present in the dog (Canis familiaris) and human occipito-temporal lobe. Commun Biol 6, 645 (2023).