20. April 2023, 13:03 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Was hierzulande unvorstellbar scheint, wurde in Neuseeland Mitte April Realität. Ein lokaler Jagdveranstalter animierte Kinder dazu, Jagd auf verwilderte Katzen zu machen. Den Nachwuchs-Jäger mit den am meisten getöteten Tieren erwartete ein Preisgeld von 250 Dollar. Massive Kritik von Tierschützern führte nur wenige Tage nach Start der Veranstaltung dazu, die erst neu eingeführte Junior-Kategorie wieder einzustellen. Was steckt dahinter?
Der Veranstalter des jährlich stattfindenden North Canterbury Jagdwettbewerbs auf der Südinsel Neuseelands erntet massive Kritik. Eine neue Kategorie des Wettbewerbs rief Kinder unter 14 Jahren zum Töten wilder Katzen auf, berichtet die Tageszeitung „The New Zealand Herald“. Ein Preisgeld von 250 Dollar stellten die Veranstalter dem Kind in Aussicht, das die meisten verwilderten Katzen töten könne. Die Veranstaltung diene gleichzeitig als Spendenaktion für eine lokale Schule und ein Schwimmbad. Wenige Tage später ist die Junior-Kategorie aufgrund der öffentlichen Empörung nun nicht mehr Teil des Wettbewerbs.
Tierschützer kritisieren: Jagd auf verwilderte Katzen gefährdet Hauskatzen
Laut Warnung der Veranstalter sei das Töten von Hauskatzen mit Mikrochip ein klares Disqualifizierungskriterium. Diese Mitteilung wurde mittlerweile gelöscht, wie der öffentlich-rechtliche Hörfunksender „Radio New Zealand“ berichtet. Einen Unterschied mache diese Äußerung für Tierschützer ohnehin nicht. In einer Mitteilung auf Facebook äußerte die Tierschutzorganisation Society for the Prevention of Cruelty to Animals Incorporated (SPCA) „extreme Bedenken“ gegenüber dem Aufruf zur Jagd auf verwilderte Katzen. Es sei für Kinder und Jugendliche unmöglich, eine verängstigte Hauskatze von einer verwilderten Katze zu unterscheiden, so die Tierschützer. Diese Einschätzung teilt auch Will Appelbe, Specher der Tierschutzgruppe SAFE mit „Radio New Zealand“. Wer Jagd auf verwilderte Katzen mache, gehe ein enormes Risiko ein, dabei eine Hauskatze zu töten.
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Verwilderte Katzen in Neuseeland sterben oft qualvollen Tod
Die Tierschutzorganisation SPCA weist darauf hin, dass Teilnehmer bei Jagdveranstaltungen, wie der in North Canterbury, in der Regel Luftgewehre verwenden. Die Jagd mit diesen Jagdwaffen sei mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit verbunden, dass die Tiere einen langsamen, qualvollen Tod sterben. Es sei nicht ungewöhnlich, dass Hauskatzen in der Region erschossen würden, berichtet Sam Cairns, Leiter des SPCA-Inspektionsteams dem „New Zealand Herald“. Die Tiere seien auf dem Land tagsüber häufig als Freigänger unterwegs. So würden sie leicht für verwilderte Katzen gehalten – insbesondere von Kindern und Jugendlichen.
Wenige Tage, nachdem die Veranstalter den Aufruf zur Katzenjagd verkündet hatten, kam es in North Canterbury erneut zu einem Zwischenfall. Die Tierschutzorganisation SPCA habe eine Katze aufgenommen und behandelt, die durch ein Luftgewehr schwer verwundet worden sei. In einer Erklärung, die dem „New Zealand Herald“ vorliegt, berichtet Cairns: „Sie verstarb an einer Sepsis und schien eine Hauskatze zu sein.“ Die SPCA ermittelt in diesem Fall, denn es könne sich um einen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz handeln. Ob es einen Zusammenhang zum Canterbury Jagdwettbewerb gibt, ist bislang unklar.
Jagdveranstalter „enttäuscht“ von „bösartigen“ Nachrichten
Eine so gewaltige Reaktion der Empörung haben die Veranstalter des Jagdwettbewerbs nicht erwartet. In einer Mitteilung auf Facebook äußern sie sich „enttäuscht“ über die Reaktion der Öffentlichkeit. Sie berichten von „bösartigen“ und „unangemessenen“ Nachrichten, die Beteiligte sowie die Schule, für die Spenden gesammelt würden, erhalten hätten. Man sei sich der geäußerten Bedenken bewusst und habe die Ankündigung daher entfernt. Vorsorglich hätten die Veranstalter dazu aufgerufen, kleine ländliche Städte und Dörfer bei der Jagd auf die Katzen zu meiden, um Hauskatzen zu schützen, berichtet der „New Zealand Herald“. Die minderjährigen Teilnehmer hätten die Katzen dazu nur unter Aufsicht Erwachsener ins Visier nehmen sollen. Den Großteil der Kritiker konnte diese „Vorsichtsmaßnahme“ nicht besänftigen.
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Neuseeland hat ein Katzen-Problem
Wie kann es sein, dass Veranstalter mit dem Aufruf zur Katzenjagd etwas „Gutes“ tun möchten? Um diese Einstellung zu verstehen, hilft ein Blick auf das lokale Ökosystem. Katzen gehören nicht zu den heimischen Tieren der Inseln im Südwestpazifik. Seitdem Europäer sie im 18. Jahrhundert einführten, breite sich die Population verwilderter Katzen stetig aus, erklärt das Department of Conservation in einer Publikation. Neben den schätzungsweise 1,2 Millionen domestizierter Katzen leben in Neuseeland vermutlich doppelt so viele verwilderte Tiere, so „Radio New Zealand“. In den letzten zehn Jahren sei ihre Zahl geradezu explodiert.
Helen Blackie, Expertin für Biosicherheit der SPCA, erklärte dem Radiosender in einem Interview, dass verwilderte Katzen in Neuseeland jährlich für den Tod von bis zu 100 Millionen Vögeln verantwortlich seien. Die Tiere seien Hauptursache für den Rückgang der Populationen von Vögeln, Fledermäusen, Fröschen und Eidechsen auf der Insel. Sechs Vogelarten seien aufgrund der Katzen bereits ausgestorben. Die Einführung der Hauskatzen und ihrer wilden Artgenossen stellt für die sensible Tierwelt eine ernst zu nehmende Bedrohung dar. Auch Christine Sumner, Forschungsleiterin der Tierschutzorganisation SPCA, ordnet die Situation für „Radio New Zealand“ ein: Man sei sich der Auswirkungen der Katzen, einschließlich verwilderter Exemplare, bewusst. Die tödliche Bekämpfung der Katzen sei manchmal der richtige Ansatz zum Schutz der Artenvielfalt.
Außerdem gelten verwilderte Katzen in Neuseeland als wilde Tiere. Sie leben in sich selbst erhaltenden Populationen und seien nicht auf den Menschen angewiesen, um zu überleben. Da unterscheiden sie sich von streunenden Katzen, die in städtischen Gebieten leben oder Hauskatzen. Daher könne man verwilderte Katzen nicht mit ihnen vergleichen. Vor einer Verwechslung sind die Tiere dennoch nicht geschützt. Ob Kinder losgeschickt werden sollten, um für einen Geldpreis wilde Katzen zu töten, ist fraglich. Die Lager sind gespalten, aber die Welle der Empörung gegen dieses Vorhaben setzt ein deutliches Zeichen.