11. November 2022, 11:14 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten
Ab dem 22. November kann es für Halter, deren Vierbeiner krank werden, richtig teuer werden. Die Gebührenordnung beim Tierarzt sieht Preiserhöhungen von bis zu 163 Prozent vor. Laut Bundestierärztekammer eine längst überfällige Anpassung.
Der Bundesrat hat eine neue Gebührenordnung für Tierärzte beschlossen. Diese tritt am 22. November in Kraft. Grundlage dafür war eine Studie, die das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) 2020 in Auftrag gab. Dabei ergab die Befragung niedergelassener Tierärzte unter anderem, dass die durchschnittlichen Kosten für eine tierärztliche Behandlung bei 2,25 Euro pro Minute liegen – für viele Praxen unwirtschaftlich. Entsprechend wurde die zuletzt 1999 geänderte Gebührenordnung für Tierärzte überarbeitet. Viele Halter fragen sich auch, ob sich gerade eine Tierversicherung lohnt.
Übersicht
- Bundestierärztekammer begrüßt die neue Gebührenordnung beim Tierarzt
- So teuer kann es für Tierhalter werden
- Tierarzt-Gebührenordnung hätte sogar noch mehr Kosten verursachen können
- Lohnt sich eine Tierversicherung?
- Für welche Tiere sollte man eine Versicherung abschließen?
- Was muss man bei Versicherungen beachten?
- Haben Tierpraxen einen Spielraum bei der Gebührenordnung?
- Was passiert, wenn man sich das Haustier nicht mehr leisten kann?
Bundestierärztekammer begrüßt die neue Gebührenordnung beim Tierarzt
Bundestierärztekammer-Präsident Dr. Uwe Tiedemann erläutert in einer Pressemitteilung: „Die Anpassung der Gebührenordnung war längst überfällig, um sicherzustellen, dass eine Tierarztpraxis wirtschaftlich geführt werden kann. Nur so kann eine flächendeckende Versorgung der Tiere gewährleistet werden“.
„Die letzte GOT stammt aus dem Jahre 1999, aus DM-Zeiten. Seitdem hat es zwei pauschale Erhöhungen gegeben“, sagt Thomas Steidl von der Bundestierärztekammer. Das habe nicht einmal die Inflationsrate abdecken können. Eine sorgfältige und qualitativ gute Versorgung sei so schlichtweg nicht mehr möglich.
Für Halter bedeutet die neue Gebührenordnung beim Gang zum Tierarzt künftig einen kräftigen Kostenanstieg. Diesen erklärt die Bundestierärztekammer in einem Informationsblatt für Patientenbesitzer etwa mit neueren medizinischen Verfahren und Techniken, die als Kostenfaktoren in die Ordnung Eingang fänden.
So teuer kann es für Tierhalter werden
Wie hoch die Kosten bei Krankheit oder Unfall des Tieres tatsächlich werden, hängt vom Einzelfall ab. Rein rechtlich dürfen Tierärzte ihre Leistungen vom einfachen bis zum dreifachen Satz abrechnen. Für Notfalleinsätze darf sogar bis zum vierfachen Satz abgerechnet werden. Und – was viele nicht wissen – im Notdienst haben Tierarztpraxen sogar die Pflicht, eine Notdienst-Pauschale von 59,50 Euro zu berechnen!
Was bedeutet das konkret? Impfungen für Katzen und Hunde kosten ab 22. November etwa doppelt so viel, statt bislang 5,77 € nunmehr 11,50 €. Die normale Untersuchung von Hunden schlägt statt 13,47 € mit 23,62 € zu Buche. Getoppt wird dies von der einfachen Untersuchung einer Katze, die statt 8,98 € nun 23,62 € kostet – eine Erhöhung von 163 Prozent!
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Tierarzt-Gebührenordnung hätte sogar noch mehr Kosten verursachen können
Das Informationsblatt weist Halter auch darauf hin, dass der starke Preisanstieg der Jahre 2020 bis 2022 noch nicht in der aktuellen Anpassung integriert ist. Somit hätten die Gebühren eigentlich noch höher ausfallen können. Die Praxiskosten seien in weit höherem Maße gestiegen als die Inflationsrate. Diese würden bis 75 Prozent des Umsatzes von Tierärzten betragen.
Der Deutsche Tierschutzbund kritisierte die Verordnung zunächst in der BILD. Es sei gefährlich, wenn notwendige Behandlungen aus Spargründen ausfallen müssten. Auch sehen die Tierschützer die Gefahr, dass durch steigende Behandlungskosten vermehrt Tiere abgegeben oder ausgesetzt würden. Sie fordern daher für eine Übergangszeit eine Hilfe für finanziell schlechter gestellte Tierbesitzer, etwa durch Gutscheine.
Lohnt sich eine Tierversicherung?
Trotz steigender Tierarztkosten rät der Bund der Versicherten (BdV) von Tierkrankenversicherungen ab. Seine Vorständin Bianca Boss ordnet sie grundsätzlich den weniger wichtigen bis unwichtigen Versicherungen zu. Vorrang für Tierhalter und Tierhalterinnen habe immer die Privathaftpflicht- und Tierhalterhaftpflichtversicherung.
Die Tierschutzstiftung Vier Pfoten sieht es differenzierter: Ob eine Versicherung für Tierarztkosten sinnvoll ist, müsse man immer im Einzelfall betrachten. „Eine Versicherung für ein Tier, das ohnehin schon eine umfangreiche Krankengeschichte mit sich bringt, lohnt sich sicherlich eher als eine für einen kerngesunden Hund“, sagt Karina Omelyanovskaya. Für die Heimtierexpertin von Vier Pfoten ist es aber in jedem Fall sinnvoll, Geld für den Ernstfall zur Verfügung zu haben – egal ob auf einem separaten Sparkonto oder in Form einer Versicherung.
„Selbst wenn der Besuch in der Praxis jetzt allgemein etwas teurer werden kann, sollte man beim Tierarztbesuch besonders im Notfall niemals zögern“, sagt Omelayanovskaya weiter. Auch an Vorsorgeuntersuchungen und regelmäßigen Impfauffrischungen sollte man nicht sparen, denn die Behandlungskosten einer Erkrankung seien meist sehr viel teurer.
Für welche Tiere sollte man eine Versicherung abschließen?
Auch Thomas Steidl von der Tierärztekammer rät Tierbesitzern, sich über Versicherungen zu informieren, die insbesondere bei jüngeren Tieren sinnvoll sein könnten, um Kostenspitzen abzudecken.
Durch ihre Züchtungen sind auch einige Hunde- und Katzenrassen vorbelastet. „So neigen Dackel durch ihren langen Rücken beispielsweise zu Bandscheibenvorfällen, Labradore zu Ellenbogen- und Hüftgelenksdysplasien, Französische Bulldoggen zu Atem- und Augenproblemen“, zählt Omelyanovskaya auf. Als Faustregel gilt: Ein Hund, der weder zu kurze noch zu lange Beine, Ohren, Nase oder Rücken und zudem ein gesundes Gewicht hat, hat ein geringeres Risiko, krank zu werden.
Die Verbraucherzentrale NRW hat eine weitere Faustregel parat: Je größer das Tier, desto eher ist eine Krankenversicherung sinnvoll. Das liegt unter anderem an den höheren Kosten, die bei Operationen von größeren Hunden anfallen.
Was muss man bei Versicherungen beachten?
„Entscheidet man sich dazu, eine Krankenversicherung abzuschließen, ist die Abdeckung möglicher OP-Kosten unverzichtbar“, so Omelyanovskaya. Auch die Nachsorge sollte laut der Expertin zwingend mit inbegriffen sein. Denn im Fall der Fälle schnellen die Kosten für einen operativen Eingriff beim Tier in die Höhe. Die jährlich anstehenden Impfauffrischungen ließen sich hingegen selbst zahlen. Auch regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen fallen finanziell meist nicht so stark ins Gewicht.
Versichert werden laut Verbraucherzentrale NRW in der Regel nur gesunde Tiere, wobei sich die Beitragshöhe größtenteils nach Rasse und Alter des Tieres richtet. Oft gibt es auch ein Mindest- und ein Höchstalter für das zu versichernde Tier. Für ältere oder vorerkrankte Tiere werden Versicherungsmöglichkeiten also rar. Zu lange sollte man mit dem Abschluss daher nicht warten.
- Fallstrick: Selbstbeteiligung
Auch bei der Selbstbeteiligung lauert ein Fallstrick: Da gibt es alles zwischen keinem Eigenbeitrag, festen Beträgen oder bestimmten Prozentsätzen. Je nach Tarif und Behandlung kann das ins Geld gehen. Philipp Opfermann, Versicherungsexperte der Verbraucherzentrale NRW, gibt ein Beispiel: Kostet eine Behandlung 4.000 Euro und man hat 20 Prozent Selbstbeteiligung, müsse man also trotz Versicherung noch 800 Euro selbst zahlen. Kalkulierbarer sei eine feste Selbstbeteiligung, etwa von 250 Euro.
- 2. Fallstrick: Ausschluss vom Versicherungsschutz
Achten sollte man auch auf Ausschlüsse vom Versicherungsschutz. Der Klassiker ist die Hüftdysplasie, die oft bei bestimmten Rassen ausgeschlossen ist, so Opfermann.
- 3. Fallstrick: Kündigung von beiden Seiten
Tierkrankenversicherungen können von beiden Seiten gekündigt werden. Hat man Pech, ist das junge und gesunde Tier lange versichert und fliegt dann raus, wenn mit zunehmendem Alter Zipperlein und Krankheiten kommen. Nur wenige Versicherer verzichten auf ihr Kündigungsrecht, so Opfermann.
Haben Tierpraxen einen Spielraum bei der Gebührenordnung?
Tierärztinnen und Tierärzte können bei jeder Behandlung festlegen, ob sie den einfachen, doppelten oder dreifachen Satz berechnen, erklärt Karina Omelyanovskaya von Vier Pfoten. Im besten Fall würden sie dies auf der Grundlage entscheiden, wie herausfordernd, umfangreich oder zeitintensiv die Behandlung ist.
Es kann auch der Wert des Tieres oder die Tageszeit eine Rolle spielen. Erst wenn es über das Dreifache des Gebührensatzes hinausgehen soll, müssen Praxis und Tierhalter oder Tierhalterin das vor der Behandlung ausdrücklich vereinbaren, erklärt Philipp Opfermann.
Veterinär Thomas Steidl rät: „Sprechen Sie mit Ihrer Tierarztpraxis, die Ihnen gerne die einzelnen Gebührenposten transparent machen wird und Ihnen gegebenenfalls auch Alternativen anbieten kann“.
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„Dann lohnt es sich immer, das Gespräch mit seiner Tierärztin oder seinem Tierarzt zu suchen: Vielleicht lässt sich im Einzelfall eine individuelle Vereinbarung treffen“, rät Karina Omelyanovskaya. Wichtiger als der Preis sei jedoch, ob Tier und Halterin oder Halter in der Tierarztpraxis gut beraten werden und sich wohlfühlen.
Wer die Ausgaben für sein Heimtier reduzieren will, kann bei Zubehör und Spielzeug sparen, so der Rat von Vier Pfoten. Man müsse Prioritäten setzen. Eine neue Leine, ein neues Körbchen oder Spielzeug seien anders als die medizinische Versorgung oder geeignetes Futter für ein Tier nicht überlebenswichtig. „Einem Hund ist es egal, welche Farbe sein Halsband oder ob der Schlafplatz schon abgewetzte Ecken hat“, so Karina Omelyanovskaya.
Bleibt am Ende des Monats noch Geld übrig, würde sie das lieber für tiermedizinische Notfälle zurücklegen. Statt es in neues Spielzeug zu investieren, kann man sich vornehmen, mehr mit seinem Tier zu spielen. Kleine Suchspiele oder das Einüben von neuen Tricks fordern Hunde geistig heraus und stärken die Bindung zwischen Mensch und Tier.
Mit Material der dpa