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Studie belegt

Unnötig gestorben! So viele Nutztiere landen jährlich im Müll

Kühe grasen auf einer Wiese
Laut einer Studie landen viele Tiere, die mühsam für die Fleischindustrie aufgezogen wurden, am Ende gar nicht auf einem Teller, sondern in der Mülltonne Foto: Getty Images
Louisa Stoeffler
Redakteurin

28. November 2023, 14:34 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten

Dass Fleischkonsum nicht besonders nachhaltig ist und schädliche Folgen für die Umwelt hat, ist eine unbequeme Wahrheit. Erschreckend viele Tiere landen jedoch sogar nach dem Prozess der Aufzucht und Verarbeitung pro Jahr im Müll! Das belegt eine neue Studie.

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Wenige Menschen wollen sich wirklich bewusst machen, dass das, was in Fleisch- und Wurstartikeln enthalten ist, einmal als Tier auf Weide oder im Stall gestanden hat. Auch, dass viele dieser Tiere den Verbraucher am Ende gar nicht ernähren, sondern im Müll landen, ist eine unbequeme Tatsache. Doch wie hoch das Ausmaß der unnötig gestorbenen Tiere wirklich ist, ist einfach nur erschreckend.

18 Milliarden Tiere landen jährlich im Müll

Eine Studie konnte belegen, wie viele Tiere jedes Jahr gezüchtet und geschlachtet werden, es dann aber am Ende gar nicht zum Verbraucher schaffen. Ganze 18 Milliarden Rinder, Ziegen, Hühner und andere Nutztiere sind dies laut der Hochrechnung der Forscher – pro Jahr! Dies entspricht in etwa einem Sechstel aller für den Konsum gehaltenen Tiere. Wenn man diese Masse in essbares Fleisch umrechnen würde, kommt man auf eine Summe von 52,4 Millionen Tonnen Lebensmittel oder auch 2,4 Tiere pro Kopf, die nicht verzehrt wurden.

Die Umweltwissenschaftler unter der Leitung von Juliane Klaura von der Universität Leiden in den Niederlanden haben ihre Untersuchung im Fachmagazin „Sustainable Production and Consumption“ veröffentlicht. Dafür haben sie sich sechs verschiedene Nutztiere, die in vielen Kulturen konsumiert werden, genauer angeschaut. Anhand ihrer Daten konnten sie belegen, dass jedes Jahr circa

  • 74,1 Millionen Rinder
  • 188 Millionen Ziegen
  • 195,7 Millionen Schafe
  • 298,8 Millionen Schweine
  • 402,3 Millionen Puten
  • 16,8 Milliarden Hühner

nicht auf dem Teller, sondern in der Tonne landen. Gerade die Zahl der Hühner, die am Ende nicht beim Verbraucher ankommen, ist enorm. Dieses Phänomen wird global auch FLW (Food Loss and Waste) auf Deutsch „Essensverlust und – abfälle“ genannt.

Viele Tiere sterben bei der Aufzucht, andere landen beim Verbraucher im Müll

Die Forscher konnten auch belegen, in welcher Phase der Aufzucht die meisten Nutztiere ihr Leben verloren. Dazu nutzen sie ein 5-Phasen-System:

  • FSC1 – Produktion – in dieser Phase werden die Tiere gezüchtet und aufgezogen;
  • FSC2 – Lagerung und Handhabung – in dieser Phase werden die Tiere transportiert und auf ihre Eignung als Lebensmittel geprüft;
  • FSC3 – Verarbeitung und Verpackung – hier werden die Tiere geschlachtet, zugerichtet und teilweise zu verpackten und verarbeiteten Lebensmitteln verarbeitet;
  • FSC4 – Vertrieb – in dieser Phase kommen Fleisch und Fleischerzeugnisse auf den Markt und werden im Einzelhandel verkauft;
  • FSC5 – Verbrauch – schließlich wird das Fleisch zubereitet und im Haushalt oder in der Gastronomie verzehrt.

Besonders in der FSC1-Phase trat ein hoher Verlust auf. So überlebten 24,9 Prozent der Nutztiere die Aufzucht nicht. Aber auch in Verarbeitung und Vertrieb landeten jeweils 20 Prozent der tierischen Produkte im Müll. Ein weiterer großer Posten zeigte sich beim Verbrauch: 26,7 Prozent der tierischen Produkte wurde entweder beim Endverbraucher oder in der Gastronomie weggeworfen.

Weltweite Unterschiede

Diese Unterschiede konnten die Forscher auch in verschiedenen geografischen Regionen der Welt verorten. Verbrauchsbedingte Verluste dominieren in Nordamerika und Ozeanien, Europa und dem industrialisierten Asien.

Produktionsbedingte Verluste zeigten sich vor allem in Lateinamerika, Nordafrika, West- und Zentralasien und insbesondere in Afrika südlich der Sahara. Ganz anders sieht es in Süd- und Südostasien aus, wo die Verluste durch den Vertrieb (FSC4) und die Verarbeitung und Verpackung (FSC3) dominieren.

Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass 47,3 Prozent der Produkte tierischen Ursprungs durch Fehler in Verpackung, Verkauf oder Lagerung im Müll landen. Die restlichen 52,7 Prozent durch Fehler in der Aufzucht oder dem Transport.

„Die Gründe für Fleischverluste und -verschwendung sind unterschiedlich“, erklärt Erstautorin Juliane Klaura in einer Pressemitteilung ihrer Universität. In Entwicklungsländern treten die Verluste in der Regel am Anfang des Prozesses auf, etwa wenn das Vieh aufgrund von Krankheiten während der Aufzucht stirbt oder das Fleisch während der Lagerung oder des Transports verdirbt.

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Höchste Verluste passieren in nur 10 Ländern

Des Weiteren konnten die Wissenschaftler belegen, dass 57 Prozent der Verschwendung in nur zehn Ländern stattfanden. Die größten Verluste gab es demnach in China, den USA und Brasilien. Würden nur diese Länder ihr Konsum- und Wegwerfverhalten verändern, würde dies 35 Prozent weniger Tiere im Müll bedeuten. Aber auch Südafrika, Mexiko und Russland, Indien und Indonesien, sowie Großbritannien und Ägypten waren in den Top-10 vertreten.

Gerade in den Industrieländern entsteht die meiste Verschwendung auf der Seite des Konsums: Supermärkte haben zu große Vorräte, Restaurants servieren zu große Portionen, und die Haushalte werfen ihre Reste weg. In diesen Ländern ist die Fleischverschwendung am größten.

Klaura schätzte die Ergebnisse ihrer Studie so ein: „Die Vereinigten Staaten schneiden besonders schlecht ab, ebenso wie Südafrika und Brasilien. In Indien hingegen verschwendet der Durchschnittsbürger nur eine kleine Menge Fleisch.“ Allerdings ist Indien trotzdem in den Top-10, da dort viele fleischhaltige Produkte bei Verarbeitung und Verpackung verderben.

Forscher präsentieren Lösungen, wie weniger Tiere im Müll landen könnten

Um dieser Verschwendung von Ressourcen und dem entstehenden Tierleid entgegenzuwirken, haben die Forscher drei mögliche Modelle entwickelt, wie es besser geht. In Ländern, in denen viele Tiere bereits bei der Aufzucht sterben, sollte man für bessere Bedingungen und medizinische Versorgung während dieser Phase sorgen.

Gerade in den industrialisierten Ländern könne es jedoch helfen, den Konsum generell bewusster zu gestalten und weniger Fleisch zu kaufen. In diesem Teil der Welt landet viel im Mülleimer, dass nicht mehr verarbeitet werden kann, oder zu viel gekauft wurde.

Allerdings räumen die Forscher auch ein, dass die einzelnen Stadien isoliert nicht das gesamte Bild beleuchten können. Denn wenn Tiere beim Transport oder bei der Schlachtung großem Stress ausgesetzt sind, beeinflusst dies laut weiteren Studien auch die Fleischqualität und auch die Haltbarkeit im Regal, weil das Fleisch mit Stresshormonen belastet ist.

»Verringerung der Zahlen könnte unnötiges Tierleid vermeiden

Die Forscher warnen jedoch, dass es keine einfache „Einheitslösung“ gebe, um den enormen Verlust an Fleisch, der jedes Jahr entsteht, zu bekämpfen. In den Entwicklungsländern solle es eher darum gehen, die Bedingungen für die Tiere sowie die Lagerung und den Transport des Fleisches zu verbessern. In den westlichen Ländern solle eine Verhaltensänderung den Unterschied ausmachen.

Klaura weiß jedoch auch, dass der letzte Teil nicht einfach sein wird. „Die Menschen sind oft verärgert, wenn es um die Umstellung der Ernährung geht“, sagt sie und verweist auf die Situation in ihrem Heimatland Deutschland. Verbraucher hätten häufig das Gefühl, dass ihnen etwas weggenommen wird.

„Und wegen der Emotionen, die das auslöst, fällt es Politikern schwer, eine rationale Antwort zu finden. Die Aufklärung darüber, dass Milliarden von Tieren, die jedes Jahr getötet werden, gar nicht gegessen werden, könnte ein wichtiger erster Anstoß für positive Maßnahmen sein.“ Eine Verringerung dieser Zahlen würde nicht nur unnötiges Tierleid verhindern, sondern könnte auch zum Kampf gegen den Klimawandel beitragen, weiß die Umweltwissenschaftlerin weiter zu berichten.

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