20. November 2022, 8:52 Uhr | Lesezeit: 3 Minuten
Seit Anfang 2022 dürfen Haustieren bestimmte homöopathische Mittel nur noch vom Tierarzt verabreicht werden, nicht mehr von Tierheilpraktikern. Für einige bedeutete das quasi das berufliche Aus – bis jetzt.
Hunde, Katzen und andere Haustiere dürfen ab sofort wieder von allen mit bestimmten homöopathischen Mitteln behandelt werden, die eigentlich für Menschen gemacht sind. Das Bundesverfassungsgericht erklärte eine im Januar in Kraft getretene Vorschrift teilweise für nichtig, wonach das ausschließlich Tierärzten vorbehalten war und Tierheilpraktikern ein Behandlungsverbot ausgesprochen wurde. Der damit verbundene Eingriff in die Berufs- und Handlungsfreiheit sei nicht verhältnismäßig, teilten die Karlsruher Richterinnen und Richter am 16. November mit.
Geklagt hatten vier Tierheilpraktikerinnen, die seit vielen Jahren in ihren eigenen Praxen Hunde und Katzen, aber auch Pferde und teilweise Kleintiere behandeln. Für ihren Therapieansatz der klassischen Homöopathie gibt es derzeit keine Mittel speziell für Tiere. Sie hatten deshalb mit Humanhomöopathika gearbeitet, die registrierungspflichtig, aber nicht verschreibungspflichtig sind.
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Behandlungsverbot der Tierheilpraktiker entstand durch Tierarzt-Vorbehalt
Bis vor Kurzem war die Behandlung mit den Homoöpathika kein Problem. Der sogenannte Tierarzt-Vorbehalt ist erstmals im neu erlassenen Tierarzneimittelgesetz vorgesehen. Mit dem Gesetz wurden EU-Vorgaben umgesetzt. Dieser spezielle Punkt geht aber darüber hinaus. Die Frauen, die geklagt haben, hatten seit der Erlassung des Verbotes faktisch nicht mehr praktizieren können.
Das geht jedoch nach Auffassung der Verfassungsrichter zu weit. „Die Anwendung registrierter Humanhomöopathika birgt im Hinblick auf ihre Inhaltsstoffe keinerlei Gefahren für die Gesundheit von Tier, Mensch oder Umwelt – unabhängig davon, ob diese mit oder ohne ärztliche Anweisung und Überwachung zum Einsatz kommen“, schreiben sie in ihrem Urteil (Az. 1 BvR 2380/21 u. a.).
Der Gesetzgeber verfolge mit der Regelung zwar einen legitimen Zweck: „Tiere sollen vor körperlichen Schmerzen, Leiden und Schäden durch Fehldiagnosen und Fehlbehandlungen durch nicht ärztliche Personen bewahrt werden.“ Dazu passe aber nicht, dass die Anwendung von Tierhomöopathika und anderen alternativen Heilmethoden weiterhin ohne Einschaltung eines Tierarztes gestattet sei.
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Pflicht zum Nachweis tierheilkundlicher Kenntnisse
Die Richter regen an, zum Beispiel eine Pflicht zum Nachweis tierheilkundlicher Kenntnisse einzuführen. Das könne die Wahrscheinlichkeit mindern, dass Tierschutz-Belange beeinträchtigt würden. Beim Tierarzt-Vorbehalt stehe das Maß der Belastung der Grundrechtsträger aber „nicht mehr in einem vernünftigen Verhältnis zu den dem gemeinen Wohl erwachsenden Vorteilen“.
Die Regelung hatte ausdrücklich auch für Tierhalter gegolten. Auch das erklärte der Erste Senat auf eine der beiden Verfassungsbeschwerden hin für nicht verhältnismäßig. Eine der Klägerinnen hält auch privat Hunde und Pferde, die sie bei Bedarf nach ihren therapeutischen Methoden mit Humanhomöopathika behandelt.
Ein Teil der Vorschrift bleibt trotzdem bestehen. Wieder erlaubt ist nur die freie Anwendung von nicht verschreibungspflichtigen und registrierten Humanhomöopathika bei Tieren, die nicht der Lebensmittelgewinnung dienen.
Mit Material der dpa