18. März 2023, 9:43 Uhr | Lesezeit: 10 Minuten
Ob für Beginn er oder Wiedereinsteiger – das erste eigene Pferd ist immer aufragend. Damit Tier und Reiter einen guten Start haben, sollte man mit pferdegerechten Übungen den Grundstein für das gemeinsame Miteinander legen. PETBOOK gibt Tipps, wie Sie die ersten gemeinsamen Trainingsschritte gestalten.
Endlich ist es da, das erste eigene Pferd, und sofort beginnt das Kopfkino, denn am liebsten möchte man von Anfang an alles richtig machen. Dabei gehört zum Umgang mit dem Pferd viel mehr dazu als Training und Pflege. So ist es vor allem zu Beginn wichtig, Vertrauen aufzubauen und ein Gefühl für das Tier zu bekommen, denn jedes Pferd hat seinen eigenen Charakter. Für einen erfolgreichen Start, sollten Sie die ersten gemeinsamen Wochen so gestalten, dass Sie Ihr Pferd einschätzen lernen und mit ersten pferdegerechten Übungen den Grundstein für das gemeinsame Miteinander legen. Im folgenden Artikel geben wir Tipps, wie Sie Trainingsschritte mit Ihrem ersten eigenen Pferd gestalten können.
Übersicht
Das Pferd in der Herde beobachten
Bevor sie mit ersten Trainingsschritten beginnen, sollten sie sich Zeit nehmen, um herauszufinden, elchen Charakter Ihr Pferd hat. Das lässt sich am besten unter Artgenossen in der Herde beobachten. Jedes Tier hat seinen Rang und die Kommunikation läuft nach dem Prinzip „Wer bewegt wen?“ ab. Dabei geht es um Themen wie:
- Welches Pferd behauptet seinen Platz an der Heuraufe und drängte andere weg?
- Welches Pferd beansprucht den besten Schlafplatz im Unterstand?
- Welches Pferd wird häufig von strategisch wichtigen Plätzen verdrängt?
Wenn Sie sich immer wieder die Zeit nehmen, immer wieder die Herde zu beobachten, wird Ihnen auffallen, auf welche Reize ihr Pferd achtet, wovor und wie schnell es sich erschreckt, und wie lange es braucht, um sich wieder zu beruhigen. Halten sich beispielsweise einige Kilometer entfernt Jäger auf und es fallen in der Distanz Schüsse, so wird höchstwahrscheinlich die gesamte Herde erst mal los galoppieren. Erst danach werden sie versuchen, einzuschätzen, wie groß die Gefahr wirklich ist. Einige Pferde haben sich innerhalb kürzester Zeit wieder beruhigt, andere wiederum haben vielleicht Tage später noch Stress mit dem Erlebten.
Gut zu wissen: Auch Ihre Kommunikation mit dem Tier wird bestimmt von „Wer bewegt wen?“. In den nächsten Abschnitten werden wir darauf noch häufiger zurückkommen.
Auch interessant: Ist es eine gute Idee, sich ein Pferd zu teilen?
https://oembed/petbook/affiliate/cea3a3def71d0aea2db9848f82e4353426b62ccb23c31ffe714872b878d0649a/5cfe814a-868f-47cf-a245-7ec02dfaf9cd/embed
Geben Sie Ihrem Pferd die Sicherheit, die es braucht
Pferde sind grundsätzlich Fluchttiere. Der erste Impuls ist das Wegrennen. Zur eigenen Sicherheit und zur Sicherheit des Pferdes sollte das Trainingsziel deshalb sein, den Fluchtinstinkt so weit wie möglich zu reduzieren und das Pferd in sein „Denkhirn“ zu holen. Je nach Charakter und Vorerfahrungen des Tieres kann es sich um einen langen Trainingsweg handeln, doch es lohnt sich, diesen Weg zu gehen.
Als Fluchttier streben Pferde vor allem nach Sicherheit. Daher leben Sie in einem Herdenverband und es bedeutet Stress für sie, wenn man sie aus diesem Verband löst. Viele Pferde wiehern, wenn man sie von der Weide führt und werden immer unruhiger, je weiter sie von der Herde entfernt sind. Aus Pferdesicht ist der Mensch erst einmal ein Raubtier, den Pferdekumpel kann er nicht ersetzen.
Trotzdem sind wir in dem Moment, wo wir das Pferd aus dem Stall oder von der Weide holen seine Mini-Herde. In unserer Welt ist es zu gefährlich, das Tier Entscheidungen treffen zu lassen, die im Zusammenhang mit Sicherheit und Gesundheit stehen. Dementsprechend sind Ihre Weitsicht, Ihr Verantwortungsbewusstsein und Ihr konsequentes Handeln gefragt.
Bedenken Sie: Wenn das Pferd Sie am Boden nicht ernst nimmt, werden Sie es vom Sattel aus auch nicht lenken können, wenn Gefahr droht. Klare Regeln und Grenzen im täglichen Umgang geben dem Tier Sicherheit, fördern Respekt und Vertrauen.
Richtiges Training Was man tun sollte, wenn das Pferd beim Führen rempelt
Interview mit Dr. Vivian Gabor Wann schadet Horsemanship einem Pferd? Pferdewissenschaftlerin über umstrittene Trainingsmethode
Beziehung aufbauen 5 Tipps, damit mein Pferd mich mag
Mit diesen ersten Trainingsschritten legen Sie die Basis:
Zu einem guten Training gehört immer auch eine stabile Basis. Mit diesen ersten Übungen legen Sie den Grundstein für das gemeinsame Miteinander:
Putzen
Das Putzen ist ein guter Start, um ein Gefühl für das Pferd zu bekommen und damit ein wichtiger erster Trainingsschritt: Lässt es sich überall anfassen? Bleibt es ruhig stehen? Gibt es die Hufe? Wenn etwas nicht funktioniert, bedeutet das nicht, dass das Tier grundsätzlich unwillig ist. Es können auch Schmerzen dahinterstecken. Dies sollte im Zweifelsfall tierärztlich abgeklärt werden. Ist das Pferd gesund, sollten Sie von Anfang an auf Ihre Regeln bestehen. So sollte es beispielsweise in der gewünschten Position stehen bleiben. Denken Sie dabei daran, wie sich Pferde in der Herde verhalten – „Wer bewegt wen?“ ist eines der Hauptkommunikationselemente.
Natürlich darf das Pferd auch nicht beißen oder treten. Versuchen Sie, es gar nicht erst so weit kommen zu lassen, sondern das Pferd schon bei ersten Anzeichen zu korrigieren. Wenn Sie unsicher sind, wie Sie mit Fehlverhalten umgehen sollten, suchen Sie sich frühzeitig einen guten Trainer. Lernt das Pferd, dass Sie in der Beziehung zu ihm die schwächere Persönlichkeit sind, können Sie ihm nicht die Sicherheit geben, die es braucht. Das wiederum kann für Mensch und Pferd zu gefährlichen Situationen führen.
Führtraining auf eingezäuntem Gelände
Das Führtraining gehört zu den wichtigsten ersten Trainingsschritten mit dem Pferd. Dabei bestehen Sie auf die Führposition. Das bedeutet, dass sich der Pferdekopf beim Gehen neben Ihrer Schulter befindet. Für diese Übung ist ein gut sitzender Kappzaum (ein starres Halfter, bei dem der Druckpunkt durch einen Ring mittig auf der Nase liegt und Impulse präzise auf Nase und Genick wirken) empfehlenswert.
Diese Ausrüstung benötigen Sie:
- Kappzaum
- Bodenarbeitsseil
So geht’s:
Das Pferd sollte weder hinter Ihnen noch vor Ihnen laufen. Blicken Sie dabei nicht ständig neben sich zum Pferd, versuchen Sie, das Pferd aus dem Augenwinkel zu beobachten. Ständiges umschauen oder neben sich schauen verunsichert das Pferd. Sobald Sie merken, das Tier versucht zu überholen, bleiben Sie seitlich neben dem Pferd stehen. Bleiben Sie ruhig, halten Sie ihre Hände unten und signalisieren durch ein leichtes „zuppeln“ am Strick und Ihren leicht nach hinten geneigtem Oberkörper, dass sich das Pferd rückwärts bewegen soll. Geben Sie dem Pferd einen Moment Zeit, zu verstehen, was Sie von ihm möchten, bevor Sie Ihrem Wunsch Nachdruck verleihen. Pferde sind intellektuell ungefähr auf dem Stand eines 5-jährigen Kindes. Verharren Sie ca. 15 Minuten in dieser Übung, machen Sie dann eine kleine Pause und starten Sie erneut. Tipp: Bringen Sie Abwechslung ins Training. Stellen Sie z.B. Pylonen auf, durch die Sie das Tier führen.
Futter gibt’s nur gegen Respekt
Fressen hat für Pferde eine große Bedeutung. Einige von ihnen sind echte „Fressmaschinen“. Deshalb kann es passieren, dass man von ihnen unsanft zur Seite gedrängt wird, wenn man ihnen das Futter in die Box oder auf den Paddock bringt. Das sollten Sie nicht zulassen (und mal ehrlich, von Ihrem Partner würde Sie sich das auch nicht bieten lassen)! Ein weiterer wichtiger erster Trainingsschritt mit dem Pferd ist daher, die Abfolge bei der Futtergabe zu klären. Denken Sie hier wieder an das Prinzip „Wer bewegt wen?“ und bringen Sie dem Pferd bei, eine Armlänge Abstand von Ihnen (und vom Futter) zu halten und zu warten, bis Sie ihm erlauben, sich das Futter zu nehmen.
Akzeptanz von Hilfsmitteln trainieren
Pferde so weit zu desensibilisieren wie eben möglich, also sie schonend vertraut zu machen, mit bestimmten Objekten, Reizen oder Hilfsmitteln, ist eines der Grundaspekte im Pferdetraining. Denn je mehr das Pferd kennengelernt hat und weiß, dass ihm nichts Schlimmes passiert, desto größer die Sicherheit für Pferd und Mensch, dass keine Unfälle passieren.
In der Trainingsmethode Horsemanship etwa wird gerne der sogenannte Horsemanstick verwendet. Dieser ist im Gegensatz zu einer Gerte meist aus Fiberglas und damit starr, damit er für das Pferd weniger schmerzhaft ist. Oftmals ist ein Seil an dem Stick befestigt. Der Horsemanstick wird als verlängerter Arm eingesetzt. Zum Beispiel, wenn das Pferd beim Führtraining zu weit hinten ist. Mithilfe des Sticks wird das Pferd von hinten kurz angetrieben. Der Stick ist ebenfalls ein gerne genutztes Hilfsmittel für die Freiarbeit im Roundpen.
Manche Pferde sind mit Hilfsmitteln geschlagen worden und haben Angst davor. Deshalb ist ein wichtiger erster Trainingsschritt, die Akzeptanz dieser Hilfsmittel mit dem Pferd zu trainieren. Dabei ist es wichtig, nicht mit erhobenem Stick vor dem Tier zu stehen. Denn das wäre aus einer Sicht eine Bedrohung.
Diese Ausrüstung benötigen Sie:
- Horsemanstick mit Seil (String)
- Halfter oder Kappzaum
- Bodenarbeitsseil
So geht’s:
Im ersten Schritt wird das Pferd mit dem Stick überall berührt: am Hals, an der Schulte, am Rücken, am und unter dem Bauch, an den Beinen. Weicht es an einer Stelle zurück, ist es wichtig, dennoch in der Position zu verharren und mit dem Pferd zurückzugehen, so lange, bis es einen Moment ruhig stehen bleibt, erst dann wird der Stick heruntergenommen, kurz gewartet und die Übung wieder neu angesetzt. Dies wiederholt man so oft, bis der Stick an der bestimmten Stelle kein Problem mehr darstellt.
Die nächste Stufe ist, mit dem Seil des Horsemansticks langsam die Beine zu berühren und dieses sogar wie ein Lasso um sie werfen zu können. Wichtig: Diese Übungen sollten generalisiert werden. Das bedeutet, man übt immer wieder, zu unterschiedlichen Uhrzeiten, an unterschiedlichen Orten und Tagen.
Wenn der erste Part funktioniert, geht man dazu über, im Abstand von ungefähr 1,5 Metern zum Pferd, das Seil neben dem Pferd beidseitig auf den Boden zu schlagen und das gleiche auf der anderen Seite zu wiederholen. Auf diese Weise soll das Pferd lernen, dass es nicht angespannt sein muss, wenn ein Stick verwendet wird. Wird das Hilfsmittel angewendet, um das Pferd zum Beispiel rückwärts weichen zu lassen, wird es sofort wieder mit dem Stick gestreichelt, sobald es richtiges Verhalten zeigt.
Spazierengehen im Gelände mit Kappzaum
Wenn die ersten Schritte der Kommunikation auf dem vertrauten Gelände schon gut funktionieren, die ersten Regeln im Umgang miteinander etabliert sind und Sie sich sicher genug fühlen, machen Sie einen kleinen Spaziergang mit Ihrem Tier. Auch dies sollte zu den ersten Trainingsschritten mit dem Pferd gehören.
Diese Ausrüstung benötigen Sie:
- Kappzaum
- Bodenarbeitsseil
- Horsemanstick
So geht’s:
Legen Sie dem Pferd dazu wieder den Kappzaum an, befestigen Sie daran Ihr Bodenarbeitsseil und nehmen Sie ggf. Ihren Horsemanstick mit. Das eigene Mindset spielt im Umgang mit dem Pferd die größte Rolle. Pferde sind sehr empathische Wesen. Sie nehmen sofort wahr, in welcher Stimmungslage wir uns befinden und ob wir wissen, was wir tun.
Tipp: Nicht nur wir haben mal einen schlechten Tag, auch unsere Pferde sind nicht immer gut gelaunt. Verzweifeln Sie also nicht, wenn mal etwas nicht klappt. Vielleicht liegt es an der Tagesform. Manchmal ist es auch sinnvoll, in der Übung noch mal einen Schritt zurückzugehen oder sie neu aufzubauen. Das Wichtigste aber ist, ruhig zu bleiben und den Spaß nicht aus den Augen zu verlieren, beim nächsten Training werden Sie Ihrem Ziel, mit Ihrem Pferd ein Dream-Team zu werden, wieder ein Stückchen näher sein.