3. Mai 2023, 11:09 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Ehemalige Rennpferde sind für wenig Geld zu haben. Sie sind leistungsbereit, schlau und temperamentvoll. Gelingt die Umschulung, können sie zum perfekten Freizeitpartner werden. Allerdings mit Anspruch. Wir erklären, was Reiter beachten sollten.
Rennpferde wie Englische Vollblüter haben auf den ersten Blick nur Vorteile: Sie sind schnell, schön, sensibel – und günstig im Preis, zumindest, wenn sie von der Rennbahn kommen. Viele Galopper – so bezeichnet man jedes Rennpferd, das auf der Rennbahn bei Galopprennen unter dem Sattel eines Jockeys zum Einsatz kommt – beenden nach wenigen Jahren ihre Karriere, weil sie zu langsam geworden oder verletzt sind. Dann verkaufen sie ihre Besitzer in der Regel für einige Tausend Euro.
Für Freizeitreiter, die auch gerne auf Turnier gehen, liegen die Kosten für ein Pferd meist zwischen 8.000 und 25.000 Euro. Das klingt das Angebot von einem ausgebildeten und leistungsstarken Großpferd im guten Reitpferde-Alter für unter 10.000 Euro nach einem Schnäppchen, und das kann es auch durchaus sein. Allerdings eignen sich die feingliedrigen, meist zwischen 1,50 und 1,70 Meter großen Ex-Rennpferde nicht für jeden Freizeitreiter.
Übersicht
„Einige wenige bleiben in ihrem Kopf immer ein Rennpferd.“
Vollblüter starten schon mit drei Jahren in ihren ersten Rennen. Das ist sehr jung. In diesem Alter werden Reitpferde frühestens das erste Mal angeritten. Die Rennbahn-Karriere dauert oft zwischen drei und sieben Jahre, die Rennpferde sind nach der Karriere also noch jung. Nur mit den erfolgreichen Stuten und Hengsten wird gezüchtet, der Rest wird an Freizeit- und Turnierreiter verkauft, häufig direkt vom Rennstall aus.
In Deutschland gibt es nur wenige Menschen, die Ex-Galopper professionell zu Reitpferden ausbilden. Eine von ihnen ist Anke Dahlhaus, die in ihrem Stall „Liberty’s Home“ in Weeze Galopper zu Reitpferden umschulen lässt. Sie rät, sich einen direkten Kauf von der Rennbahn gut zu überlegen. Denn die vierbeinigen Rennspezialisten können selbst für erfahrene Reiter eine Herausforderung sein: „Manche sind wie Schäfchen, aber bei den meisten ist der Anfang turbulent. Und einige wenige bleiben in ihrem Kopf immer ein Rennpferd.“
Ein Probereiten im Rennstall ist zudem nur selten möglich und wenig aussagekräftig, da das Pferd noch nicht umgeschult ist. „Man sollte beim Kauf unter anderem auf die korrekte Stellung der Beine achten, denn darauf liegt in der Vollblutzucht nicht so der Fokus“, rät der Fachmann Putz. Abweichungen machen das Pferd anfälliger für Krankheiten. Sinnvoll ist zudem, das Tier vor dem Kauf von einem Veterinär untersuchen zu lassen – erst recht, wenn es aus gesundheitlichen Gründen aus dem Rennsport genommen wurde.
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Leider gibt es immer wieder schlimme Schicksale
Aber auch wenn sich das Rennpferd theoretisch als Reitpferd umschulen lässt, sollte man sich den Kauf gut überlegen. „Sie eignen sich keinesfalls für Anfänger und für ängstliche Menschen“, erklärt der Pferdewirtschaftsmeister und Ausbilder Michael Putz aus dem bayerischen Buckenhof. „Auch eine Dressurkarriere sollte man mit ihnen nicht unbedingt anstreben.“ Die Pferde sind extra für den schnellen Galoppsport gezüchtet, an Dressurpferde werden andere körperliche Voraussetzungen gestellt. Allerdings könnten Vollblüter oft gut springen, zudem seien sie ausdauernd und daher für Disziplinen wie die Vielseitigkeit und das Distanzreiten geeignet.
Leider gibt es immer wieder schlimme Schicksale. Vor allem dann, wenn die Reiter mit den Leistungssportlern überfordert sind. Solche Pferde wechseln ständig den Besitzer, werden manchmal sogar verschenkt. Das bestätigt der Deutsche Tierschutzbund in Bonn: Einige Pferde gingen durch unzählige Hände oder landeten beim Schlachter, heißt es.
Rennpferde sprechen eine andere Sprache
Der Wechsel vom Renn- in einen Reitstall bedeutet für Vollblüter den Wechsel in eine völlig andere Welt. So ist insbesondere die Reitweise für Rennpferde neu. „Im Rennsport gibt es keine Hilfen mit dem Bein und wenn die Zügel kurz genommen werden, heißt das Gasgeben“, erklärt Dahlhaus.
Die Tiere müssen in ihrem neuen Leben daher die sogenannten Hilfen lernen, mit denen Reiter über ihr Gewicht, ihre Beine und die Zügel mit den Pferden kommunizieren. Für die Ex-Galopper ist das wie eine neu zu lernende Fremdsprache. Die Bewegungen des Reiterbeines sagen ihnen gar nichts, Druck am Zügel heißt nun eher zurückhaltend „Ho“ statt zu früheren Rennbahnzeiten aufmunternd „Hüh“.
Ausgerechnet das Galoppieren fällt den Vollblütern anfangs besonders schwer – denn im Rennsport thront der kleine und leichte Jockey über dem Sattel. Nun nimmt der in der Regel größere und schwerere Reiter darin Platz. Das belastet die Rückenmuskulatur und ist eine Herausforderung für das Gleichgewicht des Pferdes. Auch das Laufen bergauf, bergab, auf unebenen Boden, in verschiedene Richtungen sowie generell Reithallen und -plätze sind vielen Vollblütern neu.
Zudem haben die Experten für den rasanten Galopp zwar am Hintern imposante Muskeln, aber die für den Reitsport wichtige Muskulatur am Rücken und Oberhals ist nur wenig ausgebildet. Auch die Biegung ihres Körpers nach rechts und links ist ihnen fremd. Sie seien „so beweglich wie ein Bahnschranke“, beschreibt es Dahlhaus. Fachmann Putz empfiehlt als Ausrüstung für den Anfang einen Spring- oder Vielseitigkeitssattel und eine normale Trense. „Am besten, man behandelt und reitet einen ehemaligen Galopper wie ein junges Pferd“, sagt er.
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Für das Training sollte der Reiter zudem wissen, mit welchem Typ Ex-Rennpferd er es zu tun hat. Ist das Pferd etwa als Galopper auf Grasbahn gelaufen? Dann sollte der Reiter einer großen Wiese zunächst aus dem Weg gehen, wenn er es nicht auf eine rasante Runde anlegt. War der Vollblüter ein „Steher“, also ein Spezialist für lange Distanzen? Dann sollte erst gar nicht versucht werden, ihn mit langen Ritten auszulasten – der Reiter wird müde, das Pferd nicht.
Für den Vollblüter sind auch Haltung und Fütterung ungewohnt. Rennpferde im Training erhalten laut Dahlhaus enorme Mengen Hafer, acht Kilogramm täglich seien keine Seltenheit. Auch an den Weidegang müssen sie sich gewöhnen, in der Regel leben Rennpferde in Einzelboxen, haben also wenig direkten Kontakt mit ihren Artgenossen. In „Liberty’s Home“ werden Neuzugänge erst mal mit einem verträglichen Pferd auf die Koppel gelassen und dann langsam in die Gruppe integriert.
Meist bleiben die Vollblüter einige Monate in dem Stall in Weeze, dann werden sie mit einem Hauch an Grundausbildung verkauft. Denn viele Rennpferde lernen nach dem ersten Staunen über die neue Welt beeindruckend schnell, wie Dahlhaus erzählt.
Mit Material der dpa