
28. März 2025, 14:26 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Menschen können zu Pferden emotionale Verbindungen aufbauen. Daher werden die Tiere auch in der tiergestützten Therapie eingesetzt. Eine Studie untersuchte nun erstmals, welchen körperlichen Effekt das auf Mensch und Tier hat und fand erstaunliche Muster der Herzsynchronisation zwischen Menschen, Pferd und Therapeutin.
Bei der pferdegestützten Psychotherapie steht vor allem der Kontakt zwischen Mensch und Pferd im Vordergrund. Dieser wirkt sich positiv auf die Psyche aus – das ist mittlerweile gut belegt. Ein Forschungsteam der Universität Wien fragte sich, ob dies auch physiologische Wechselwirkungen bei Mensch und Pferd auslöst. Dafür untersuchte die Studie erstmals gemeinsam die Herzaktivität und den Stresshormonspiegel von Klientin, Therapeutin und Therapie-Pferd bei einer sogenannten pferdegestützten Therapie (Equine-Assisted Therapy, EAT).
Im Zentrum stand dabei die Frage: Gibt es eine messbare Synchronisation zwischen den Beteiligten – und wie wirkt sich die Beziehung auf diese Prozesse aus? Die Studie wurde im Fachjournal „Applied Animal Behaviour Science“ veröffentlicht. PETBOOK fasst die spannendsten Ergebnisse zusammen.
Interaktion mit Tieren kann emotionale Zustände beeinflussen
Die pferdegestützte Psychotherapie gilt als vielversprechende Ergänzung zur Behandlung von Menschen mit geistigen Beeinträchtigungen. Ein zentrales therapeutisches Ziel ist dabei die Reduktion von Stress. Studien konnten bereits zeigen, dass der Kontakt zu den Tieren den therapeutischen Effekt verstärken kann. 1
Pferde sind Meister der nonverbalen Kommunikation – ein Vorteil für Menschen mit eingeschränkter Sprachfähigkeit. Zudem kann die Interaktion mit Tieren emotionale Zustände beeinflussen und auch physiologische Prozesse wie Herzfrequenz und Hormonspiegel verändern. Dabei spielt vor allem die Synchronisation – also die Angleichung von Körperprozessen wie Herzschlag – in sozialen Beziehungen eine zentrale Rolle.
Einige Studien zeigen bereits, dass solche Synchronisationen bei Mensch-Tier-Interaktionen auftreten können. So konnten finnische Forscher nachweisen, dass sich die Variabilität unserer Herzfrequenz mit der von Hunden synchronisiert (und umgekehrt), wenn wir gemeinsame Zeit mit dem Vierbeiner verbringen (PETBOOK berichtete). Die aktuelle Studie aus Österreich wollten nun herausfinden, ob und unter welchen Bedingungen solche Prozesse auch im Kontakt zwischen Mensch und Pferd stattfinden.
Forscher untersuchten Herzfrequenz und Stresshormone
Die Forscher untersuchten dafür zehn junge Frauen mit geistiger Beeinträchtigung, die über langjährige Erfahrung mit pferdegestützter Psychotherapie verfügten. Sie nahmen an vier standardisierten Therapiesitzungen teil – je zwei mit Pferd und zwei ohne. Dabei maßen sie – jeweils vor, während und nach der Sitzung – bei Klientin, Therapeutin und Pferd folgende Parameter:
- die Herzfrequenz (HR),
- die Herzratenvariabilität (HRV) sowie
- den Cortisolspiegel (ein Stresshormon).
Nur fünf Klientinnen arbeiteten mit vertrautem Pferd
Die teilnehmenden Pferde waren vier Criollos. Dabei handelt es sich um eine in Argentinien entstandene Pferderasse, die meist als Reit- und Westernpferd eingesetzt wird. Criollos gelten als ruhige, scheufreie Pferde, die gerne mit Menschen kooperieren und sich durch ihr freundliches Wesen und angenehmes Temperament auszeichnen.
Da die Studie auch die emotionale Bindung von Pferd und Mensch berücksichtigen wollte, arbeiteten fünf Klientinnen mit ihrem Lieblingspferd, zu dem sie eine gewachsene Beziehung hatten. Die fünf anderen Klientinnen erhielten ein zufällig zugeteiltes Tier. Alle Sitzungen folgten einem festen Ablauf mit Entspannungs-, Belastungs- und Ruhephasen. Die Daten wurden mittels Brustgurten und Speichelproben erfasst und statistisch ausgewertet.
Synchronisation ist abhängig von Beziehung zwischen Mensch und Pferd
Über alle Sitzungsphasen hinweg zeigte sich keine signifikante Veränderung von Herzfrequenz, Herzratenvariabilität oder Cortisolspiegel bei den Klientinnen – weder im Vergleich zur Kontrollbedingung noch im Zeitverlauf. Eine Ausnahme: Während der Belastungsphase – dem Durchreiten eines Hindernisparcours – war die Herzfrequenz der Klientinnen signifikant niedriger, wenn sie auf einem echten Pferd ritten, verglichen mit der Kontrollgruppe – die nicht mit Pferden interagierte. HRV-Parameter und Cortisol unterschieden sich hingegen nicht zwischen den Bedingungen.
Erstaunlich waren die Ergebnisse zur Synchronisation der Herzfrequenz: Diese korrelierte nicht nur zwischen Therapeutin und Klientin, sondern auch zwischen Menschen und Pferd. Dabei war die Synchronisation der Herzfrequenz von Therapeutin und Pferd sogar noch deutlicher als die zwischen Therapeutin und Klientin, vor allem wenn es sich um ein vertrautes Pferd handelte. Zwischen Klientin und Pferd zeigte sich hingegen nur dann eine Korrelation der Herzfrequenz, wenn das Pferd ihr vertraut war, nicht aber bei unbekannten Tieren. Die Synchronisation war hier also stark abhängig von der Beziehung zwischen Mensch und Pferd.
Studie liefert erste Hinweise
Die Studie liefert erste Hinweise darauf, dass bei der pferdegestützten Psychotherapie eine Synchronisation der Herzfrequenz stattfindet. Insbesondere denn, wenn eine enge Beziehung zwischen Mensch und Pferd besteht. Dies trifft sowohl auf Klientinnen als auch die Therapeutin zu. Diese Synchronisation von Herzrhythmen wird mit emotionalem Gleichklang, Bindung und Stressreduktion in Verbindung gebracht. Sie gilt als ein zentraler Wirkmechanismus sozialer Interaktion.
Trotzdem liefert die Pilotstudie keine allgemeingültigen Aussagen, sondern erste Anhaltspunkte. Die Anzahl der Teilnehmenden (zehn Klientinnen, vier Pferde, eine Therapeutin) war begrenzt, was die Aussagekraft einschränkt. Auch der Einfluss der vertrauten Umgebung könnte die Ergebnisse verzerrt haben. Denn auch die Kontrollbedingung fand im Reitstall statt, was einen beruhigen Effekt auf die Klientinnen gehabt haben könnte. Immerhin war der Stall für sie ein emotional positiv besetzter Ort. Zudem fand die Studie im Winter statt, was physiologische Prozesse beeinflussen kann.
Weitere Forschung mit größeren Stichproben und neuen Messmethoden wie dem Bindungshormon Oxytocin ist dringend erforderlich, um die Bedeutung der Mensch-Tier-Beziehung in der pferdegestützten Therapie besser zu verstehen.

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Bindung zwischen Mensch und Pferd ist entscheidend
Dennoch ist die Untersuchung in ihrer methodischen Konsequenz bemerkenswert: Erstmals wurden gleichzeitig physiologische Daten aller drei Akteure – Klientin, Therapeutin und Pferd – erfasst. Das erlaubt neue Einblicke in das komplexe Beziehungsgeflecht in der tiergestützten Therapie.
Die Ergebnisse belegen damit, wie wichtig die Verbindung von Mensch und Pferd ist. Das bloße Vorhandensein eines Tieres genügt offenbar nicht, um physiologische Effekte hervorzurufen – es ist die gewachsene Bindung, die zählt. Dies steht im Einklang mit der Theorie des „One Health“-Ansatzes, der die enge Verbindung zwischen Mensch, Tier und Umwelt betont. Die Studie zeigt: Beziehung wirkt nicht nur emotional, sondern auch physiologisch – bis hin zum Herzschlag.