13. August 2024, 14:42 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Dass Pferde sensibel und empfindsam sein können, wissen viele. Doch dass sie auch strategisch denken, Zusammenhänge verstehen und komplexe Lernaufgaben bewältigen können, war vielen bislang nicht klar. Forscherinnen haben es sich zur Aufgabe gemacht, die Intelligenz und das Denken von Pferden besser zu ergründen.
Pferden wird allgemein die Fähigkeit abgeschrieben, vorausschauend zu denken. Denn dafür fehle es ihnen an der Hirnstruktur, die zielgerichtetes, reflektiertes und modellbasiertes Lernen erst ermögliche. Auch zukünftige Zustände könnten sie somit nicht berücksichtigen. Das war zumindest lange die gängige Annahme, die drei Pferdeforscherinnen der Nothingham Trent University in England nun widerlegen wollen. Sie haben es sich mit ihrer Arbeit zur Aufgabe gemacht, Vorurteile über das Denken von Pferden aufzuklären und bereits sehr spannende Erkenntnisse präsentieren können.
Wie Pferde lernen
Die Wissenschaftlerinnen rund um Erstautorin Louise Evans forschen schon länger gemeinsam zum Thema Intelligenz von Pferden. Dafür nutzen sie 20 Pferde, die sich auf dem Universitätsgelände befinden und artgerecht versorgt werden.
Bereits im Februar 2024 veröffentlichten sie eine Untersuchung, die zeigte, dass die Tiere schnell blinzeln und Dopamin ausschütten, wenn sie eine komplexe Aufgabe bewältigen. Sie konnten sogar belegen, dass Pferde wohl mehr mit der linken Hirnhälfte lernen. Denn diese Seite wurde beim Training merklich wärmer und zeigte stärkere Durchblutung.1 Sie zeigten auch, dass Pferde am besten lernen, wenn sie besonders entspannt sind.2
Mit ihrer neuen Studie wollten die Forscherinnen ausprobieren, wie Pferde auf ein sich veränderndes Intelligenzspiel reagieren. Im ersten Schritt sollten die 20 untersuchten Tiere im Versuchsaufbau eine Karte im A3-Format mit der Nase anstupsen, um ein Leckerli zu erhalten. Dies hatten die Pferde bereits in der ersten Studie geübt und waren auf Belohnung konditioniert.
Minimaler Aufwand, maximale Leckerli-Ausbeute
Im zweiten Schritt sollten die Tiere dies jedoch nur noch dann tun, wenn ein rotes Licht ausgeschaltet wurde. Dies trug die Trainerin an der Stirn, sodass die Tiere es aus dem Augenwinkel bemerken konnten. Nur wenn das rote Licht aus war, während sie die Karte berührten, bekamen sie ein Leckerli. Zunächst schien es den Tieren im Versuch jedoch egal und sie berührten die Karten einfach weiter – obwohl sie für Fehlversuche nichts bekamen.
In einem dritten Testaufbau schließlich zeigte sich schließlich die Intelligenz der Tiere. Denn es wurde zusätzlich ein Anreiz eingeführt: Für jeden Fehlversuch konnten die Pferde zehn Sekunden überhaupt nicht spielen. Dies zeigte einen eindeutigen Effekt, denn die Anzahl der Fehlversuche wurde signifikant geringer.
Die Pferde wurden sogar so geschickt darin, dass sie die meisten Leckerli für den geringsten Einsatz bekamen. Sie können also modellbasiert lernen, die Kosten und Nutzen ihrer Aktionen bewerten und im letzten Schritt auch die Kosten (das Time-Out vom Spiel) vermeiden. „Wir hatten erwartet, dass sich die Leistung der Pferde verbessern würde, als wir die Auszeit einführten, aber wir waren überrascht, wie unmittelbar und signifikant die Verbesserung war“, schätzt Erstautorin Evans ihre Ergebnisse bei der „BBC“ ein. All dies spreche für eine weitaus höhere Intelligenz als den sensiblen Fluchttieren lange zugeschrieben wurde.3
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Woher der Gedanke kommt, Pferde können nicht gut denken
Die Annahme, dass das Denken der Pferde eher simpel ist, kommt durch die Hirnstruktur der Tiere, die sich von der des Menschen stgark unterscheidet. So fehlt Pferden der größte Teil des frontalen Kortex, der bei Menschen für Lernverhalten verantwortlich ist. Daraus jedoch zu schließen, dass Pferde deswegen nicht vorausplanen können, erwies sich nun als Irrglaube. Ebenso wie die Annahme, dass Goldfische – ebenfalls wegen einer vom Menschen abweichenden Hirnstruktur – ein Drei-Sekunden-Gedächtnis haben (PETBOOK berichtete).
„Das lehrt uns, dass wir keine Annahmen von der Intelligenz oder Empfindungsfähigkeit von Tieren tätigen sollten, nur basierend darauf, dass sie so ‚gebaut‘ sind wie wir“, sagte Evans, die an der Nottingham Trent zu Pferden promoviert, der „BBC“ weiter. Denn durch das unterschiedliche Hirn nahm man lange an, dass Pferde zwar gut auf Reize reagieren, aber strategisches Denken zu komplex für sie sei. Denn auch im Verhältnis zu ihrer Körpergröße ist das Gehirn bei Pferden relativ klein.
Ein weiterer Grund, warum Pferde für nicht besonders schlau gehalten wurden, ist ihre Angewohnheit vor vielen scheinbar banalen Dingen zu erschrecken. Wie zum Beispiel einem Regenschirm, der aufgeklappt wird oder einer sich im Wind bewegenden Hecke. Dass von diesen Dingen keine Gefahr ausgeht, ist Menschen völlig klar. Allerdings haben Pferde auch buchstäblich eine andere Sicht auf die Welt. Denn ihre Augen erlauben den Tieren einen Rundumblick. Sie nehmen also Dinge wahr, die uns wahrscheinlich verborgen bleiben. Zudem sind sie Fluchttiere, die sich im Laufe der Evolution perfekt an das Entkommen vor Beutegreifern angepasst haben. Dass dies jedoch kein Zeichen von geringem Verständnis, sondern eine erlernte wirksame Strategie ist, wirft ebenfalls ein anderes Licht auf das Denken von Pferden.4