12. Mai 2023, 14:04 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Ergebnisse einer internationalen Studie zeigen, dass Haltung und Lebensweise von Pferden ihre Kooperationsbereitschaft mit Menschen beeinflussen. Damit liefern die Wissenschaftler wichtige Erkenntnisse für ein harmonisches Miteinander zwischen Mensch und Pferd.
Pferde haben einen ausgeprägten Bewegungsdrang, weshalb regelmäßiger Freigang auf der Weide zu artgerechter Pferdehaltung dazugehört. Als Herdentiere haben sie außerdem komplexe Sozialstrukturen. Ein Pferd ohne Artgenossen zu halten, ist tierschutzwidrig, so die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN). Ein Forscherteam untersuchte die Bereitschaft von 57 Pferden, Hinweisen des Menschen zu folgen – abhängig von ihrer Haltung und Lebensweise. Die Studie fußt auf frühere wissenschaftliche Erkenntnisse. Diese belegen, dass Pferde, die gemeinsam mit Artgenossen Zugang zu einer Weide haben, bessere Lernleistungen erbringen. Zudem würden sie weniger aggressives Verhalten gegenüber Menschen zeigen, als Pferde in Einzelhaltung. PETBOOK erklärt die Zusammenhänge der Studie.
Haltungsansprüche von Pferden
Wildpferde legen auf der Suche nach Futter und Wasser bis zu 16 Kilometer pro Tag zurück. Der Alltag vieler domestizierter Pferde ist das extreme Gegenteil davon. Ob in Einzel- oder Gruppenhaltung, im Stall sind ihre Bewegungsmöglichkeiten mehr oder minder stark eingeschränkt. Zwar können Pferde in Boxenhaltung soziale Kontakte mit ihren Nachbarn pflegen, doch direkter Körperkontakt ist meist nur während des Auslaufs möglich. Als Herdentiere haben sie zudem ein starkes Bedürfnis nach sozialen Kontakten und interagieren auf komplexe Art und Weise miteinander.
Aufgrund ihrer Bedürfnisse ist die Haltung auf großen Weiden in vielerlei Hinsicht sinnvoll für Pferde. Sie haben ausreichend verfügbaren Freiraum, weshalb sie aktiver sind als mit weniger Auslauf. Auch sind die Tiere in der Lage, sich bedürfnisgerecht zu bewegen und Schatten oder Schutz vor Wind oder Regen zu suchen. In Gruppenhaltung auf einer großen Weide können sie einerseits ihre sozialen Bedürfnisse erfüllen, andererseits auch unerwünschten Interaktionen mit anderen Pferden aus dem Weg gehen.
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Forscher untersuchen mögliche Faktoren der Beeinflussung
Ein internationales Forscherteam der Universitäten Turku und Helsinki in Finnland und des nationalen Forschungsinstituts für Landwirtschaft, Ernährung und Umwelt (INRAE) in Frankreich untersuchte jeweils einzeln die Fähigkeit der Pferde, menschlichen Signalen zu folgen. Das Experiment umfasste pro Durchlauf jeweils ein Pferd und zwei Personen. Eine Person hielt das Pferd fest, während eine weitere Person den beiden gegenüberstand. Die Person ohne Pferd stand zwischen zwei Eimern mit Deckel, in denen sich jeweils eine Karotte befand. Sie bewegte sich auf einen der Eimer zu und zeigte mit ihrem Blick darauf, um dem Pferd den Hinweis zu geben, zu diesem Eimer zu gehen. Das Pferd wurde daraufhin losgelassen und konnte sich auf den Eimer seiner Wahl zubewegen. Folgte das Pferd den Hinweisen des Menschen, wurde es mit einer Karotte belohnt. Wählte es den anderen Eimer, erhielt es keine Karotte.
Mittels zehnmaliger Wiederholungen analysierten die Wissenschaftler, wie oft die Tiere dem menschlichen Hinweis zum Eimer folgten. Dabei notierten sie ebenfalls die Haltung der Pferde. In welchem sozialen Umfeld sie lebten, ob allein, in Zweiergruppen oder in Gruppen mit mehr als drei Pferden. Das physische Umfeld der Tiere unterschieden die Forscher folgendermaßen: ganzjährige Haltung in Stall oder Paddocks, Haltung in Paddocks und in den Sommermonaten auf der Weide oder ganzjährig auf Weiden lebend.
Haltung beeinflusst Folgsamkeit der Pferde
Erstautorin Océane Liehrmann äußerte sich in der Mitteilung der Universität Turku zu den Ergebnissen der Studie. Sie erklärt darin, dass Pferde, die in Gruppen von mindestens drei Tieren leben, häufiger den menschlichen Hinweisen folgten, als allein oder zu zweit lebende Pferde. Mindestens acht Monate pro Jahr auf Weiden oder großen Feldern lebende Pferde zeigten ebenfalls häufiger die Bereitschaft zur Kooperation, als in Ställen oder kleinen Paddocks lebende Artgenossen. Nicht eindeutig feststellen konnten die Forscher, ob Platz- und Auslaufmangel oder soziale Deprivation die Pferde stärker negativ beeinflussten.
Liehrmann betont, dass die Interaktionsmöglichkeiten in größeren Pferdegruppen nicht nur komplexe soziale Situationen, sondern auch Lernprozesse fördern. So seien Pferde in Gruppenhaltung in der Lage, ihre sozial-kognitiven Fähigkeiten zu verbessern. Die Biologin erklärt: „Das könnte auch erklären, warum Pferde, die in Gruppen leben, bei der Aufgabe, die die Kommunikation mit Menschen beinhaltet, erfolgreicher waren.“
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»Die Lebensbedingungen von Pferden sind in der Sportwelt umstritten
Wie Pferde gehalten werden, wirkt sich demnach nicht nur auf ihr Wohlbefinden aus. Erstautorin Liehrmann verweist in der Mitteilung der Universität Turku dazu auf eine bestehende Problematik hin: „Die Lebensbedingungen und das soziale Umfeld von Pferden stellen eine Herausforderung dar und sind in der Pferdesportwelt umstritten.“ Die Studienergebnisse unterstützen die Annahme, dass ein angemessenes Umfeld, indem sie Zugang zu Weideland und die Möglichkeit der freien Interaktion mit Artgenossen haben, zur Entwicklung des Sozialverhaltens der Pferde beiträgt. Das könnte sich auf die Interaktion mit Menschen ausweiten. Die Ergebnisse liefern wichtige Erkenntnisse für ein harmonisches Miteinander von Pferd und Mensch. Dennoch sollten Pferdehalter beachten, dass nicht ausnahmslos jedes Pferd für die Haltung in großen Gruppen auf der Weide geeignet ist.