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Tipps & Training

Wie man den richtigen Reitersitz trainiert und warum er für das Pferd wichtig ist

Eine Person aufrecht im Sattel
Wer den Sitz auf dem Pferd verbessern möchte, sollte seine Schwachstellen zunächst am Boden bearbeiten. Foto: Bodo Marks/dpa-tmn
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PETBOOK Redaktion

23. Oktober 2023, 17:27 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten

Reiter wärmen ihr Pferd vor dem Training auf, sich selbst jedoch oft nicht. Dabei würde das große Vorteile im Sattel bringen, ebenso wie regelmäßige Gymnastik zu Hause oder im Fitness-Studio.

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Reiten sieht einfach aus, zumindest bei Könnern: Der Mensch sitzt nahezu regungslos auf dem Pferd, kommuniziert mit dem Tier kaum sichtbar. „Diese fein abgestimmten Bewegungen sind koordinativ sehr anspruchsvoll“, erklärt der Sportwissenschaftler Marcel Andrä aus dem bayerischen Trostberg, der mit der Dressur-Olympiasiegerin Jessica von Bredow-Werndl zusammenarbeitet. Diese feinen Bewegungen sind nur bei einem korrekten Reitersitz möglich, diesen zu erlernen, ist eine große Aufgabe, die aber Mensch und Tier auf Dauer helfen kann.

Im Reitersitz den Bewegungen des Pferdes folgen

Der Reiter benötigt unter anderem ein gutes Gleichgewicht und eine angemessene Körperspannung, keinesfalls darf er Muskeln verkrampfen. Denn ein gesunder und trainierter Reiter sorgt auf Dauer auch für die Gesundheit des Pferdes. Je schlechter der Reiter sitzt, desto ungesünder und schiefer läuft auch das Pferd.

„Das Wichtigste für diesen Sport sitzt rund um die Körpermitte“, sagt die Sportwissenschaftlerin und Reitsporttrainerin Corinna Nerz aus Gerlingen in Baden-Württemberg. Das Becken muss frei beweglich sein, um den dreidimensionalen Bewegungen des Pferdes folgen zu können.

Zudem braucht es eine gute Rücken- und Bauchmuskulatur, sie sorgt für einen stabilen Sitz. Übungen für den Rumpf sind daher für alle Reiter sinnvoll, laut Nerz mangelt es vielen vor allem an der Bauchmuskulatur. Die daraus folgende Instabilität kann zum Beispiel dazu führen, dass der Reiter die Knie an den Sattel presst, den Oberkörper nach hinten kippt oder in der Hüfte einknickt – alles hat negative Auswirkungen auf das Pferd.

Übung ist unangenehm? Weitermachen!

Andrä empfiehlt als Übungen für eine stabile und ausbalancierte Körpermitte zum Beispiel den Unterarm- und Seitstütz, dazu kann auch mal ein Arm oder ein Bein angehoben werden, sodass sich der Körper neu stabilisieren muss. Auch das gleichzeitige Wegstrecken eines Arms und des diagonalen Beins aus dem Vierfüßlerstand trainiert den Rumpf gut.

Die jeweilige Position sollte für etwa 30 bis 45 Sekunden gehalten werden. „Lieber kürzer und dafür richtig ausgeführt“, so Andrä. So darf zum Beispiel im Seitstütz das Becken nicht nach unten einknicken, allerdings auch nicht zu hoch gehalten werden – der Körper sollte möglichst gerade sein.

Ein gutes Zeichen ist es, wenn die Übung nicht leichtfällt, sondern sich unangenehm anfühlt. Dies zeigt laut Andrä, dass der Körper von ihr besonders profitiert. Bei Dehnungsübungen sollte ein leichtes Ziehen spürbar sein.

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Jeder hat einen unterschiedlichen Reitersitz

Beide Fachleute empfehlen für die Zusammenstellung eines individuellen Trainingsplans, zunächst die eigenen Schwachstellen im Reitersitz zu erforschen. Ist eher die Beweglichkeit oder die Stabilität im Sattel mein Problem? Habe ich überhaupt den richtigen Sattel für mich und mein Pferd? Ziehe ich die Schultern nach vorne? Zeigen die Fußspitzen nach außen? Klemme ich mit dem Knie? Ist mein Oberkörper unruhig? Sitze ich schief im Sattel? Solche und ähnliche Fragen sollten gestellt und beantwortet werden, am besten mithilfe eines Reitlehrers oder einer Videoaufnahme.

Denn ist der Reiter nicht ausbalanciert und verkrampft, arbeitet man mehr mit Schenkeldruck oder Zügel, um die eigenen Haltungsfehler zu korrigieren. Reiter und Pferd werden immer verkrampfter und verspannen sich zusehends.

Videoanalyse entlarvt Schwachpunkte beim Reitersitz

Das eigene Körpergefühl ist dagegen kein guter Ratgeber, denn das täuscht sich häufig. So vermittelt es dem Reiter zum Beispiel, dass er gerade im Sattel sitzt, während er in Wirklichkeit ein Hohlkreuz macht und den Kopf nach vorne streckt. „Wenn man die Videoaufnahmen von sich selbst in Zeitlupe anschaut, hilft das enorm bei der Analyse und der Schulung der eigenen Körperwahrnehmung“, rät Andrä.

Seiner Erfahrung nach sind Frauen meistens in der Hüfte gut beweglich, sie haben aber eine wenig ausgeprägte Rumpfstabilität. Bei Männern ist es andersherum: Sie sind in der Regel im Rumpf stabiler, aber weniger beweglich. Beides ist jedoch wichtig, um einen guten Sitz zu finden.

Das Trainingsprogramm richtet sich entsprechend nach den Hauptschwierigkeiten im Sattel. Wenn diese behoben sind, lösen sich manchmal auch weitere Probleme. So rät Nerz etwa als Gymnastik bei einem verkürzten Hüftbeuger unter anderem zum tiefen Ausfallschritt, sodass die Muskulatur gedehnt wird.

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Bewegung aus der Hüfte

Der Reiter erkennt eine solche Verkürzung daran, dass im Sattel seine Beine zu weit vorne liegen, denn ein verkürzter Hüftbeuger bringt das Becken in eine sitzende Position. Wer mit dem Oberkörper einsackt, kann sich für das Training zum Beispiel an eine Wand stellen, einen Unterarm anlegen und sich dann in die Richtung des nicht angelegten Unterarms drehen. So wird die Brustmuskulatur gedehnt.

Um verkürzte Hüftbeuger zu dehnen, kann man jeweils ein Fuß mit der Ferse an das Gesäß ziehen. Auch das Schulterkreisen nach hinten ist empfehlenswert, es sorgt für eine aufrechte Haltung. „Wer vor dem Reiten Aufwärmübungen macht, wird es direkt im Sattel positiv merken“, verspricht Andrä.

Regelmäßig den Reitersitz trainieren

Andrä empfiehlt ein kurzes Training von etwa fünf Minuten, das am besten täglich, jedoch mindestens fünfmal die Woche durchgeführt werden sollte. Bereits nach vier Wochen bemerke man einen deutlichen Unterschied, erklärt er. Je niedriger der Leistungsstand, desto schneller kämen die Erfolge.

Nerz empfiehlt, jeden zweiten Tag Stabilitäts- und Mobilisationsübungen durchzuführen, zu Hause oder im Fitness-Studio. Schwimmen sei ebenfalls empfehlenswert, da es ähnlich wie das Reiten viele Muskelgruppen anspreche, erklärt sie. Auch Ausdauersport wie Laufen kann nicht schaden, gut geeignet sind ebenfalls Yoga und Pilates. „Dabei geht es viel um die Rumpfmuskulatur, zudem wird die Körperwahrnehmung geschult“, sagt die Fachfrau.

Sehr sinnvoll ist laut Meinung der beiden Sportwissenschaftler ein Aufwärmen vor dem Reiten, erst recht, wenn man den Tag am Schreibtisch verbracht hat. Denn dabei sackt der Oberkörper ein, Schultern und Kopf geraten nach vorne, der Rücken wird rund. Wer acht Stunden so gesessen hat und sich dann aufs Pferd schwingt, wird häufig Probleme haben, korrekt mit losgelassenem Becken und aufgerichtetem Oberkörper im Sattel zu sitzen.

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Aufwärmen: Becken, Brustkorb und Kopf bewegen

Wenn man das Pferd mit seinem falschen Sitz nicht stört, kann es den Rücken besser dehnen und bleibt geschmeidig. Pferde wölben den Rücken und arbeitet mit dem Reiter. Als Faustregel sollte gelten, dass Reiter und Pferd Linien, mit Schulter und Becken eine Linie bilden. Dazu ist auch das Aufwärmen vor dem Ritt wichtig.

Während in anderen Sportarten das Aufwärmen vor dem Training zum Pflichtprogramm gehört, ist es bei den Reitern die Ausnahme: Sie wärmen ihr Pferd auf, sich selbst aber nicht – so ist es üblich in diesem Sport. Allerdings setzt laut Nerz langsam ein Umdenken ein.

Schließlich muss niemand zum Aufwärmen in der Stallgasse seine Gymnastikmatte ausrollen, es gibt laut den beiden Experten viele unkomplizierte Übungen, die im Stehen oder beim Schrittreiten durchgeführt werden können. Dazu gehören das Bewegen des Beckens, des Brustkorbs und des Kopfes in alle Richtungen.

Mit Material der dpa

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