
20. Februar 2025, 14:11 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Die Schweiz geht einen entscheidenden Schritt im Tierschutz: Bestimmte Gebisse und Trensen, die Pferden Schmerzen zufügen können, sind künftig verboten. Doch bleibt die Frage: Liegt das Problem in der Ausrüstung selbst – oder im Umgang der Reiter mit ihr? Ein Blick auf die Auswirkungen und mögliche Alternativen.
Die Schweiz hat einen wichtigen Schritt für den Tierschutz gemacht: Sie verschärft das Tierschutzgesetz, damit Pferden weniger Leid zugefügt wird. Bestimmte Gebisse und Trensen wurden verboten, da sie Schmerzen und Verletzungen im Pferdemaul verursachen können. Doch sind Gebisse und Trensen grundsätzlich Tierquälerei? Oder liegt das Problem im falschen Einsatz durch den Reiter?
Wie wirken Gebisse und Trensen auf das Pferd?
Ein Gebiss liegt auf der zahnfreien „Lade“ des Pferdemauls und überträgt die Zügelhilfen des Reiters. Je nach Art des Gebisses und der Reiterhand kann die Wirkung unterschiedlich stark sein:
- Milde Gebisse, wie doppelt gebrochene Wassertrensen, verteilen den Druck auf die Zunge und Laden.
- Scharfe Gebisse, wie Kandaren oder Stangengebisse mit Hebelwirkung, verstärken den Druck auf Zunge, Gaumen oder Genick.
Studien zeigen, dass ein falscher oder grober Einsatz von Gebissen negative Auswirkungen auf das Wohlbefinden des Pferdes haben kann:
- Schleimhautverletzungen und Druckstellen
- Beeinträchtigung der Atmung durch enge Verschnallungen (McGreevy et al., 2012)1
- Erhöhte Stressreaktionen und Verhaltensauffälligkeiten (Dyson et al., 2016)2
Enge Nasenriemen und Sperrriemen verstärken zudem den Druck zusätzlich, indem sie dem Pferd das Öffnen des Mauls erschweren. Dies kann zu Schmerzen und einem erhöhten Stresslevel führen.
Das Problem: Schmerz als Trainingsmethode
Reiter nutzen Gebisse und Trensen zur Steuerung und Kontrolle des Pferdes. Problematisch wird es, wenn Schmerz als Mittel zur Durchsetzung von Hilfen eingesetzt wird. Laut einer Studie kann zu starker Druck durch Gebisse die Kaumuskulatur verspannen, die Kopfhaltung negativ beeinflussen und zu Taktfehlern und Widersetzlichkeiten führen.2
Pferde haben eine hohe Schmerztoleranz, zeigen aber oft subtile Stresssignale. Ein nach hinten gelegter Nasenriemen oder Schaum am Maul sind nicht immer Zeichen von Losgelassenheit – oft sind sie Reaktionen auf unangenehme Einwirkungen.
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Vergleich mit Hunden: Warum sind Stachelhalsbänder verboten, scharfe Gebisse aber erlaubt?
Im Hundetraining ist der Einsatz von Stachelhalsbändern und Würgehalsbändern in vielen Ländern verboten, da sie durch Schmerz und Druck unerwünschtes Verhalten unterdrücken sollen. Laut einer Studie von Schalke et al. (2007) führen schmerzhafte Hilfsmittel beim Hund zu erhöhten Stresshormonen (Cortisol), ängstlichem Verhalten und Meideverhalten und potenziell aggressiven Reaktionen durch Frustration.
Die Parallele zum Pferdesport ist offensichtlich: Auch dort gibt es Ausrüstungen, die durch Schmerz oder Druck Kontrolle ermöglichen. Während das Hundetraining mittlerweile vermehrt auf positive Verstärkung setzt, hält sich im Pferdesport oft noch die Idee, dass Kontrolle durch mechanische Hilfsmittel erreicht werden muss.
Sind Gebisse und Trensen automatisch Tierquälerei?
Nicht grundsätzlich. Ein gut angepasstes Gebiss und eine feine Reiterhand können eine klare Kommunikation ermöglichen, ohne dem Pferd zu schaden. Kritisch wird es jedoch, wenn:
- Ein Gebiss zur Durchsetzung von Zwang genutzt wird,
- Das Pferd Schmerzsignale zeigt und nicht darauf reagiert wird,
- Scharfe Gebisse und enge Verschnallungen zum „Stillhalten“ missbraucht werden.
- Die Schweizer Regelung ist ein Schritt in die richtige Richtung: Sie zwingt Reiter, ihr Equipment kritisch zu hinterfragen und pferdegerechte Lösungen zu suchen.
Welche Alternativen gibt es?
Es gibt bereits sanftere Methoden, die im Pferdesport vermehrt eingesetzt werden. Dazu gehören etwa gebisslose Zäumungen wie Sidepull oder LG-Zaum wirken über Nasendruck statt auf das empfindliche Maul. Aber auch anatomisch angepasste Gebisse mit gebogenen Stangen entlasten die Zunge. Feines Reiten und eine gute Ausbildung minimieren ebenfalls den Druck auf das Pferd.
Laut Fenner et al. (2016) gibt es Hinweise darauf, dass gebisslose Zäumungen für viele Pferde eine komfortablere Alternative darstellen – vorausgesetzt, sie werden korrekt angewendet. 3

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Gebisse und Trensen sind nicht per se Tierquälerei – ihr Missbrauch kann es jedoch sein. Die Entwicklung in der Schweiz zeigt, dass der Pferdesport sich weiterentwickeln muss. Ein bewusster, pferdegerechter Umgang mit Hilfsmitteln ist entscheidend, um das Wohl der Pferde zu gewährleisten. Die Frage ist nicht, ob Gebisse abgeschafft werden müssen – sondern, ob der Mensch bereit ist, ihre Anwendung zu überdenken.