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10. Januar 2025, 6:15 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
PETBOOK-Autorin Manuela Lieflaender ist Wiedereinsteigerin und möchte nach 20 Jahren wieder zurück in den Sattel. Doch das ist mit Schwierigkeiten verbunden. Denn Manuela hat kein eigenes Pferd. Als Erwachsene mit einem fremden Tier unter der Beobachtung der neuen Stallgemeinschaft zu stehen, verlangt ihr einiges ab. So viel, dass sie sich Hilfe bei Insa Schülzke sucht, Emotionscoach mit dem Schwerpunkt Angstreiter.
Endlich wieder zu reiten, hatte ich mir eigentlich schön vorgestellt. Doch zwei Kilometer vor meinem Ziel greife das Lenkrad fester. Was mache ich hier eigentlich? Vielleicht sollte ich lieber nach Hause fahren. Die Straße schlängelt sich durch eine winterliche Landschaft, kahle Bäume reihen sich wie stumme Wächter aneinander. Mein Auto rollt langsam über den Asphalt, und jedes Mal, wenn ein neuer Wegweiser auftaucht, überlege ich, ob ich nicht einfach umdrehen soll. Ein Ortsschild zieht vorbei, dann ein unscheinbares Holzschild mit der Aufschrift „Reitstall“.
Zweifel beginnen zu nagen
Mir fällt wieder Coco ein, das Großpferd, das ich vor Kurzem aufgegeben habe. Es war die richtige Entscheidung, da bin ich mir sicher. Aber warum fühle ich mich dann so schlecht? Die Zweifel beginnen zu nagen. Kann es sein, dass ich nicht mehr die Geduld habe, die es braucht, um mit einem Pferd zu wachsen? Dass ich nicht mehr bereit bin, mich voll darauf einzulassen?
Mein Blick fällt auf das Handy, das auf dem Beifahrersitz liegt. Darauf ist die Kleinanzeige mit dem Foto von Fly, dem fünfjährigen Isländer, der mir nicht mehr aus dem Kopf geht, seit ich in das Inserat gesehen habe. Klein, hübsch, unkompliziert – so hieß es. Vielleicht ist er genau das, was ich brauche. Oder vielleicht bin ich wieder dabei, mich zu übernehmen. Als das Tor des Stalls endlich vor mir auftaucht, halte ich kurz inne, mein Herz klopft bis zum Hals. Dann atme ich tief ein, lege einen Gang ein und sage leise zu mir selbst: „Na gut. Los geht’s.“
Die erste Begegnung
Fly ist noch schöner, als ich ihn mir vorgestellt habe. Und Anne, seine Besitzerin, begegnet mir mit einer wohltuenden Gelassenheit. Es gibt keine Tests à la „Zeig mal, was du kannst“. Sie reicht mir das Halfter und wir holen Fly zusammen von der Weide. Unser Spaziergang im Gelände ist ruhig und unkompliziert. Ich bin begeistert. Zum ersten Mal seit Langem fühle ich diese innere Freude. Als Anne mir schließlich zusagt, dass ich Fly betreuen darf, kämpfe ich mit den Tränen.
Doch die Euphorie bekommt einen Dämpfer. Beim nächsten Besuch bin ich zum ersten Mal alleine mit Fly – und die Unsicherheit schlägt zu. Schon auf der Fahrt zum Stall fühle ich mich gehetzt, obwohl ich eigentlich ausreichend Zeit habe. Draußen wird es früh dunkel, und ich möchte noch einen Spaziergang machen. Aber darf ich das überhaupt? Anne sprach zuletzt von Bodenarbeit. Vertraut sie mir nicht?
Der Moment der Wahrheit
Fly scheint meine innere Unruhe sofort zu spüren. Schon nach wenigen Metern testet er mich. Er möchte einen anderen Weg einschlagen als ich. Ich halte dagegen, doch ich bekomme Zweifel, ob es richtig ist, weiterzugehen. Schließlich drehe ich um. Es ist besser so, denke ich. Stattdessen übe ich in der Halle das Führtraining, das mir eine Reitlehrerin ein paar Tage zuvor gezeigt hat.
Doch am Stall fühle ich mich genauso fehl am Platz. Zwei Reiterinnen belehren mich am Eingang, andere mustern mich skeptisch. Alles in mir schreit danach, nach Hause zu fahren. Aber das geht nicht. Ich gebe nicht auf. In der Halle wird mir bewusst, wie viel ich noch lernen muss. Fly spiegelt meine Unsicherheit und führt die Übungen nach seinen Bedingungen aus. Ich schaffe es teilweise nicht, ihn in die Bewegung zu bringen, und ich schäme mich. Für mich. Für meine vermeintliche Unfähigkeit.
Ein neuer Anfang
Auf dem Heimweg kreisen meine Gedanken. Habe ich Fly überfordert? Oder mich selbst? Der Wunsch, es „richtig“ zu machen, lastet schwer auf mir. Aber dann wird mir klar: Vielleicht geht es gar nicht darum, alles sofort perfekt hinzubekommen. Vielleicht ist dieser Weg genau das, was ich brauche, um an mir zu arbeiten.
Ich beginne, mich mit Mentaltraining zu beschäftigen, lese über Unsicherheiten und den Aufbau von Vertrauen. Immer mehr verstehe ich: Fly ist nicht nur ein Pferd. Er ist auch ein Spiegel für mein eigenes inneres Chaos. Und wenn ich mit ihm wachsen will, muss ich zuerst mit mir selbst anfangen.
Pferd bringt Ängste an die Oberfläche
Bei Instagram finde ich Insa Schülzke. Sie ist seit 25 Jahren Emotionscoach mit dem Schwerpunkt Angstreiter. Ich erzähle ihr am Telefon meine Geschichte und erfahre, dass viele erwachsene Wiedereinsteiger mit ähnlichen Problemen zu kämpfen haben:
„Viele Reiterinnen schätzen ihre Angst auf einer Skala von 1 bis 10 oft im mittleren Bereich ein. Sie sagen: ‚Ich habe nur in bestimmten Situationen ein Problem, sonst geht es mir gut.‘ Doch oft ist das eine Flucht vor der Realität.“ Es brauche Ehrlichkeit mit sich selbst: Weiche ich der Angst aus? Häufig stelle man fest, dass sich bestimmte Ängste wie ein roter Faden durch das Leben meiner Klienten ziehen – doch sie werden oft verdrängt. „Das Pferd bringt diese Ängste wieder an die Oberfläche und bietet uns die Chance, daran zu arbeiten.“
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Expertin verrät Hund und Pferd aneinander gewöhnen – Schritt-für-Schritt-Anleitung
Insas 5 Steps zum persönlichen Wachstum mit dem Pferd:
1. Tagebuch führen für mehr Selbstreflexion
Halte fest, was im Training gut lief und was weniger gut war. Frage dich: „Kann ich das selbst lösen oder brauche ich Unterstützung?“
2. Gefühls-Skala von 1 bis 10 nutzen
Wie fühlte sich das Training heute an? Beobachte diese Stimmung neutral, ohne zu bewerten.
3. Achtsamkeit für Angstmomente
Achte darauf, wann Ängste entstehen und das Kopfkino einsetzt. Wenn etwas gut funktioniert hat, frage dich: „Warum hat es geklappt? Was war anders?“
4. Positive Wow-Erlebnisse nutzen
Wenn die Angst da ist, erinnere dich an einen Moment, in dem du ein Erfolgserlebnis hattest. Tauche gedanklich in dieses Gefühl ein.
5. Visualisieren mit einer „Wenn, dann“-Liste
Stelle dir mögliche Situationen vor, die Unsicherheiten auslösen, und überlege dir Lösungen: „Wenn die Halle voll ist, dann atme ich tief durch.“ „Wenn ich mein Pferd korrigieren muss, dann bleibe ich ruhig und gelassen.“ Schreibe diese Szenarien auf und spiele sie gedanklich immer wieder durch.
Die 5 Steps sind eine Grundlage für Selbstcoaching und persönliche Weiterentwicklung. Doch wenn deine Angst auf der Skala von 1 bis 10 bei 7 oder höher liegt, reichen diese Selbstcoaching-Methoden oft nicht mehr aus. In solchen Fällen ist es wichtig, gezielte Unterstützung von außen zu holen – beispielsweise durch ein Coaching mit einem erfahrenen Experten. Ein professioneller Blick von außen hilft, tiefere Blockaden zu erkennen und nachhaltig daran zu arbeiten. Fortsetzung folgt…
Besucht Manu und ihr Pflegepferd Fly auf Instagram pferde_wiedereinsteigerin