4. Juli 2023, 13:41 Uhr | Lesezeit: 10 Minuten
Zwei Reiterinnen, drei Pferde und knapp 1500 Kilometer in dreieinhalb Monaten. Karolin van Onna und Nicole Kumpfmüller überquerten zu Beginn des Jahres mit ihren Pferden die Südinsel Neuseelands. Im Gespräch mit PETBOOK erzählen die beiden von ihren abenteuerlichen Erlebnissen.
Karolin van Onna und Nicole Kumpfmüller sind im Süden Deutschlands aufgewachsen. In Neuseeland lernten sie sich in ihren Zwanzigern kennen und verwirklichten im Februar dieses Jahres ihren Wunsch, die Südinsel Neuseelands mit Pferden zu überqueren. Der Start ihrer Route war Bluff, der südlichste Ort der Südinsel Neuseelands. Nach etwa dreieinhalb Monaten erreichten die Freundinnen und die drei Pferde ihr Ziel: die im Norden der Insel gelegene Hafenstadt Picton. Ihre Route führte sie über Berge, durch Täler und Flüsse und war zum Teil nichts für schwache Nerven. Wieder zurück in Cromwell, einem Ort auf der Südinsel, wo Karolin von Onna Pferdetrekking für Touristen anbietet, kommt ihnen die Erfahrung nahezu unwirklich vor. Wie Reiterinnen und Pferde den Trip überstanden haben und warum es auf der Mitte der Strecke fast zu einem ernsthaften Unfall an einem Abhang kam, verraten Karolin und Nicole im Interview.
»Auf dem Pferderücken nimmt man die Umgebung anders wahr
PETBOOK: Ihr habt mehr als drei Monate mit euren Pferden die Südinsel Neuseelands in ihrer Länge überquert. Wie kam es dazu?
Karolin: Nicole und ich haben uns vor etwa sechs Jahren hier in Neuseeland kennengelernt. Zu dem Zeitpunkt hatte ich bereits Pferde und wir sind zusammen ausgeritten. Dabei kam dieser Wunsch in uns auf, das Land auf dem Pferderücken erkunden zu wollen. Mit dem Auto hatten wir bereits viel gesehen. Das war aber eine ganz andere Erfahrung als zu Fuß oder eben auf dem Pferd unterwegs zu sein. Dabei nimmt man die Landschaft anders wahr und das wollten wir gemeinsam erleben, obwohl wir uns zu dem Zeitpunkt nur wenige Monate kannten.
Wie habt ihr eure Route geplant und musstet ihr davon abweichen?
Karolin: Wir planten die Route mithilfe von Google Maps. Pro Tag wollten wir etwa 20 Kilometer zurückzulegen. Verschiedene, erfahrene Langstreckenreiter, die sich in den unterschiedlichen Gegenden der Südinsel auskennen, gaben uns in Gesprächen wertvolle Tipps. Viel haben wir tatsächlich unterwegs geplant, wobei wir teilweise tagelang keinen Empfang hatten. Daher haben wir meist schon im Voraus für mehrere Nächte geplant. Die Anwohner waren extrem hilfsbereit und freundlich. Sie gaben uns Kontaktdaten von Freunden oder Nachbarn, bei denen wir größtenteils unsere Schlafplätze finden konnten. Unsere Zelte haben wir weniger genutzt als gedacht.
Nicole: Am stärksten von der Route abgewichen sind wir gegen Ende. Dort war das Gelände nur schwer mit Pferden zu überqueren, sodass wir den Ritt etwas verkürzten, als vorher geplant war. Zwischendurch gab es viele kleine Abweichungen. Das lag meist am Wetter, wenn nach Unwettern bestimmte Strecken nicht mehr nutzbar waren.
Mit drei ehemaligen Rennpferden über die Südinsel Neuseelands
Wie viele Pferde hattet ihr dabei?
Karolin: Wir waren mit drei Pferden unterwegs, zwei Reitpferde und ein Packpferd. Ich auf Moose, Nicole auf Rasta und unser Packpferd Alex lief mit.
Was für Pferde sind das?
Karolin: Meine Pferde sind Standardbreds, das sind Pferde, die für den Trabrennsport gezüchtet werden. Die drei, die wir dabei hatten, sind mit am erfahrensten von meinen insgesamt acht Pferden. Sie können problemlos auch im Straßenverkehr geritten werden und verstehen sich gut miteinander. Alex und Moose sind sogar schon 18 Jahre alt und nicht mehr die Jüngsten.
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»Eine meiner größten Sorgen war, die Pferde könnten stark an Gewicht verlieren
Mit wie viel Gepäck wart ihr unterwegs?
Karolin: Unser Packpferd hat etwa 70 Kilogramm getragen, die anderen beiden zusätzlich zu unserem Gewicht noch etwa 20 Kilogramm. Das war allerdings nicht alles, was wir dabeihatten. Nicoles Freund, Samuel, hat uns, wo es ging, mit dem Auto begleitet. Das hat vieles erleichtert. Er hatte Vorräte an Pferdefutter und Ersatzausrüstung dabei. Als das Gelände für Fahrzeuge nicht zugänglich war, waren wir jedoch fünf Tage lang mit allem, was wir in der Zeit brauchten, allein unterwegs.
Habt ihr den Pferden während des Ritts spezielles Futter gegeben?
Karolin: Ja, wir hatten zwei verschiedene Sorten Kraftfutter dabei. Das habe ich vorher mit meiner Tierärztin abgesprochen. Eins war sehr kalorienreich und eins das, was ich den Pferden auch im Alltag gebe. Eine meiner größten Sorgen war, dass die Pferde aufgrund der Anstrengung stark abnehmen könnten. Das wollte ich auf jeden Fall vermeiden.
Auf welche Dinge für eure Pferde konntet ihr nicht verzichten?
Karolin: Immer mit dabei hatten wir ein Erste-Hilfe-Kit für uns und für die Pferde. Mit Schmerzmitteln, Wundcremes usw. Auch Kraftfutter für zwei bis drei Tage und eine Mischung aus Mineralien hatten wir immer dabei. Das war wichtig, weil das Gras in den höheren Berglagen knapp und nährstoffarm ist. Wichtig war auch ein zusammenklappbarer Eimer für Wasser. Es gibt zwar überall in Neuseeland Gewässer, aus denen die Pferde trinken können. Da Flüsse oder Bäche auf der Strecke teilweise schwer zugänglich waren, hat der Eimer sehr geholfen.
»Wir hatten unglaubliches Glück, dass keines der Pferde sich ernsthaft verletzte
Gab es schwierige Situationen, die ihr mit euren Pferden durchlebt habt, oder einen Tiefpunkt?
Karolin: Den wahrscheinlich schlimmsten Tag hatten wir ungefähr auf der Mitte der Strecke. Etwa drei Tage lang hatten wir keinen Empfang, das war nicht unüblich. Wir orientierten uns an Empfehlungen der Anwohner, die uns gesagt hatten, wir könnten die Strecke gut mit den Pferden zurücklegen. In der Realität war das alles andere als einfach. Es gab keinen Wanderweg, etwa alle 200 Meter diente ein Pfeiler zur Orientierung, mehr nicht. Der Pfad verlief in der Mitte eines steilen Abhangs und war geradeso breit genug, um die Pferde dort entlangzuführen. Dort hatten wir dann einen Unfall. Rasta, Nicoles Pferd, fiel rückwärts den Abhang hinunter. Dort blieb er in einer Hecke stecken. Wir wollten ihm sofort helfen, mussten vorher aber die anderen beiden Pferde anbinden. Als wir Rasta beim Aufstehen helfen wollten, fiel er zunächst noch ein Stück weiter herunter.
Nicole: Er war verhältnismäßig ruhig, konnte sich aber auch kaum bewegen und lag hilflos dort, mit den Beinen in der Luft. Mit dem Sattel steckte er an einem Stein fest. Es brauchte mehrere Anläufe und unsere ganze Kraft, um ihm beim Aufstehen zu helfen. Für uns war das der reinste Horror, wir haben uns unglaubliche Sorgen gemacht. Wie durch ein Wunder war Rasta danach nicht lahm, er hatte nur wenige oberflächliche Schürfwunden. Als wir am nächsten Tag weiter wollten, ging ich vorsichtshalber zu Fuß neben ihm her, bis er anfing, mich ständig zu überholen, als würde es ihm zu langsam gehen. Da bin ich wieder aufgestiegen. Wir hatten insgesamt unglaublich großes Glück, dass keines der Pferde sich ernsthaft verletzte.
»Wir haben bemerkt, wenn die Pferde eine Pause brauchten
Habt ihr die Pferde auf den Ritt vorbereitet?
Karolin: Meine Pferde sind Trekkingpferde und es ging für uns direkt nach der Sommersaison los. Da im Sommer die meisten Touristen in Neuseeland sind, sind meine Pferde ungefähr vier Stunden pro Tag an sechs Tagen die Woche in Bewegung. Diese intensive Zeit geht etwa zwei Monate lang. Deswegen waren meine Pferde schon ziemlich fit, als wir losgeritten sind.
Ihr wart mehr als drei Monate unterwegs. Hattet ihr zwischendurch das Gefühl, eure Pferde brauchen eine Pause?
Nicole: Ja, wir haben immer bemerkt, wenn die Pferde eine Pause brauchten und ihnen die Zeit gegeben. Meist sind wir fünf Tage am Stück geritten und haben zwei Tage Pause gemacht. Das hat größtenteils auch gut mit dem Wetter zusammengepasst, sodass wir bei starkem Regen oder Wind nicht unterwegs waren.
Karolin: Dazu haben wir auch drei lange Pausen eingelegt, die acht Tage dauerten. In der Zeit konnten sich die Pferde richtig erholen. Besonders gegen Ende fiel uns auf, dass die Pferde müde wurden und weniger motiviert waren. Wir mussten sie dann sogar antreiben, das war sonst nicht nötig. Hätten wir bemerkt, dass es den Pferden gesundheitlich nicht gut ging, hätten wir den Ritt abgebrochen.
Die Hufpflege während der drei Monate dürfte eine Herausforderung gewesen sein. Haben die Pferde Eisen getragen?
Karolin: Ja, die Eisen wurden gemacht, kurz bevor wir losgeritten sind und dann noch einmal, etwa in der Mitte des Ritts. Normalerweise tragen meine Pferde keine Eisen. Alle haben gute Hufe, aber bei so einer Belastung brauchten sie Eisen. Der Hufschmied, der die Pferde während des Ritts das zweite Mal beschlagen hat, der war wirklich genial. Der Beschlag hat wahnsinnig lang gut gehalten.
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»Mit Pferden durch Neuseeland zu reiten, hat unsere Vorstellungen vollkommen übertroffen
Was war euer Highlight?
Karolin: Das ist unmöglich auf eine Sache zu begrenzen. Die Flussüberquerungen waren für mich sehr aufregend. Denn wir beide hatten da eigentlich keine Erfahrung und haben viel gelernt. Die Flüsse waren teilweise riesig, unsere Füße sind auch mal im hohen Wasser nass geworden. Das waren richtige Adrenalinschübe! Dieser Ritt war mehr, als wir uns hätten wünschen oder vorstellen können. Man lernt so viel über sich selbst und natürlich die Pferde. Es ist surreal, dass es vorbei ist.
Nicole: Für mich war es das Gesamtpaket. Wir haben viele Leute kennengelernt, die uns mit Erfahrungen und Tipps unterstützt haben. Am ersten Tag hielt uns direkt ein Polizist an, als wir gezwungen waren, an einer stark befahrenen Straße entlangzureiten. Unsere Sorge war allerdings vollkommen unbegründet. Er hatte sich bloß Sorgen um unsere Sicherheit gemacht und organisierte uns anschließend sogar unseren ersten Schlafplatz für die Nacht. Auch die Landschaft war ein Highlight für mich, die hätten wir mit dem Auto so nicht zu Gesicht bekommen.
Habt ihr während dieser intensiven Zeit etwas Neues über eure Pferde gelernt?
Karolin: Mich hat überrascht, was die Pferde alles geschafft haben. Manche Strecken waren kilometerweit voller großer Gesteinsbrocken. Darüber sind die Pferde regelrecht geklettert. Hätte mir vorher jemand Bilder davon gezeigt, ich hätte gesagt, dass das mit den Pferden auf keinen Fall klappt. Nicole und ich waren teilweise echt gestresst von den Bedingungen auf der Strecke.
Nicole: Wir haben schon brutale Dinge erlebt. Teilweise mussten wir Flüsse durchqueren, es gab Sumpfgebiete. Trotzdem sind uns die Pferde jeden Tag freudig entgegengelaufen. Es hat mich überrascht, dass sie trotz allem bereitwillig weiterwollten und jeden Tag aufs Neue motiviert waren.