6. April 2023, 6:07 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Der Besuch beim Tierarzt stellt für Tierbesitzer in sozialen Notsituationen oft eine unüberwindbare Hürde dar – denn die Behandlungen sind teuer. Hier unterstützen Vereine wie der „Bunter Hund“ in Leipzig hilfsbedürftige Haustierhalter.
Eine gebrochene Pfote, ein verklebtes Auge, eine Wurmkur – Tierarztbehandlungen kosten viel Geld. Damit sich das auch obdachlose, hilfebedürftige oder suchtkranke Menschen den Arztbesuch für ihre Tiere leisten können, engagieren sich in Deutschen Großstädten oft gemeinnützige Vereine, wie „Bunter Hund“ in Leipzig.
„Auch wenn Menschen sehr arm sind und in schwierigen Lebenssituationen sind, haben sie das Recht auf ein Tier“, sagte die Vorsitzende Becky Wehle. Deshalb unterstützt der Verein in Zusammenarbeit mit fünf Leipziger Tierarztpraxen einmal in der Woche durch Sprechstundentermine.
„Jede Woche Mittwoch ist eine andere Praxis dran“, erklärte Wehle. Es gebe jeweils zehn freie Termine für die Tiere. Die Besitzerinnen und Besitzer müssen sich beim Verein anmelden und erhalten dann einen Überweisungsschein. Der Verein besteht bereits seit 2011. Die Idee stammt ursprünglich von zwei Leipziger Tiermedizinstudentinnen.
Kosten für Tiere in letzter Zeit stark gestiegen
Tierhaltung wird in Deutschland zunehmend teurer. Zum einen stiegen im letzten Jahr die Tierarztkosten durch die Anpassung der Gebührenordnung im November 2022 zum Teil stark an. Zum anderen nehmen die Preise für Strom und vor allem für Futter inflationsbedingt zu. So gaben Halter laut Daten des Industrieverbandes Heimtierbedarf (IVH) e. V. und des Zentralverbands Zoologischer Fachbetriebe Deutschlands e. V. (ZZF) 1,076 Milliarden Euro mehr für Tierfutter aus als 2021 (PETBOOK berichtete).
So werden in Zukunft wahrscheinlich nicht nur Hilfebedürftige wie Obdachlose oder Suchtkranke auf kostenlose tierärztliche Behandlungen ihrer Tiere angewiesen sein, sondern auch gering verdienende. Auch Tierheime berichten PETBOOK gegenüber, dass immer mehr Leute ihre Haustiere aus finanziellen Gründen abgeben.
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Wer kann die Hilfe der Vereine in Anspruch nehmen?
Um das Angebot in Leipzig in Anspruch nehmen zu können, reicht es aber nicht, finanzielle Nöte zu haben. Tierbesitzer müssen dafür in einer besonderen Situation sein, erklärte Wehle. „Wenn jemand obdachlos ist, kann das ein Grund sein, wenn ein Suchtkontext im Hintergrund steht oder psychische Erkrankungen“, so Wehle.
In Berlin richtet sich das Angebot vor allem an Obdachlose. So gibt es in Berlin gleich mehrere Angebote, wie etwa kostenlose Tierarztsprechstunde für obdachlose Tierhalter der Berliner Tiertafel e.V. und KUBUS oder das Projekt HundeDoc, bei dem hauptsächlich Tiere mittelloser Jugendlicher und junger Erwachsener, die überwiegend auf der Straße oder im öffentlichen Raum (Plätze) leben und sozialpädagogisch betreut werden, behandelt werden. Ein Angebot speziell für ältere Menschen gibt es in Bonn. Dort ist das Tierarztmobil vom Verein „Einsatz für Tiere in Not“ speziell für Menschen über 60 Jahre im Einsatz.
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Ehrenamtliche Arbeit
Die Arbeit verrichten die Praxen oft ehrenamtlich. In Leipzig sei man für Medikamente und Notoperationen sei man allerdings auf Spendengelder angewiesen, sagte die Tierärztin Sabine Zimmermann-Kuhn. Ihre Kleintierpraxis ist eine der fünf Praxen, die im wöchentlichen Wechsel Tiere von Hilfebedürftigen wie Obdachlosen oder Suchtkranken behandelt.
Der Verein macht diese Arbeit, um Mensch und Tier in sozialen Notlagen zu unterstützen. „Tiere geben Halt, geben Motivation, geben Sicherheit“, erklärte Wehle. Gerade für finanziell oder sozial Benachteiligte sowie psychisch erkrankte Menschen seien Tiere eine wichtige Stütze, sagte auch Zimmermann-Kuhn. „Wir erleben das jedes Mal in der Sprechstunde, wie wichtig der Partner Tier für die Menschen ist“, so die Tierärztin.
In Darmstadt bietet das dortige Tierheim zusammen mit der Fachberatungsstelle Teestube Konkret der Diakonie eine sogenannte Underdog-Sprechstunde an, bei der Tiere von Wohnungslosen im Notfall eine kostenlose tierärztliche Betreuung erhalten. Auch Hessens größte Tier-Arzt-Praxis an der Frankfurter Hauptwache hat an jedem ersten Samstag im Monat Sprechstunde für Obdachlose und Hartz 4-Empfänger. In Hamburg kümmern sich laut dem Nachrichtenmagazin „Hamburger Abendblatt“ Tierärztin Karen Voelkel und ihr Team mit der Obdachlosenhilfe des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) um die Hunde, deren Halter sich einen Tierarztbesuch in einer Praxis niemals leisten könnten.
Mit Material der dpa