17. September 2022, 21:33 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Ein Hund, der seinen Menschen schwanzwedelnd begrüßt oder eine Katze, die panisch faucht, wenn sie beim Tierarzt auf dem Behandlungstisch sitzt: Wer Haustiere hält, wird keinen Zweifel daran haben, dass sie Gefühle wie Freude und Angst empfinden können. Doch wie sieht es mit Trauer, Liebe oder Empathie aus? Haben Haustiere auch die Fähigkeit, solche komplexeren Emotionen zu empfinden?
Wenn wir glauben, bei Tieren Gefühle wahrzunehmen, handelt es sich nicht selten um Projektionen. Vor allem aber greifen wir dabei auf das zurück, was wir selbst im Gefühle-Repertoire haben. Doch fühlen Haustiere wie Hunde, Katzen und Kleintiere wirklich so wie wir Menschen? Was die Wissenschaft zum Thema tierische Gefühle sagt.
Was genau sind eigentlich Gefühle?
Da wäre zunächst einmal die Frage, was Gefühle überhaupt sind. Was im ersten Moment banal klingen mag, ist gar nicht so einfach zu beantworten. Vereinfacht könnte man sagen: Gefühle entstehen als Folge von Sinneswahrnehmungen. Äußere Reize werden im Gehirn interpretiert und führen zu bestimmten Reaktionen, etwa zu Stress oder Angst. Und weil die Gehirne aller Säugetiere ähnlich aufgebaut sind, können wir davon ausgehen, dass dies auch bei unseren Haustieren der Fall ist. Dass Bello, Minka und Co. also tatsächlich Gefühle haben, scheint damit außer Zweifel zu stehen.
Doch es bleibt die Frage, wie Hunde, Katzen und Kleintiere ihre Gefühle erleben. Hier wird es schon kniffeliger – schließlich können wir unsere Lieblinge nicht einfach fragen, wie es ihnen geht. Und mal ehrlich: Wer kann schon mit Sicherheit sagen, wie sich Liebe oder Trauer für einen anderen Menschen anfühlen? Hier gibt es schon von Mensch zu Mensch große Unterschiede, abhängig vom individuellen Temperament. Wie soll man da die Frage beantworten, ob Haustiere wie wir Menschen fühlen?
Dazu kommt, dass komplexe Emotionen schwierig zu erforschen sind. Einerseits sind sie schwer messbar, andererseits setzen sie das Wissen um die eigene Identität voraus. Aus diesem Grund sah man in Tieren lange so etwas wie „lebendige Roboter“, die lediglich über Instinkte verfügen, die ihr Überleben sichern sollen: Wenn Vierbeiner Hunger haben, dann fressen sie – und wenn sie Angst haben, laufen sie weg. Tiefergehende Gefühle waren dem Menschen vorbehalten. Doch inzwischen gilt diese Lehrmeinung unter Verhaltensforschern als veraltet.
Mitgefühl und Einfühlungsvermögen bei Tieren
Durch Experimente konnte gezeigt werden, dass Ratten über die sogenannte Metakognition verfügen: Sie können über sich selbst nachdenken und aufgrund ihrer Abwägungen fundierte Entscheidungen treffen. Zudem scheinen die sozialen Nager in der Lage zu sein, sich in andere hineinzuversetzen. In einem Versuch haben Ratten ihre Artgenossen offenbar ganz selbstlos vor Schmerzen bewahrt.1 Die Vermutung liegt nahe, dass diese Tiere so etwas wie Empathie empfinden können – eine Gefühlsregung, die lange nur uns Menschen zugestanden wurde.
Wer einen treuen Hund oder eine verschmuste Katze zu Hause hat, wird kaum infrage stellen, dass auch sie so etwas wie Mitgefühl verspüren können. Wenn es uns schlecht geht, wenn wir uns einsam fühlen oder traurig sind, kuscheln sie sich ganz selbstverständlich zu uns. So, als wollten uns unsere tierischen Mitbewohner sagen: „Kopf hoch, das wird schon wieder!“ Warum tun sie das? Der Grund ist wohl die enge Bindung, die sie zu uns aufgebaut haben – und dahintersteckt das „Kuschelhormon“ Oxytocin.
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Lieben uns unsere Haustiere?
Wenn wir das weiche Fell unseres Lieblings streicheln, wird dabei unter Umständen nicht nur unser Körper mit Glücksgefühlen überflutet, sondern auch der des Tieres. Oxytocin sorgt in der Natur beispielsweise für das innige Band zwischen Mutter und Kind. Darüber hinaus spielt dieses Bindungshormon eine wichtige Rolle bei der Interaktion zweier einander zugeneigter Erwachsener – und offenbar auch in der Beziehung von Mensch und Haustier. Viele Tierbesitzer fragen sich: Liebt mich mein Tier? Oder bin ich nur der Rudelführer bzw. der Dosenöffner? Schaut man sich die Hormonausschüttung von Haustieren an, die eine enge Bindung zu Herrchen oder Frauchen haben, scheint die Antwort klar zu sein: Hier geht’s um mehr als nur um Futter.
Werden Tieren komplexe Gefühle wie Liebe oder Trauer zugestanden, wird schnell der Vorwurf der Vermenschlichung laut. Doch viele Wissenschaftler sind sich mittlerweile sicher, dass die Natur diese Art von Emotionen nicht allein für uns Menschen „erfunden“ hat. Ganz im Gegenteil: Wir sind darauf trainiert, Gefühle von anderen Lebewesen anhand ihrer Mimik und Gestik zu erkennen und zu interpretieren. Wir dürfen daher ganz auf unsere Intuition hören: Jault ein Hund verzweifelt, wenn wir das Haus ohne ihn verlassen, dann empfindet er tatsächlich so etwas wie Trennungsschmerz. Kuschelt sich eine Katze aus freien Stücken zu uns aufs Sofa und lässt sich bereitwillig ihr empfindliches Bäuchlein kraulen, dann vertraut sie uns und fühlt sich wohl. Und so kann man die Frage, ob Haustiere wie wir Menschen fühlen können, durchaus mit einem Ja beantworten.
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Studie zeigt Das löst bei Ratten Freudensprünge aus
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Quellen
- 1. Ben-Ami Bartal I, Decety J, Mason P. Empathy and pro-social behavior in rats [published correction appears in Science. 2012 Jan 27;335(6067):401]. Science. 2011;334(6061):1427-1430. doi:10.1126/science.1210789
- Tierärzte-Verlag, „Was fühlt das Tier?“ (aufgerufen am 26.7.2022)
- WELT, „Lieben uns Katzen und Hunde, oder bleiben sie nur wegen des Futters bei uns?“
- Scinexx, „Sind Ratten empathisch?“ (aufgerufen am 26.7.2022)
- Wissenschaft im Dialog, „Wie wird untersucht, ob Tiere ähnliche Emotionen wie wir Menschen haben?“ (aufgerufen am 26.7.2022)