11. Dezember 2022, 17:25 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Bei der Such nach einem passenden Hund führt viele der erste Weg ins Internet. Hier ist jedoch allergrößte Vorsicht geboten. Der Online-Handel ist voll von zu jungen Welpen aus schlechter Haltung. Vermehrer vermitteln sie dort oft als vermeintliche Tierschutzhunde. Manche sind jedoch so krank, dass es im neuen Zuhause häufig schnell um Leben und Tod geht.
Das Geschäft mit Hundewelpen boomt. Dank der Corona-Pandemie und Lockdowns erreichte der illegale Handel mit den niedlichen Tierbabys noch einmal ganz andere Dimensionen. Die Tierheime waren zum Teil leer und Züchter konnten die vielen Anfragen nicht mehr bedienen. Das spielte den sogenannten Vermehrern in die Hände. Sie produzieren Welpen rein für den Profit und vertreiben sie zum großen Teil über den Online-Handel. Die Zustände in solchen Vermehrerstationen sind katastrophal. Ihre ersten Lebenswochen verbringen illegal gehandelte Welpen meistens in dunklen, unhygienischen Käfigen, sind beißendem Gestank und mangelnder Versorgung ausgeliefert. Viel zu jung werden sie in Kofferräumen oder unter Autositzen versteckt nach Deutschland gebracht und dort verkauft.
„Wie Hunde im Internet verhökert werden, ist völlig inakzeptabel. Das erinnert ans organisierte Verbrechen, es herrschen mafiöse Strukturen vor“, sagt Tierärztin Barbara Schöning, Vorsitzende der Gesellschaft für Tierverhaltensmedizin und -therapie (GTVMT). Sie verweist auf eine Stichprobe der europäischen Tierschutzorganisation „EU Dog & Cat Alliance“. Danach zählte die Organisation an einem beliebigen Tag im Jahr 2020 mehr als 438.000 Anzeigen für Hunde auf den meistgenutzten Kleinanzeigen-Webseiten in der EU. Natürlich sind nicht alle Anbieter auf Online-Portalen gleich kriminell, dennoch ist Vorsicht geboten. Besonders perfide: „Oft wird fälschlicherweise behauptet, ein Hund sei gerettet worden, das sind dreiste Lügen“, sagt Schöning.
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Qualzucht unter dem Weihnachtsbaum
Karina Omelyanovskaya, Kampagnenverantwortliche für Heimtiere bei der Tierschutzorganisation Vier Pfoten, zufolge, ist es rund um das Jahresende besonders schlimm: „Damit die Welpen rechtzeitig zu Weihnachten auf Online-Plattformen zum Verkauf angeboten werden können.“ Im neuen Zuhause folgt dann schnell die böse Überraschung. Welpen aus dubiosen Quellen sind oft krank, werden laut Omelyanovskaya für den Verkauf zum Teil mit Antibiotika „fit gespritzt“. Sobald sie in ihrem neuen Zuhause angekommen seien, hätten sie aufgrund ihres kritischen Gesundheitszustands häufig kaum eine Chance, ohne Folgeschäden oder überhaupt zu überleben, sagt die Tierschützerin.
Die Tiere leiden etwa unter Parvovirose, einer hochansteckenden Viruserkrankung, die insbesondere für ungeimpfte Hunde eine große, mitunter tödliche Gefahr darstellt. Sehr häufig sind die Welpen aus dem Online-Handel außerdem zu jung. Durch die fehlende Sozialisierung von Mutter und Wurfgeschwistern kann es so später zu Angst- oder Aggressionsverhalten gegenüber Artgenossen kommen.
Händler werden selten bestraft
Das deutsche Tierschutzrecht sieht vor, dass Welpen nach der Geburt mindestens acht Wochen bei ihrer Mutter bleiben. Um aus dem Ausland nach Deutschland einreisen zu dürfen, müssen sie mindestens 15 Wochen alt sein und unter anderem einen gültigen Tollwutschutz besitzen. „Doch im illegalen Handel werden Welpen oft schon mit drei oder vier Wochen von ihrer Mutter getrennt, um möglichst klein und besonders niedlich zu sein“, so Karina Omelyanovskaya. Falsche Altersangaben, fehlende Impfnachweise oder keine gültigen Papiere sind kein Thema im Internet. Strafverfolgung scheint niemand zu fürchten.
Tierärztin Barbara Schöning erlebt nicht nur gesundheitliche Probleme in ihrer Praxis. Manche Tiere aus dubiosen Quellen wie etwa auch Straßenhunde aus Osteuropa sind hochgradig verängstigt und verhaltensauffällig. Sie leiden unter einer Art Kulturschock, kommen mit der Reizüberflutung in ihrer neuen Umgebung nicht zurecht und wollen zum Beispiel die Wohnung nicht mehr verlassen. „Dann ziehen sie sich zitternd in ein Zimmer zurück. Denn draußen herrscht Stress pur. Zu viel Lärm, zu viele optische Stimuli“, sagt Schöning. Die Bewältigungsstrategien eines Hundes für zu viele dieser Sinnesreize seien Flucht, Passivität oder aggressives Verhalten. Das könne die Besitzer überfordern.
Seriöse Züchter zeigen Unterbringung
Wie also vorgehen, wenn man sich einen Welpen anschaffen, aber dubiose Quellen im Online-Handel vermeiden will? „An erster Stelle steht, dass man sich gut überlegt, ob die Anschaffung eines Hundes sinnvoll ist“, sagt Barbara Schöning. Dann erst folgt der nächste Schritt: überlegen, was für ein Hund es sein soll. Seriöse Züchter helfen Interessenten dabei. „Sie zeigen die Unterbringungsbedingungen, sie können Auskunft geben zum Charakter der Welpen“, sagt die Tierärztin. Wer Tiere auf Autobahnparkplätzen aus dem Bus oder Kofferraum heraus verkauft, ist auf keinen Fall seriös.
Hester Pommerening vom Deutschen Tierschutzbund empfiehlt, sich im Tierheim umzuschauen. „Wer gerne ein Tier aufnehmen möchte, wendet sich am besten an das nächste Tierheim vor Ort.“ In den deutschen Tierheimen warteten Tausende großartige, ganz unterschiedliche Tiere auf ein neues Zuhause. „Die Mitarbeiter kennen ihre Schützlinge ganz genau und wissen, welches Tier zu wem passt. Auch nach einer Vermittlung stehen sie gern beratend zur Seite“, sagt sie.
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Damit es sich aber tatsächlich um ein seriöses Tierheim handelt, sollten Interessenten vor dem Kauf unbedingt einen Blick in die Satzung eines Tierschutzvereins werfen. Ein wichtiger Hinweis auf die Seriosität eines Vereins ist die Gemeinnützigkeit und ein transparenter Umgang mit Spenden. Auch bei Organisationen aus dem Ausland. „Die Vermittlung eines Auslandshundes geschieht im Idealfall nur nach erfolgter Quarantäne über sachkundige Pflegestellen oder Tierheime und nicht direkt aus dem Ausland“, sagt Hester Pommerening.
Fest steht: Ausschließlich über Internetanzeigen im Online-Handel sollte man nie einen Welpen kaufen oder adoptieren. Nur aufgrund von Fotos und einer Beschreibung, ohne das Tier vorher gesehen zu haben, ganz egal wie vertrauenserweckend und vermeintlich seriös ein Anbieter oder eine Organisation wirkt – das sei keine gute Idee.
Mit Material der dpa