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Meinung

Redakteurin: „Das Tier beim Einschläfern alleinzulassen, ist purer Egoismus!“

Collage aus Foto von Redakteurin Louisa Stoeffler und Katze, die beim Tierarzt behandelt wird
Für PETBOOK-Redakteurin Louisa Stoeffler ist es ein Unding, wenn Halter ihre Tiere in der schweren Stunde des Einschläferns alleinlassen Foto: Getty Images / Louisa Stoeffler / Collage mit Canva erstellt
Louisa Stoeffler
Redakteurin

1. März 2024, 14:07 Uhr | Lesezeit: 10 Minuten

Als Halter eines oder mehrerer Haustiere ist man unweigerlich irgendwann in der Situation, seinen geliebten Begleiter gehen lassen zu müssen. Manche Halter sehen sich jedoch in den letzten Momenten nicht dazu in der Lage, bei dem Tier zu sein, das sein ganzes Leben bei ihnen verbracht hat. PETBOOK-Redakteurin Louisa Stoeffler findet aber, dass es die Pflicht eines jeden Halters ist, auch in diesen letzten Momenten für das Tier da zu sein. Alles andere ist ihrer Meinung nach purer Egoismus. Eine Tierärztin gibt weitere Einblicke aus ihrem Berufsalltag dazu.

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95 Prozent meiner Haustiere sind tot. Diese Tatsache führe ich mir immer wieder vor Augen. Denn Tiere sind für uns Menschen nur kurzfristige Begleiter in unserem Leben. Andersherum sind wir jedoch alles, was sie kennen und begleiten sie ihr ganzes Leben. Katze und Hund vertrauen uns, haben eine Beziehung zu uns, lieben uns. Auch Kaninchen, Meerschweinchen und Vögel gewöhnen sich an uns und profitieren in gewisser Weise auch von der Interaktion mit Menschen. Wenn die Entscheidung des Einschläferns ansteht, geht es ihnen schlecht und sie werden erlöst. Dabei brauchen sie uns.

Todkrankes Tier, allein im sterilen Raum

Stellen Sie sich folgende Situation vor: Eine Katze, 15 Jahre alt, mit unsäglichen Schmerzen und unheilbaren Krankheiten wird in einen steril eingerichteten, gefliesten Raum gebracht. Sie ist zunächst ganz allein, ihr ist kalt.

Plötzlich kommt eine Person, die ihr gut zuredet, die sie aber nicht kennt, sie ist nicht wirklich beruhigt. Dann kommt noch eine Person. Über ihrem Kopf wird gesprochen. Sie versteht nicht, was geschieht. Sie sucht ihre Bezugsperson, sie sucht nach Ihnen. Mit herzzerreißendem Miau. Sie versteht nicht, warum sie hier ist.

Doch ihr Halter kommt einfach nicht, sie ist verlassen und schließt zum allerletzten Mal – verwirrt, verlassen, scheinbar vergessen – die Augen. Und nun frage ich: Warum tun Halter ihrem geliebten Haustier das an? Schon allein diese Vorstellung bereitet mir Alpträume.

„Das Tier beim Einschläfern alleinzulassen, ist purer Egoismus!“

Für mich kommt es also absolut nicht infrage, mein Tier alleinzulassen, wenn es Zeit ist, es gehen zu lassen. Ich finde, das sollte selbstverständlich sein. Ausreden wie: „Ich will das nicht sehen“, „Ich habe Angst davor“ oder „Ich will sie lebend in Erinnerung behalten“ bleiben für mich stets nur: Ausreden, die aus unserer Unfähigkeit erwachsen sind, uns dem Tod zu stellen.

In dem Moment, in dem wir als Halter unsere Tiere gehen lassen müssen, sind wir ihnen etwas schuldig. Sie brauchen uns auch in der schwersten Stunde. Das Tier beim Einschläfern alleinzulassen, ist nichts weiter als purer Egoismus in meinen Augen.

Nehmen wir als Beispiel meine Katze Minka. Immer, wenn ich sie zum Tierarzt brachte, war ich dabei. Ich war das Letzte, was sie sah, als sie kastriert wurde und das Erste, was sie sah, als sie nach der Narkose wieder aufwachte. Ich war ebenfalls das Letzte, was sie abends beim Einschlafen sah und das Erste, dem sie morgens ihren Bauch entgegenstreckte, um die erste Streicheleinheit des Tages abzugreifen. Auch wenn es mir wahnsinnig schwerfiel, war ich auch das Letzte, was sie sah, als sie die Regenbogenbrücke überquerte. Das war ich ihr absolut schuldig!

„Wir müssen für unsere Tiere stark bleiben, wenn sie uns am meisten brauchen“

Ich habe kein Verständnis dafür und frage mich, ob sich manche sagen: „Auf dem letzten Weg des Tieres geht es mir schlecht. Jetzt ist mir meine eigene Trauer zu wichtig, um ein paar Momente stark zu sein.“ Wie selbstsüchtig wäre das?

In unserer Kultur wird nur wenig über den Tod gesprochen, das Thema als unbequem angesehen und sehr weit weggeschoben. Vieles, was dieses Thema anbelangt, wird uns auch abgenommen. Von Bestattungsunternehmen, Friedhöfen, Trauerrednern und im Fall unserer Haustiere: sogar von Tierarzt und Tierarzthelfern.

Also habe ich eine Tierärztin gefragt, was sie zu diesem Thema denkt. Dr. Vanessa Herder, Tierärztin und Fachtierärztin für Pathologie, sagt, dass das Einschläfern immer – mit oder ohne Anwesenheit des Halters – eine Herausforderung ist.

Manche sind deutlich ruhiger, andere haben Stress

Auf die Frage, ob sie glaube, dass es für die betroffenen Tiere wichtig sei, dass ihre Halter in der Situation dabei sind, sagt sie: „Das kommt sehr auf die Situation und das Verhältnis von Tierhalter und seinem Tier an.“ So gäbe es Tiere, die bei Anwesenheit des Besitzers deutlich ruhiger sind und weniger Stress haben. „In diesen Fällen ist es sinnvoll, um den Stress des Tieres zu minimieren, den Halter dabei zu haben. Es gibt allerdings auch Tiere, bei denen die Anwesenheit des Halters dazu führt, dass das Tier unruhiger ist.“ Ich stutze.

In diesen anderen Situationen könne es im Sinne des Tierwohls sein, den Halter zu bitten, nicht dabei zu sein, findet die Veterinärin. „Hier ist eine angemessene Kommunikation zwischen Tierarzt und Halter wichtig. Weitere Faktoren sind, ob das Einschläfern in einer gewohnten Umgebung des Tieres stattfindet oder ob alles für das Tier neu ist.“

Weiterhin spiele es eine große Rolle, wie krank das Tier zum Zeitpunkt des Einschläferns sei. Stehe das Tier unter sehr starken Schmerz- und Beruhigungsmitteln, würde sich natürlich auch die Frage nach dem Bewusstseinszustand des Tieres zum Zeitpunkt der Einschläferung stellen. Das leuchtet mir ein. Ein Tier, dass nicht mehr wach ist, hat keinen Vorteil von der Tapferkeit, die ich für es an den Tag legen will.

„Es gibt Fälle, bei denen der Tag schon länger geplant war, weil etwa der Hund Krebs hat und über einen längeren Zeitraum so stark abgebaut hat, dass dieser Tag vorbereitet war – dann ist es oft einfacher für alle Beteiligten, die bestmöglichen Bedingungen zu finden.“

Manchmal zählt jede Sekunde

Allerdings gibt es laut der Erfahrung von Frau Dr. Herder auch Erkrankungen, bei denen das Einschläfern schnell entschieden wird und kaum Zeit ist, sich darauf vorzubereiten und aus Tierschutzgründen jede Sekunde zählt.

„Ich denke da an einen Fall, bei dem sich ein Pferd auf der Weide ein Hinterbein gebrochen hat und die offene Verletzung schwer war. Das Tier war in Panik und eine Operation kam nicht infrage. Hier stehen alle Personen unter Stress und in wenigen Momenten muss entschieden werden – und zwar im Sinne des Tierwohls.“

Das kann ich unterschreiben. Doch meine Frage bleibt: Sind Halter, die die Wahl haben und trotzdem nicht beim Einschläfern dabei sein wollen, tatsächlich Egoisten?

Was geht in Haltern vor, die nicht dabei sein wollen?

Auch zu diesem Thema berichtet mir Dr. Vanessa Herder über die Erfahrungen aus ihrem Beruf. „Tierhalter, denen klar ist, dass sie nicht dabei sein möchten, haben oft lange im Vorhinein darüber nachgedacht, dass es für sie nicht infrage kommt, das Einschläfern zu sehen.“ Hier habe sie feststellen können, dass Halter in dieser schwierigen Situation oft wissen, wie sie selbst reagieren werden.

Den meisten Menschen helfe es, eine vertraute Person dabei zu haben. „Allerdings gibt es immer wieder Ausnahmen, die die Regel bestätigen und einige Tierbesitzer möchten allein sein.“ Hier helfe es, wenn Tierarzt und Tierhalter vorher darüber sprechen und sich einigen.

Abschied nehmen im Nachhinein

Laut der Einschätzung von Frau Dr. Herder wissen einige Personen, dass es für sie zu schwer oder unmöglich ist, beim Sterben ihres Haustieres dabei zu sein. Sobald der Tod des Tieres durch den Tierarzt festgestellt ist, gebe es aber auch Halter, die dann gerne in Ruhe noch mal Abschied nehmen möchten und mit dem verstorbenen Tier alleine sein wollen. Manchmal in Begleitung einer vertrauten Person, manchmal nicht.

„Und dann gibt es die Personen, denen es lieber ist, das Tier lebend in Erinnerung zu behalten und sich dafür entschieden, das tote Tier nicht mehr zu sehen.“

Was sich die Tierärztin von Haltern wünscht

Auf die Frage hin, was sich die Veterinärin von Haltern wünschen würde, sagt sie mir, dass in diesen Situationen die Emotionen von allen Beteiligten eine große Rolle spielen. „Empathie und Verständnis für jeden einzelnen Fall sind wichtige Ratgeber für diese schweren Tage.“

In erster Linie gehe es immer darum, die beste Entscheidung für das Tier zu treffen. „Ich erwarte von allen Beteiligten – Tierarzt und Halter, dass bei aller Trauer, die bestmögliche Entscheidung für das Tier getroffen wird. Kommunikation ist hierbei das A und O: respektvoll, empathisch und sachlich.“

„Das Ziel ‚Tierwohl‘ darf niemals aus den Augen verloren werden. Weil wir alle die Verantwortung für unsere Tiere tragen.“ Das kann ich ebenfalls absolut unterschreiben.

Mancher Besitzer ist auch erleichtert

„Menschen trauern unterschiedlich und das ist sehr individuell“, weiß Dr. Vanessa Herder, die auch immer wieder in der Tierpathologie zu tun hat. Es gäbe Personen, die fast unter Tränen zusammenbrechen oder Menschen, die kaum eine Regung zeigen.

„Alle Menschen trauern, jeder zeigt es unterschiedlich und hier gibt es nichts, was es nicht gibt. Der Verlust des Haustieres ist immer schwer. Es gibt auch Fälle, bei denen der Besitzer erleichtert ist, weil sie oder er nun weiß, dass das Tier keine schweren Leiden haben wird und erlöst wurde.“

Es geht noch egoistischer – gar nicht einschläfern lassen

Doch Dr. Vanessa Herder erweitert meinen Horizont noch weiter und zeigt mir etwas auf, von dem ich bislang noch nicht gehört habe. „Immer häufiger kommt in der letzten Zeit die Diskussion auf, dass Tierhalter nicht mehr wollen, dass Tiere eingeschläfert werden.“ Doch weshalb sollte ich das Leiden meiner Tiere nicht beenden wollen, wenn ich doch die Möglichkeit habe?

„Diese Personen wollen, dass ihre Tiere von allein sterben und sie haben persönliche oder religiöse Gründe und verweigern grundsätzlich, dass der Tierarzt einschläfert. Dies trifft auch zu, wenn das Tier schwer krank ist“, sagt mir die Veterinärin.

Das Einschläfern dürfe nur auf Wunsch und mit Einverständnis des Besitzers stattfinden. Die Ausnahme stellten Fälle dar, bei denen per Gerichtsbeschluss, zum Beispiel aggressive Hunde eingeschläfert würden, weil diese eine Gefahr darstellten.

Es gibt für Tierärzte außerdem Tabellen und Entscheidungsbäume mit Kriterien, erzählt mir Dr. Vanessa Herder weiter. Diese könnten mit dem Tierhalter besprochen werden. Sollte der Tierarzt feststellen, dass das Tier leidet und ein Einschläfern in Betracht gezogen werden wird. „Dies ist hilfreich für Tierhalter, die generell das Einschläfern ablehnen. Hier ist die beratende Funktion des Tierarztes besonders wichtig.“

Wir sind es gewohnt, dass uns alles zum Thema Tod abgenommen wird

Alles, was mir Dr. Vanessa Herder gesagt hat, hat mein Verständnis für dieses komplexe Thema noch erweitert. Trotzdem kann ich nicht nachvollziehen, dass es Halter gibt, die sich lange mit dem Thema beschäftigen und sich am Ende entscheiden, das Tier nicht beim Einschläfern zu begleiten. Vielleicht trauen sie es sich nicht zu und überlassen es tatsächlich lieber anderen.

Wir sind es gewohnt, dass uns die Auseinandersetzung mit diesem Thema abgenommen wird – was Tierärzte und Tierarzthelfer auch nach bestem Gewissen tun. Sie sind allerdings auch nicht die Bezugsperson der Tiere. Auch die Trauer wird dadurch nicht leichter, dass wir den Luxus haben, dass sie uns das abnehmen. Sterbebegleitung wird dadurch nicht leichter. Doch unsere Haustiere haben es verdient, dabei nicht allein sein zu müssen.

Mehr zum Thema

Hat sich meine Meinung zum begleiteten Einschläfern lassen im Nachhinein geändert?

Dass manche Tiere mehr Stress empfinden, wenn der Halter anwesend ist und sie von neutralen Personen erlöst werden können, leuchtet mir bei manchen Tieren auch ein. Meine Kaninchen zum Beispiel sind alle zu Hause gestorben, als ich nicht anwesend war. Manchmal nur ein paar Minuten, nachdem ich das Haus verlassen hatte.

Ich bin aber nach wie vor der Meinung, dass gerade Hunde und Katzen so eng mit uns Menschen verbunden sind, dass wir sie im besten Fall auf ihrem letzten Weg begleiten sollten. Denn dass wir uns mit dem Tod des Tieres nicht auseinandersetzen wollen, dass wir das tote Tier vielleicht gar nicht mehr sehen wollen, ist gesellschaftlich entstanden. Wir müssen uns aber zwangsläufig mit dem Tod unserer Haustiere auseinandersetzen – denn wir überleben sie in der Regel alle.

Darum kann ich nur bitten: Gehen Sie mit rein, seien Sie noch ein paar Momente lang stark und auch selbstlos, wenn es an der Zeit ist, das Tier einschläfern zu lassen. Die wirkliche Trauer kommt erst danach.

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