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Vom Leiden erlösen

Wann sollte man sein Tier einschläfern lassen? Tierärzte sprechen über Erfahrungen

Für viele Halter ist das Haustier nicht nur ein Tier, sondern ein vollwertiges Familien-Mitglied. Daher fällt es vielen schwer, es gehen zu lassen.
Für viele Halter ist das Haustier nicht nur ein Tier, sondern ein vollwertiges Familien-Mitglied. Daher fällt es vielen schwer, es gehen zu lassen. Foto: Getty Images
Dennis Agyemang
Redakteur

24. Mai 2024, 17:21 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten

Für die meisten Haustierhalter ist der Vierbeiner nicht nur irgendein Tier, sondern ein vollwertiges Familien-Mitglied. Daher ist es schwer, den tierischen Freund gehen zu lassen. In jedem Fall ist der Tod für die Hinterbliebenen schmerzhaft und immer viel zu früh. Deshalb ist es besonders schwer, wenn das Thema Einschläfern im Raum steht und die Halter eine Entscheidung treffen müssen.

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In Würde sterben dürfen. Das wünschen sich die meisten Menschen nicht nur für sich selbst, sondern auch für ihre Liebsten – die Haustiere eingeschlossen. Doch wann ist der richtige Zeitpunkt dafür, um ein Tier von seinen Leiden zu befreien und es einschläfern zu lassen? Bei genau dieser Frage tun sich viele Tierhalter schwer. Zum einen ist dort immer die Hoffnung, dass es dem Tier vielleicht wieder besser gehen könnte. Zum anderen aber auch die Angst vor dem Verlust des treuen Begleiters. Dazu kommt das schlechte Gewissen, eine falsche Entscheidung getroffen zu haben.

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Nicht nur Schmerzen sind ein Grund für eine Einschläferung

Zwar verlangt das Tierschutzgesetz einen „vernünftigen Grund“, damit ein Tier überhaupt eingeschläfert werden darf. Doch die Entscheidung dafür muss dennoch gemeinsam mit einem Veterinär getroffen werden. Genau hier wird es für die Halter schwer und schmerzhaft. Wer möchte schon über Tod und Leben eines geliebten Lebewesens entscheiden müssen?

An diesen schweren Gedankengängen lassen die Tierhalter auch ihre Veterinäre teilhaben, verrät Tierärztin Dr. Vanessa Herder im Gespräch mit PETBOOK. „Mit den heutigen Möglichkeiten von Schmerztherapie kann wirklich fast jedem Tier ermöglicht werden, relativ schmerzfrei zu leben. Aber auch wenn die Schmerzfreiheit gegeben ist, kann es sein, dass die Lebensqualität so stark reduziert ist, dass eine Einschläferung angemessen ist. Dies ist sehr individuell für jedes Tier und darf von jedem Besitzer selbst eingeschätzt werden, da die Besitzer ihre Tiere am besten kennen.“

Halter sollten sich schon früh mit dem Thema Einschläferung beschäftigen

Daher sei es verständlich, dass sich viele Besitzer in so einer schwierigen Situation gerne eine zweite Meinung holen. Etwa von einem Tierarzt oder von anderen Tierhaltern ihres Vertrauens. „Oft hilft es, mit einer kompetenten Person darüber zu sprechen und offen für eine andere Meinung zu sein“, so Dr. Vanessa Herder.

Daher empfiehlt sie allen Haustierhaltern, sich schon früh mit diesem Thema auseinanderzusetzen. So könne man bestmöglich im Interesse des Tieres handeln. „Jeder Tierbesitzer kennt sein Haustier am besten und weiß, was es mag, wie es sich verhält, wenn es glücklich ist und wie wenn nicht.“

Tier Einschläfern lassen oder nicht? Diese Kriterien können bei der Entscheidung helfen

Daher empfiehlt die Tiermedizinerin Haltern in Zeiten, in denen es den Haustieren noch gut geht, eine Liste mit Kriterien anzufertigen. Diese sollten definieren, wie das Haustier glücklich ist und eine hohe Lebensqualität hat. Sollten einige dieser Kriterien im Falle von schwerwiegenden Krankheiten nicht mehr erfüllt sein, sei es wichtig, sich zu überlegen, wann der Zeitpunkt gekommen sei, über eine Einschläferung nachzudenken, so Dr. Herder weiter.

Halter sollten am besten im Vorfeld definieren, wie sie sich im Ernstfall den Abschied für ihr Tier wünschen und festlegen, anhand welcher Kriterien sie Lebensfreude bei Ihrem Tier messen. Beispielsweise, wenn sich der Hund gesundheitsbedingt nicht mehr für seinen Lieblingsball, einen Spaziergang oder gar das absolute Lieblingsleckerli begeistern lässt oder insgesamt nicht mehr fressen will. Dann könnte das durchaus ein Zeichen sein, dass der Vierbeiner nicht mehr will.

„Eine der schwersten Entscheidungen, die ein Tierarzt treffen muss“

Auch für die behandelnden Tierärzte sei dies keine leichte Entscheidung, verrät Dr. Marco Antonio Fragoso gegenüber PETBOOK. „Es ist eine der schwersten Entscheidungen, die ein Tierarzt treffen muss, weil sie immer emotional schmerzhaft ist. Wir als Tierärzte verstehen aber, dass es in manchen Fällen keine andere Möglichkeit gibt, den Patienten zu helfen.“

Die Entscheidung zur Einschläferung sollte allerdings erst dann getroffen werden, nachdem alle Möglichkeiten das Tier zu heilen, ausgeschöpft wurden. Aber auch das Ansprechen auf die Behandlung sorgfältig bewertet wurde, so der Mediziner weiter.

„Tierhalter sollten sich darüber im Klaren sein, dass es bestimmte Krankheiten und Krankheitsstadien gibt, die zu einer schlechten Lebensqualität des Tieres führen, wie beispielsweise Krebs, chronische und altersbedingte Krankheiten und sogar entzündliche oder infektiöse Erkrankungen in fortgeschrittenen Stadien.“

In diesen Fällen sollten Tiere unbedingt eingeschläfert werden, rät der Arzt

Um den Schweregrad zu beurteilen und eine Einschläferung zu empfehlen, sollten Tierärzte das Stadium jeder Art von Krankheit und die Reaktion auf die Behandlung berücksichtigen. „So wird beispielsweise die Entwicklung von Krebs in der Regel in vier oder fünf Stadien bewertet. Wobei das letzte Stadium bedeutet, dass sich der Tumor auf entfernte Organe ausgebreitet hat und die Wahrscheinlichkeit, dass er auf die Behandlung anspricht, gering ist“, so der Experte.

„In einigen anderen Fällen wie bei schweren akuten traumatischen Ereignissen, bei denen lebenswichtige Organe irreversibel betroffen sind oder starke Schmerzen auftreten, gibt es keine andere Möglichkeit, als das Tier von den Schmerzen zu erlösen“, so Dr. Fragoso weiter.

Gelegentlich kommt es zu Anzeigen von besorgten Nachbarn!

Wie schwierig es sein kann, Entscheidungen im Sinne des Tierschutzes zu treffen, zeigen Fälle, in denen die Meinung des Tierhalters deutlich von der anderer Personen abweicht. Dabei kann es auch zu Anzeigen kommen, weiß Dr. Herder. „Der Nachbar stellt fest, dass der Hund von der Familie nebenan im hohen Alter sehr leidet und zeigt sie an. Es gibt auch Fälle, in denen der Tierhalter einen Grund für eine Einschläferung sieht, der Haustierarzt hingegen nicht. Diese Streitfälle kommen immer wieder vor.“

Gerade in solchen Fällen sei es unabdingbar, sich Rat von einer unabhängigen Person mit Sachverstand einzuholen – im Sinne des Tierwohls, so die Expertin abschließend. Daher betont Dr. Herder nochmals, wie wichtig es sei, sich schon früh mit dem Thema „Einschläfern“ zu beschäftigen – auch bei jungen Tieren. „In einigen Fällen kann dieser Tag plötzlich eintreten, weil eine akute Erkrankung auftritt oder Tiere in einen Unfall verwickelt sind und dann ist es erforderlich, schnell zu entscheiden.“

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Im Falle einer Krankheit entscheidet jeder Halter, wie genau er über die Details informiert werden will.

Wenn es sich hingegen um eine langsamer fortschreitende Erkrankung handele, wie etwa einen Tumor, der von der Milchdrüse der Hündin oder Kätzin in die Lunge streut, dann sei es wichtig, den Verlauf der Krankheit zu beobachten und sich die oben besagten Kriterien in Erinnerung zu rufen.

„Im Falle einer Krankheit des Haustieres entscheidet jeder Halter, wie genau er oder sie über die Details der Krankheit informiert werden möchte, um sich ein Bild zu machen, wie der Verlauf sein kann.“ Hier sei eine enge Zusammenarbeit mit Tierarzt und anderen Tierhaltern anzustreben, um die Situation bestmöglich einzuschätzen, so die Veterinärin abschließend.

„Das Ziel und unsere Verantwortung als Tierärzte und Tierhalter ist, Schmerzen und Leiden der uns anvertrauten Tiere zu vermeiden. Dafür ist es wichtig, sich mit dem Thema zu beschäftigen, ohne es jeden Tag zu diskutieren.“       

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Quellen

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