25. November 2024, 14:44 Uhr | Lesezeit: 3 Minuten
Lange Zeit hieß es, der Mensch müsse zum „Alpha-Wolf“ werden und seinem Hund gegenüber dominant sein. Warum diese Sichtweise heute völlig überholt ist und wie man den Vierbeiner – anstatt ihn zu dominieren – lenken und leiten kann, verrät Hundetrainer Jochen Bendel in dieser Folge der PETBOOK Dog School.
Mal ganz ehrlich: Hätten Sie gern einen Chef, der Sie anschreit, herumkommandiert, Druck aufbaut und mit Entlassung droht, wenn man nicht macht, was er sagt? Oder hätten Sie lieber einen Vorgesetzten, der klar und ruhig kommuniziert, konsequent aber auch fair ist und auf Ihre Bedürfnisse eingeht? Wen würden Sie wählen? Den sogenannten „Alpha-Wolf“ oder den verständnisvollen Chef? Was unsere Hunde angeht, wäre die Antwort klar. „Aber Moment!“, werden viele jetzt denken – wir sind ja auch keine Hunde. Man soll die Tiere doch nicht vermenschlichen.
Das ist richtig. Doch heute wissen wir viel mehr über das Hundeverhalten als noch vor 50 Jahren. Aus dieser Zeit stammt nämlich die Theorie, man müsse den Hund dominieren und zum „Alpha-Wolf“ werden. Sonst bestehe Gefahr, dass der Hund selbst die Führung übernehme. Mit diesem Vorurteil räumt Hundetrainer Jochen Bendel ein für alle Mal auf.
Woher kommt der Begriff „Alpha-Wolf“?
Die Theorie vom „Alpha-Wolf“ stammt aus den 1970er-Jahren. Damals erschien das Buch „Der Wolf – Ökologie und Verhalten einer bedrohten Art“ von David Mech. Es beschrieb das Verhalten im Rudel, das hierarchisch strukturiert sei. Allerdings basierten die Studien allesamt auf Beobachtungen von Wölfen in Gefangenschaft, was für die Tiere eine extreme Situation ist und ihre natürlichen Verhaltensweisen stark beeinflusst.
Diese Rudel waren oft künstlich zusammengesetzt, was zu Dominanzhierarchien führte. Die Verhaltensforscher folgerten daraus, dass es einen Alpha-Rüden und eine Alpha-Wölfin gebe, die den Ton angaben. Heutige Forschungen zeigen, dass Wolfsrudel in freier Wildbahn Familienverbände sind. Ein Rudel besteht aus Eltern und ihren Nachkommen. Dabei übernehmen die Elterntiere die Führungsrolle. Der Begriff „Alpha“ wird daher für freilebende Wölfe nicht mehr verwendet, da Machtkämpfe um die Führung in solchen Rudeln selten sind.1
Trotzdem hält sich vieles von dem, was damals aus Wolfsbeobachtungen für das Verhalten und die Sozialstruktur von Hunden übernommen wurde, bis heute in einigen Trainingsmethoden. Nicht selten wird Menschen beigebracht, ihren Hund durch körperliche Maßregelung zu dominieren und so die Position als „Rudelchef“ klarzumachen.
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Dominanz vs. Lenken und Leiten
Auch heute gibt es daher noch Hundehalter, die ihrem Vierbeiner statt mit Verständnis mit Härte gegenübertreten – ohne zu wissen, welche Bedürfnisse gerade hinter dem Verhalten stecken und warum es so wichtig ist, diese zu erfüllen oder umzulenken.
Wer für seinen Hund tatsächlich ein guter Rudelchef sein will, muss als Erstes dessen Bedürfnisse erkennen, sagt Jochen Bendel. Statt also den Hund harsch zu ermahnen oder gar körperlich anzugehen, wenn dieser in die Leine springt oder Artgenossen anbellt, sollte man sich fragen: „Warum zeigt mein Hund dieses Verhalten gerade? Welche Bedürfnisse liegen dahinter? Hat er Angst? Ist er unsicher? Möchte er jagen oder möchte er bewachen?“
„Viele sehen in schwierigen Situationen nur das Problem: der Hund bellt, attackiert, jault“, sagt Bendel. Es ginge aber vielmehr darum, in solchen Situationen die Chance zu sehen, die Beziehung zueinander zu stärken. Wie das funktioniert, zeigt Hundetrainer Jochen Bendel beim gemeinsamen Hundespaziergang, dem sogenannten „Social Walk“ im Video.