Direkt zum Inhalt wechseln
logo Das Magazin für alle Tierbesitzer und -liebhaber
PETBOOK Interview

25 Jahre Welttierschutzgesellschaft – so hat sich die Arbeit der Tierschützer verändert

Eine kleine Kuh wird von Indern auf der Straße gestreichelt
Die Welttierschutzgesellschaft organisiert und koordiniert seit mittlerweile 25 Jahren Tierschutzprojekte auf der ganzen Welt Foto: Welttierschutzgesellschaft e.V.
Louisa Stoeffler
Redakteurin

18. Dezember 2023, 18:07 Uhr | Lesezeit: 9 Minuten

Tierschutz ist in Deutschland mittlerweile Staatsziel geworden und das Bewusstsein für eine gute und verantwortungsvolle Behandlung der Lebewesen, mit denen wir uns die Erde teilen, steigt. Allerdings sind diesbezüglich nicht alle Länder der Welt auf demselben Stand. Seit 25 Jahren setzt sich die Welttierschutzgesellschaft dafür ein, dass das nicht so bleibt.

Artikel teilen

Seit mittlerweile 25 Jahren setzt sich die in Deutschland ansässige Welttierschutzgesellschaft für Projekte auf der ganzen Welt ein. PETBOOK sprach mit Pressesprecher Christoph May über die vergangenen Herausforderungen für den Verein, welche Projekte besonders im Gedächtnis geblieben sind und wie sich die Arbeit der Tierschützer über die Zeit verändert hat.

PETBOOK: Die Welttierschutzgesellschaft gibt es jetzt schon 25 Jahre. Wie kam es überhaupt zur Gründung?
Christoph May: „Als der Verein im Oktober 1998 als ‚WSPA Deutschland Welttierschutzgesellschaft‘ offiziell eingetragen wurde, widmete sich ein kleines Team von Bonn aus allen internationalen Tierschutzfragen rund um das Netzwerk der britischen Tierschutzorganisation WSPA (World Society for the Protection of Animals).

Der erste große Umbruch war dann der Umzug von Bonn nach Berlin im Jahr 2009. Von hier aus führen wir bis heute die Geschäfte des Vereins. Da es im Austausch mit dem Netzwerk unterschiedliche Ansichten zur Transparenz der Einnahmen und Ausgaben von Spendengeldern gab, trennten sich daraufhin die Wege. Der deutsche Verein wurde Ende 2012 in „Welttierschutzgesellschaft e.V.“ umbenannt.“

Neue Herausforderungen nach 25 Jahren: Milchkuhhaltung und Social Media

Hat sich seitdem viel verändert?
„Einige Projektpartnerschaften konnten weitergeführt werden, viele neue kamen seither hinzu. Dieser Schritt war eine große Herausforderung, aber enorm wichtig für die Welttierschutzgesellschaft. Wir können seitdem die Finanzen des Vereins gegenüber unseren Spenderinnen und Spendern nachvollziehbarer und transparenter als zuvor darstellen. Der Weg in diese Eigenständigkeit brachte auch den Aufbau neuer Strukturen mit sich. Das Projektmanagement leisten wir seit 2013 mit einem eigenen Team.

Dies konnte seitdem zahlreiche neue Projektpartner für die internationale Tierschutzarbeit gewinnen. Dadurch ist die WTG als Ganzes näher an die Projekte und Menschen vor Ort gerückt. Nicht zuletzt hatte die Neuaufstellung zur Folge, dass wir fortan eigene politische und öffentlichkeitswirksame Tierschutzkampagnen in Deutschland voranbringen konnten. Diese fokussierten sich auf spezifische Problembereiche hierzulande. Zum Beispiel die Defizite in der Milchkuhhaltung oder aktuell das Tierleid in den sozialen Netzwerken. Allein im letzten Jahrzehnt sicherte die Welttierschutzgesellschaft international rund 140 Einsätze.“

Restaurantbären und Tierschutzarbeit im Bürgerkriegsgebiet

Was war einer der schönsten Erfolge, den Sie in all den Jahren der Tierschutzarbeit verzeichnen konnten?
„Ein besonderes Highlight aus unserer langjährigen Projektarbeit ist der drastische Rückgang der Privathaltung von Bären in Rumänien. Seit 2005 begleiten wir den Aufbau und die Weiterentwicklung eines Bärenschutzzentrums in Zărnești in der Nähe der Großstadt Brașov. Dutzende Tiere konnten seitdem aus tierschutzwidrigen Haltungen aufgenommen werden.

Die damals noch gängige Praxis, dass Bären in Rumänien beispielsweise als Attraktionen für Restaurants ein tristes Dasein fristen mussten, konnte – auch im Zuge der einhergehenden Bildungsarbeit als Teil unseres Projektes – so nahezu beendet werden. Ohne die Gründung des Bärenschutzzentrums wäre dieser große Tierschutzerfolg vermutlich nicht denkbar gewesen.

Die erste gerettete rumänische Bärin nach ihrer erfolgreichen Auswilderung
Die erste gerettete rumänische Bärin nach ihrer erfolgreichen Auswilderung Foto: Welttierschutzgesellschaft e.V.

Trotz Naturkatastrophen oder Kriegsausbrüchen bleiben Tierschützer weiter im Einsatz

Welches Projekt hat Sie besonders bewegt?
„Besonders emotional ist für uns der Einsatz in Syrien, wo wir bereits seit 2017 aktiv sind. Die Arbeit für uns begann dort, als die tiermedizinische Versorgung aufgrund des Bürgerkriegs im Land noch gänzlich zusammengebrochen war. Indem wir beim Aufbau einer tiermedizinischen Grundversorgung und inzwischen auch der Errichtung einer kleinen Tierklinik in Idlib halfen, können wir jetzt Hoffnung schaffen für die unzähligen Katzen, Hunde, Esel, Pferde, Schafe und weitere Nutz-, Wild- und Zootiere. Dabei bewegte uns immer wieder auch das Schicksal des kleinen Teams vor Ort.

Dessen Mut und Kraft wurde in den vergangenen Jahren immer wieder auf harte Proben gestellt. Sei es durch das fortwährende Kriegsgeschehen, Naturkatastrophen wie das Erdbeben im vergangenen Frühjahr oder schwere Krankheitsausbrüche bei Katzen oder Hunden. Es ist extrem berührend, wie all diese Widrigkeiten die Tierschützer und -schützerinnen vor Ort nicht von ihrer Mission abbringen konnten, den Tieren in der Region zur Seite zu stehen.“

Tierschutz ist durch die Klimakrise auch Katastrophenschutz geworden

Welches Projekt hat Sie vor die größten Herausforderungen gestellt?
„Unser Projekt im ostindischen Bundesstaat Odisha, mit dem wir die tiermedizinische Versorgung der unzähligen Nutztiere in der Region verbessern, ist immer wieder besonderen Herausforderungen durch Naturkatastrophen ausgesetzt. Der Bundesstaat gilt als Hotspot der Klimakrise in Indien. Das hat sich in den vergangenen Jahren wiederholt auf dramatische Weise gezeigt. Denn extreme Wetterereignisse sind in Odisha inzwischen eine ständig wiederkehrende Realität.

In diesem Jahr führte eine enorme Hitzewelle dazu, dass unsere Partnerorganisation zusätzlich zu ihrer regulären Tierschutzarbeit auch mit unserer Hilfe zu einer Nothilfe ausrücken musste, um die hitzegeplagten Tiere mit Wasser, Nährstoffen und stärkendem Futter zu versorgen. In den Jahren zuvor hatten bereits schwere Wirbelstürme und verheerende Fluten die Region heimgesucht und weitere Hilfen nötig gemacht.“

»Bedeutung des Tierschutzes wurde immer wieder zu wenig berücksichtigt

Was wünschen Sie sich von der Politik und den einzelnen Staaten, in denen Sie aktiv sind, für die Zukunft?
„Wir haben in den vergangenen Jahren auf internationaler Ebene immer wieder beobachten müssen, dass die Bedeutung des Tierschutzes – insbesondere angesichts vieler weiterer globaler Krisen – zu wenig berücksichtigt wird. Am deutlichsten hat sich das bei den UN-Nachhaltigkeitszielen manifestiert, die Tierschutzfragen fast gänzlich unbeachtet gelassen haben.

Mit unserer Kampagne ‚Tiere Mitdenken‘ wollen wir dafür sorgen, dass nachhaltige Entwicklung und Tierschutz zusammen gedacht werden. Vor allem auch von Entscheidungsträgern in der Entwicklungszusammenarbeit. Wir setzen uns politisch dafür ein, dass dieser Zusammenhang immer stärker wahrgenommen wird.“

Gab es diesbezüglich auch schon Erfolge?
„Für uns war es ein wichtiges Zeichen, als die Entwicklungsministerin Schulze in ihrem Kommentar zum UN-Klimagipfel kürzlich ein Beispiel mit Bezug zum Tierschutz wählte, um die positive Wirkung des neuen Klimafolgenfonds zu illustrieren. Unsere Bemühungen scheinen hier also langsam zu fruchten.

Doch so lange sich das nicht im Handeln widerspiegelt, gibt es viel zu tun: Es müssen entsprechende Mittel für den Tierschutz im Globalen Süden bereitgestellt werden, denn für eine nachhaltige Entwicklung muss auch das Tierwohl gestärkt werden.“

»Inmitten von Sorgen und Nöten rückt der Tierschutz leicht in den Hintergrund

Was empfinden Sie als die größte Herausforderung in der Tierschutzarbeit, besonders im Ausland?
„Als Organisation, die vor allem in Regionen in der Welt aktiv ist, die besonders von Armut und Hunger geplagt sind, müssen wir uns immer der Lebensumstände vor Ort bewusst sein. Inmitten solcher Sorgen und Nöte kann der Tierschutz leicht in den Hintergrund rücken. Wenn es nicht Menschen vor Ort wie unsere Projektpartner gäbe, die die Bedeutung des Themas immer wieder vermitteln, um für Empathie für die Tiere werben.

Natürlich müssen sie dabei oft auch den Menschen die Vorteile für sich selbst aufzeigen, wenn sie sich etwa stärker um das Wohl ihrer Nutztiere bemühen. Diese Arbeit erfordert viel Ausdauer und Hartnäckigkeit. Aber aus der Erfahrung wissen wir, dass sich dieser oft jahrelange Einsatz lohnt und ein echter Bewusstseinswandel trotz der schwierigen Lebensumstände einsetzen kann.“

Auch interessant: So bergen Tierschützer Hunde und Katzen aus den Trümmern in Syrien

In Regionen ohne Internet und Lesefähigkeit wird Tierschutz bildhaft erklärt

Wie sensibilisieren Sie die lokale Bevölkerung und schaffen ein Bewusstsein für Tierschutz?
„Ein Grundsatz unserer Arbeit als Welttierschutzgesellschaft ist es, dass jedes unserer Tierschutzprojekte auch Bildungsarbeit beinhaltet. Dabei ist es wichtig, die Tierschutzsituation vor Ort genau zu analysieren und zu ermitteln, wo die Probleme liegen und wie diesen mit Bildungsarbeit begegnet werden kann.

Wir arbeiten daher immer mit lokalen Partnerorganisationen zusammen. Sie kennen die Gegebenheiten vor Ort genau und wissen daher am besten, wo auch die Bildungsarbeit ansetzen muss. Der konkrete Bildungszugang kann dabei sehr unterschiedlich ausfallen.“

Können Sie Beispiele nennen?
„In Vietnam arbeiten wir viel mit Schulklassen zusammen, um eine neue Generation von Tierschützern und Tierschützerinnen zu fördern, die einen anderen, besseren Umgang mit Wildtieren pflegt als die vorherigen. In Kambodscha hingegen sprechen wir gezielt Mönche an, die aus religiösen Gründen oftmals Tiere als Geschenke erhalten, aber über kaum Wissen in Bezug zum Tierschutz verfügen. Oft vermitteln wir auch Tierhaltern und -halterinnen selbst, wie wertvoll die Gesundheit ihrer Tiere ist und wie sie selbst dazu beitragen können.

Da wir in dörflichen Regionen einiger Länder immer wieder auch Gruppen erreichen, die keinen Internetzugang haben oder gar nicht lesen können, gestalten wir die Bildungsmaterialien oft recht einfach und bildhaft, damit sie die entsprechende Wirkung auch erzielen können. Es ist also immer ein spezieller, auf die Umstände vor Ort zugeschnittener Bildungsansatz, den wir in unseren Projekten zur Sensibilisierung der Menschen verfolgen.“

Welttierschutzgesellschaft vor Ort in Indien
Mit Programmen auf Augenhöhe, die die Bevölkerung direkt erreicht, versucht die Welttierschutzgesellschaft seit nunmehr 25 Jahren, das Leben von Tieren weltweit zu verbessern Foto: Welttierschutzgesellschaft e.V.
Mehr zum Thema

Tierschutz nun im Lehrplan von Gambias Hochschulen

Konnten Sie eine neue Generation von Tierschützern heranwachsen sehen, oder leisten Sie immer noch Basisarbeit?
„Das ist pauschal schwer zu beantworten, da wir mit unserer Bildungsarbeit ja immer wieder auch neue Menschen erreichen wollen und daher nie ganz auf Basisarbeit verzichten können. Es gibt aber bereits Beispiele, wie die Bildungsarbeit tiefe Wurzeln geschlagen hat. Eines davon lässt sich im westafrikanischen Gambia beobachten, wo wir mit ‚VETS UNITED‘ (deutscher Titel: TIERÄRZTE WELTWEIT), einem gemeinsamen Programm mit der Welttierschutzstiftung, schon seit 2015 aktiv sind, um den Tierschutz fest in den Lehrplänen an zwei veterinärmedizinischen Hochschulen zu etablieren.

Aus den Absolventen und Absolventinnen der dortigen Tierschutzkurse hat sich eine Gruppe von Studierenden gegründet. Sie nennen sich die Gambia Animal Welfare Advocates, die aus eigener Initiative den Tierschutz in Gambia fördern. Zum Beispiel, indem sie regelmäßig durch das ganze Land reisen, um den Menschen in den Dörfern den Tierschutz nahezubringen. Mit dem Wissen aus den Tierwohlkursen versorgen sie dort Tiere. An diesem Beispiel lässt sich gut erkennen, was entstehen kann, wenn eine erste Grundlage für den Tierschutz gelegt ist.“

Was kann jeder Einzelne tun, damit Tierschutz mehr im breiteren Bewusstsein der Öffentlichkeit ankommt?
„Jede und jeder Einzelne von uns kann dazu beitragen, Tierschutzproblematiken stärker ins allgemeine Bewusstsein zu bringen. Das kann damit beginnen, sich über die aktuellen Themen, die Tierschutzorganisationen wie die Welttierschutzgesellschaft behandeln, zu informieren und diese im Freundeskreis zu teilen und zur Sprache zu bringen.

Auf diesem Wege kann das Bewusstsein der Gesellschaft für Missstände wachsen. Sowie die Tatsache, dass Millionen Tiere weltweit auf Hilfe angewiesen sind. Zudem hilft natürlich in diesem Sinne auch jede Spende sehr. Insbesondere Fördermitgliedschaften, also treue monatliche Unterstützer und Unterstützerinnen, schaffen die Basis für unsere weltweiten Tierschutzprojekte.“

Deine Datensicherheit bei der Nutzung der Teilen-Funktion
Um diesen Artikel oder andere Inhalte über Soziale- Netzwerke zu teilen, brauchen wir deine Zustimmung für diesen .
Sie haben erfolgreich Ihre Einwilligung in die Nutzung dieser Webseite mit Tracking und Cookies widerrufen. Sie können sich jetzt erneut zwischen dem Pur-Abo und der Nutzung mit personalisierter Werbung, Cookies und Tracking entscheiden.