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PETBOOK-Interview

Ex-Boxer Ralf Seeger tätowiert für Tierschutz: »Ich ziehe das so lange durch, bis ich umfalle

Ralf Seeger mit Steve Staub, der seit fast zehn Jahren im Tierschutz arbeitet, vor dem Stand des Vereins Helden für Tiere auf der Tattoo-Convention Berlin 2023
Ralf Seeger mit Steve Staub, der seit fast zehn Jahren im Tierschutz arbeitet, vor dem Stand des Vereins Helden für Tiere auf der Tattoo-Convention Berlin 2023 Foto: PETBOOK/Saskia Schneider
Porträt Saskia Schneider auf dem PETBOOK Relaunch
Redaktionsleiterin

23. September 2023, 9:39 Uhr | Lesezeit: 10 Minuten

Den ehemaligen Profiboxer und Tierschützer Ralf Seeger kennen viele aus der Fernsehsendung „Harte Hunde“ auf VOX. Dort setzt er sich seit Jahren für verschiedene Tierschutz-Projekt in Not ein. PETBOOK traf Ralf Seeger auf der Tattoo-Convention in Berlin, auf der sein Team für den Tierschutz tätowierte. Was hinter der Aktion steckt und wie es aus seiner Sicht um den Tierschutz in Deutschland steht, verrät er im Interview.

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Tierschutz und Tattoos – das sind zwei Themen, die auf den ersten Blick erst einmal nicht viel miteinander gemeinsam haben. Doch es gibt einen Mann, der beides miteinander verbindet: Ralf Seeger. Vielen ist der durch die Fernsehserie „Harte Hunde – Ralf Seeger greift ein“ auf VOX bekannt. Der ehemalige Profi-Boxer liebt Tätowierungen – für ihn eine Art, seine „Seele nach außen zu kehren und auf der Haut zu tragen.“ Noch mehr aber liebt er Tiere und gründete vor Jahren den Verein „Helden für Tiere“.

PETBOOK traf Ralf Seeger auf der Tattoo-Convention in Berlin. Dort bietet seine „Harte Hunde Tattoo Crew“ jedes Jahr eine ganz besondere Aktion an: „Tätowieren für den Tierschutz“. Wie die Idee dafür entstand und welchen Herausforderungen sich die „Harten Hunde“ tagtäglich im Tierschutz stellen, verrät Ralf Seeger im Interview.

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Das Geld für die Tattoos geht komplett in den Tierschutz

PETBOOK: Ralf, man kennt dich vor allem vom Fernsehformat „Harte Hunde“, wo du dich regelmäßig für den Tierschutz einsetzt. Wie kam es zu der Tattoo-Aktion auf der Convention?
Ralf Seeger: „Ich habe vor vielen Jahren eine große Tierschutzorganisation aufgebaut. Früher war ich Berufsboxer und Ringer, habe aber auch in dieser Zeit schon immer viel für den Tierschutz gemacht. Damals hatte ich mir vorgenommen, wenn ich einmal damit fertig bin – also meine aktive Laufbahn beende –, dann baue ich alles professionell auf für die Tiere.

Tattoos sind schon immer meine Leidenschaft gewesen. Ich bin auch schon immer auf Conventions gefahren und wurde eingeladen, um dort auch Vorträge zu halten. Spendenaktionen hatte ich bisher aber nur hier und da mal auf einer Boxgala oder mit einem Rockkonzert gemacht. So etwas ist aber unglaublich aufwendig. Da kam die Idee von Freunden, das auf der Tattoo-Convention zu machen.“

Worum genau geht es bei der Aktion?
„Meine Freunde, die mich auf der Convention hier großartig unterstützen, tätowieren Menschen. Dieses Geld wird komplett in unsere Tierschutzprojekte investiert. Wir haben so viele Projekte, die wir entweder unterstützen oder selbst auch machen. Dafür sind die Kosten in letzter Zeit aber extrem explodiert.

Schon für Dinge wie eine kleine Operation muss man fast 1000 Euro bezahlen. Wie sollen normale Menschen, die vielleicht 1500 oder 2000 Euro netto im Monat verdienen, das machen? Dadurch, dass die Menschen selbst kaum mehr was zu knabbern haben, gibt es auch kaum mehr Spendenbereitschaft. Das verstehe ich natürlich. Deshalb sind solche Aktionen wie auf der Tattoo-Convention so wichtig.“

»Ich habe mittlerweile so viel Leid und Elend erlebt

Tätowierst du auch selbst noch?
„Ich habe ganz früher mal tätowiert, so für zwei, drei Jahre. Da hatte ich noch mehr Zeit und konnte mich neben dem Boxen immer mal ein paar Tage rausziehen, um dann etwas anderes zu machen. Mit meiner Arbeit im Tierschutz geht das nicht mehr. Außerdem habe ich mittlerweile so viel Leid und Elend erlebt, dass es mir schwerfällt, mich für eine längere Zeit hinzusetzen, mich zu konzentrieren und etwas Schönes zu machen. Dazu muss man auch kognitiv gut dabei sein. Aber ich habe eine sehr gute Crew. Das sind alles Spezialisten in ihrem Fach.“

Für welche Tiere und Projekte setzt ihr euch momentan ein?
„Bei uns geht es nicht nur primär um Tierrettung. Wir bauen zum Beispiel neue Auffangstationen, Lebenshilfen oder Wildtierauffangstationen. Seit dem Krieg in der Ukraine kümmern wir uns jetzt auch noch um den Bau eines riesigen Tierheims in im Westen des Landes. Mein Team und ich haben schon über 20 Fahrten dorthin gemacht.

Die größten Tiere, die wir betreuen, sind Wildschweine. Ansonsten viele Hunde, Gänse, Katzen, aber auch Wildtiere, die wir retten oder, die zu uns gebracht werden und die wir wieder aufpäppeln. Durch den Ukrainekrieg kümmern wir uns auch aktuell um fünf Hunde, die extrem schwer verletzt waren. Die hatten etwa Schussverletzung im Rücken und konnten sich nicht bewegen oder sind querschnittsgelähmt.“

Am Stand des Vereins Helden für Tiere von Ralf Seeger auf der Tattoo-Convention in Berlin 2023 gehen alle Einnahmen für Tattoos komplett in die Tierschutzprojekte
Am Stand des Vereins Helden für Tiere von Ralf Seeger auf der Tattoo-Convention in Berlin 2023 gehen alle Einnahmen für Tattoos komplett in die Tierschutzprojekte Foto: PETBOOK/Saskia Schneider

„Mich erreichen täglich Hunderte E-Mails mit furchtbaren Dingen“

Wenn man sich nicht tätowieren lassen möchte, wie kann man euch sonst unterstützen?
„Es gibt viele Möglichkeiten. Man kann an unser Projekt ‚Helden für Tiere‘ spenden oder bei den Projekten, die ich mache, mitarbeiten, wenn man sich dazu berufen fühlt. Man muss aber das Herz am richtigen Fleck und auch Power haben, das ist für mich wichtig. Das heißt, man muss hart arbeiten wollen und können.“

Momentan brennt es gefühlt an allen Enden. Die Tierheime sind überfüllt, Leute setzen Tiere vermehrt aus und es gibt immer mehr Problemhunde. Wie empfindest du die aktuelle Situation im Tierschutz?
„Es ist viel. Dadurch, dass die Tierarztkosten immens gestiegen sind und die Menschen durch Krieg und Inflation vieles nicht mehr bezahlen können, erhalte ich immer mehr Hilferufe. Ich versuche natürlich, wo ich kann, zu helfen. Aber mich erreichen mittlerweile täglich Hunderte E-Mails mit furchtbaren Dingen und ich suche jeden Tag nach Lösungen.

So gibt es immer wieder Momente, die sehr destruktiv sind. So sehr, dass mir die Tränen kommen. Dann gehe ich allein in den Wald und schreie vor Schmerz, damit das alles rauskommt. Damit ich nicht wahnsinnig werde. Aber es gibt auch schöne Momente. Wenn ich sehe, wie ein Hund, dem man in den Rücken geschossen hat, sich nach einer Operation langsam wieder hochdrückt und stehen kann. Das sind für mich Dinge, bei denen ich denke: Ich mache alles genau richtig.“

„Die Verbundenheit zu Tieren war schon immer tief immer in meiner Seele verankert“

Woher kommt diese Tierliebe bei dir?
„Ein wichtiger Auslöser war, denke ich, mein Vater. Der war Jäger und hatte zwei Jagdhunde. Einmal hat er mich mit acht Jahren mitgenommen zu einer Treibjagd. Das war grausig. Da schoss ein Jäger auf einen Hasen, der nur ein paar Meter weg von ihm stand. Von dem Tier blieb nicht mehr viel übrig. Da habe ich gedacht: ‚Was ist das für eine Scheiße hier? Die Tiere werden einfach brutal abgeschossen und wofür?‘ Diese Bilder werde ich nie vergessen.

Mit der Zeit sind die Liebe und die Verbundenheit zu Tieren gewachsen. Ich glaube aber, dass das schon immer tief in meiner Seele verankert gewesen war. Und je größer ich wurde, umso intensiver habe ich das gespürt und das auch gelebt. Ich war von meiner Seele her immer sehr spirituell und stark. Und ich wusste immer, was ich wollte.“

„Ich versuche mit meinen Projekten, Tieren eine Stimme zu geben“

Was ist für dich das Wichtigste beim Tierschutz?
„Man sollte sich selbst die Frage stellen: ‚Wofür lebe ich? Was mache ich mit meiner Zeit?‘ Vergeude ich die Zeit und mache nichts damit? Oder versuche ich einfach ohne Hintergedanken und ohne irgendwie daraus einen Nutzen zu ziehen, selbstlos mein Ding zu machen, weil ich es hier in meinem Herzen fühle? Das ist meines Erachtens der richtige Weg.

Ich bin schon immer ein Kämpfer für Tiere gewesen, denn diese haben keine Lobby. Sie können sich zwar artikulieren, aber wir Menschen sind zu blöd, um sie zu verstehen. Ich versuche mit meinen Projekten, Tieren eine Stimme zu geben und gegen die Ungerechtigkeiten zu kämpfen, die wir ihnen antun. Wir haben eine Verantwortung gegenüber diesen wundervollen Wesen und wir müssen uns dafür gerade machen.“

„Wir sind einfach schon lange am Limit angekommen“

Was ist momentan die größte Herausforderung?
„Wir sind einfach schon lange am Limit angekommen. Ich kann da keinen mehr draufsetzen. Ich komme am Abend nach zehn, zwölf Stunden harter Arbeit nach Hause, muss dann noch die Tiere füttern und ausmisten, ein paar Dinge regeln und bekomme nebenbei noch hunderte Anrufe.

Das ist ein ewiger Zyklus, den man schlecht beeinflussen kann. Ich kann nicht einfach sagen, jetzt höre ich mal auf damit. Das ist eben eine Berufung, die ich da lebe. Aber es passiert immer mehr Elend, immer mehr Leid, gegen das ich mich jeden Tag stemme. Und ich bin froh um jeden Menschen, der mit mir diesen guten Kampf kämpft.“

Du sagst, es passiert immer mehr Elend. Woran liegt das deiner Meinung nach?
„Ich finde, dass die Gesellschaft recht oberflächlich geworden und das Ego omnipotent gewachsen ist. Jeder Mensch kann sich, wenn er möchte, heute fleischfrei ernähren. Denn man muss sich ständig bewusst machen, wie viele Tiere, in diesem Moment, wo wir hier sitzen uns reden, grauenvoll getötet und abgeschlachtet werden. Ich kämpfe gefühlt schon ewig dafür, dass Tiere einen ganz anderen Stellenwert bekommen, auch vom Gesetz her.

Meiner Meinung nach muss sich aber auch der Mensch verändern. Da liegt das ganze Problem. Ich glaube, wenn wir wollten, könnten wir ganz viel verändern, um dieses globale Elend, was damit zusammenhängt, zu bekämpfen. Wir haben eine Verantwortung gegenüber diesem Globus und gegenüber den Tieren, den Menschen, der Natur. Wir haben hier keine Rakete, die man mal eben starten kann. Deswegen müssen wir eben schauen, diesen wunderbaren Planeten, den wir haben, in Ordnung zu halten.“

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„Ich ziehe das so lange durch, bis ich umfalle.“

Siehst du auch Hoffnung für den Tierschutz und das Zusammenleben für Mensch und Tier?
„Ja, wenn ich zum Beispiel junge Mädels im Alter von elf oder zwölf Jahren sehe, die so tough sind und in dem Alter vegetarisch oder sogar vegan leben. Ich glaube, das sind die richtigen Ansätze. Mittlerweile gibt es ja schon ein tolles Angebot, was diese Ernährungsweise angeht, und es wird immer mehr. Das gibt mir Hoffnung und ich denke, vielleicht werde ich doch noch eine richtig starke Veränderung erleben können.“

Du sagst, ihr seid am Limit. Was gibt dir die Kraft weiterzukämpfen?
„Ich bin immer ein Einzelkämpfer gewesen. Ein Mann bin mit Rückgrat und Eiern, wie ich immer sage. Als Boxer weiß ich, dass die Stärke nicht darin liegt, andere runter zu kloppen, sondern eine gute Deckung zu haben, auch mal Dinge einzukassieren und selbst wenn man am Boden liegt, wieder aufzustehen. Das ist wichtig. Aufzuhören oder zu schwächeln ist keine Option. Ich ziehe das so lange durch, bis ich umfalle.

Mittlerweile bin ich an einem Punkt angekommen, an dem ich nur noch funktioniere. Aber ich habe mich damit arrangiert. Das ist mein Leben, meine Berufung. In die Knie gehen geht nicht, weil einfach so viel davon abhängt. Ich habe einen großen Namen und engagiere mich viel. Daher bin ich für viele Menschen auch ein Vorbild.“

Was würdest Du jungen Tierschützern mit auf den Weg geben?
„Nie den Glauben und die Hoffnung zu verlieren, auch wenn es düster aussieht. Man sollte immer versuchen, wenn man etwas sieht, was man verändern will, dafür zu kämpfen. Auch wenn man denkt, da passiert nichts. Es passiert immer etwas. Manchmal dauert es nur etwas länger und man braucht Geduld – gerade im Tierschutz.“

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