
28. April 2025, 15:52 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Ein drastischer Schritt in Australien sorgt für weltweite Empörung: In einem abgelegenen Nationalpark in Victoria wurden in den vergangenen Wochen über 700 Koalas aus Hubschraubern heraus erschossen. Warum kam es zu dieser Maßnahme – und hätte sie verhindert werden können?
Nach einem verheerenden Brand im Budj-Bim-Nationalpark griff die regionale Regierung Victorias erstmals zum letzten Mittel, um das Leiden von Koalas zu beenden. Nach einem verheerenden Feuer sind mittlerweile mehr als 700 Koalas abgeschossen worden. Doch war diese Maßnahme wirklich alternativlos? Während die Regierung von einer notwendigen, „mitfühlenden“ Entscheidung zum Schutz der Tiere spricht, wirft das Vorgehen ernste Fragen zu Tierschutz und Krisenmanagement auf.
Erste bekannte Luftabschüsse von Koalas
An Karfreitag 2025 berichteten zunächst mehrere englischsprachige Medien darüber, dass Scharfschützen aus Hubschraubern im Budj-Bim-Nationalpark mehr als 700 Koalas getötet haben. Es ist vermutlich das erste Mal, dass diese Tiere auf diese Weise getötet wurden. Laut Berichten unter anderem von „Sky News Australia“ wurden örtliche Wildtierschützer über die Aktion informiert.
Ein Brand hatte demnach bereits Mitte März rund 20 Prozent des Parks zerstört. Die Regierung erklärte, das Einschreiten sei dringend gewesen, da viele Koalas entweder schwer verletzt oder vom Hungertod bedroht gewesen seien.
Wildtierschutzorganisationen äußerten erhebliche Bedenken hinsichtlich der Methode: Die Einschätzung der einzelnen Tiere erfolgte aus der Entfernung. „Es ist unklar, wie das Schießen aus Hubschraubern mit den eigenen Tierschutz- und Katastrophenplänen des Staates vereinbar ist“, so die Kritik, wie das Wissenschaftsjournalismusportal „The Conversation“ schreibt.
Tierschutz und Luftabschüsse – Australiens zwiespältiges Verhältnis zur Natur
Dass in Australien Tiere aus der Luft abgeschossen werden, ist nicht neu. 2024 sorgte der Kontinent „down under“ bereits für weltweite Empörung durch den Entschluss, bis zu 16.000 verwilderten Pferde, auch „Brumbies“ genannt, ebenfalls aus Helikoptern heraus zu erschießen (PETBOOK berichtete). Auch Kamele wurden dort bereits zur Plage erklärt und geschossen und Katzen mit speziellen Giftautomaten daran gehindert, heimische Wildtiere zu jagen.
Bei diesen Tieren handelt es sich jedoch um Zuwanderer, die in der Fauna Australiens eigentlich nicht heimisch sind. Warum beginnt man nun aber mit dem Abschuss von Beuteltieren? Denn eigentlich hatte sich die australische Regierung 2022 verpflichtet, ihre Schlüsselarten mit dem Programm „Saving Native Species“ zu schützen. Für die Rettung von Australiens Tieren bräuchte es Milliarden – pro Jahr. Vor diesem Hintergrund macht die Entscheidung der Lokalregierung viele Tierschützer sprachlos.
Abgeschossene Koalas seien „in großer Bedrängnis“ gewesen
Zum ersten Mal in der Geschichte Victorias wurden nun also Wildtiere aus der Luft getötet und das nicht, um invasive Arten zu bekämpfen. Die Regierung steht unter Druck, zu erklären, warum die Tötungen aus der Luft durchgeführt und warum sie nicht im Vorfeld öffentlich angekündigt wurden.
Die Premierministerin des Bundesstaates Victoria, Jacinta Allan, hat die Tötung verteidigt und erklärt, die betroffenen Koalas seien „in großer Bedrängnis“ gewesen. Allan sagte weiter, die Entscheidung, die Koalas zu erschießen, sei nach „umfangreichen Bewertungen“ getroffen worden.
Fehlschüsse und verwaiste Koala-Babys
Allerdings widerspricht Jess Robertson, Präsidentin der Koala Alliance bei „Sky News“: „Aus einem Hubschrauber kann man nicht erkennen, ob ein Koala in einem schlechten Zustand ist.“
Die Abgeordnete der Animal Justice Party, Georgie Purcell, äußerte sich auf ihrem Instagram-Kanal zu dem Vorfall. Ihr sei bewusst, dass bei Koalas, die lebensbedrohliche Verbrennungen haben, sowie keinen Zugang zu Futter und Wasser haben, manchmal Euthanasie die einzige Option sei.
Allerdings äußerte sich Purcell auch besorgt über die Methode: „Programme für Luftabschüsse sind notorisch unzuverlässig“. Denn ein wahrscheinlicher Fehlschuss kann zu weiteren Schäden für das Tier führen. Auch die sogenannten „Pouch Checks“ – also die Kontrolle, ob ein Koala ein Joey in seinem Beutel trug – könne man aus dem Helikopter nicht machen.
Regierung über abgeschossene Koalas: »Entscheidung nicht leichtfertig getroffen
James Todd, Chief Biodiversity Officer der Regierung Victorias, erklärte dem „Guardian“ dagegen, das alleinige Ziel der Luftabschussaktion sei es gewesen, „weiteres Leiden der durch das Feuer betroffenen Tiere zu verhindern.“
Dabei seien spezialisierte Teams, erfahrene Tierärzte, Wildtierpfleger und Tierschutzexperten eingebunden gewesen. „Aufgrund der direkten Auswirkungen des Feuers, der schlechten Gesundheit und der geringen Überlebenschancen vieler Tiere infolge der anhaltenden Dürrebedingungen und des Nahrungsmangels nach dem Brand mussten viele Tiere eingeschläfert werden“, so Todd.
„Diese Entscheidung wurde nicht leichtfertig getroffen. Die Optionen waren, die Tiere ihrem Schicksal zu überlassen oder durch Luftabschuss proaktiv Leid zu vermindern“, so Todd weiter. Denn das Gelände im Nationalpark sei extrem zerklüftet und nur erschwert zu Fuß zugänglich. Zudem hätten Sicherheitsrisiken durch brandgeschädigte Bäume bestanden.
Sind Koalas nicht bedroht?
Koalas leben in Eukalyptuswäldern, vor allem im Osten und Süden von Australien. Durch Lebensraumverlust und Buschbrände gelten sie in New South Wales, Queensland sowie dem Australian Capital Territory als gefährdet. In Victoria hingegen sind die Koala-Bestände noch stabil.
Allerdings konzentrieren sich die Koalas häufig in sogenannten Habitatinseln, also isolierten Buschflächen wie dem Budj-Bim-Nationalpark. Dort gibt es also vierlerorts zu viele Koalas für zu wenig Bäume. Diese dichte Ansammlung führt langfristig dazu, dass Koalas ihre bevorzugten Eukalyptusbäume entlauben und sich dadurch selbst gefährden.
Weiterhin kommt erschwerend hinzu, dass Budj Bim von kommerziellen Blaugummiplantagen umgeben ist. Tierschutzgruppen machen diese kommerzielle Nutzung des Umlandes mitverantwortlich für die hohe Koaladichte im Park. Denn im Anbaugebiet finden die Tiere zusätzliche Nahrung, vermehren sich und kehren nach Abholzungen in den – weniger üppigen – Nationalpark zurück.

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Hätte man die Koalas nicht umsiedeln statt abschießen können?
Der Tierschutzplan Victorias sieht in Katastrophenfällen eigentlich Alternativen wie die Bereitstellung zusätzlicher Nahrung vor. Das Verteilen frischer Eukalyptusblätter hätte möglicherweise das Schlimmste verhindern können, während sich das Ökosystem regeneriert.
Doch auch hierbei hätte sich eine Schwierigkeit ergeben: Koalas sind sehr gebietstreu. Von den über 600 Eukalyptusarten fressen sie nur wenige und vor allem die, an die sie gewöhnt sind. Denn die Immunität gegen die eigentlich giftigen Blätter baut sich erst nach und nach auf.
Ein Koalajunges bekommt die Blätter von seiner Mutter portioniert, bis sich die Immunität bildet. Entsprechend besitzen Joeys auch nur die Darmbakterien für diese eine spezielle Eukalyptussorte. Und auch die Alttiere würden vor der „falschen“ Sorte Eukalyptus eher zurückschrecken, als sie zu verspeisen.