
15. April 2025, 5:52 Uhr | Lesezeit: 9 Minuten
Ein Mann steht am Abgrund – und wird von einem Straßenhund gerettet. In „Hope“ erzählt Niall Harbison, wie ihn eine lebensgefährliche Alkoholsucht bis nach Ko Samui führte, wo er heute täglich Hunderten Tieren hilft. Eine Geschichte über Verzweiflung, Mitgefühl und die heilende Kraft echter Verantwortung.
Er trank, um zu vergessen – und hätte sich beinahe selbst verloren. Erst ein Straßenhund auf Ko Samui brachte Niall Harbison zurück ins Leben, wie er in seinem Buch „Hope – ein Mann am Abgrund, ein Rudel Straßenhunde und der Sinn des Lebens“ schreibt. Heute leitet der ehemalige Werbemanager eine Tierschutzorganisation auf der thailändischen Insel, rettet Hunde vor dem sicheren Tod und findet dabei jeden Tag ein Stück mehr zu sich selbst zurück. Harbison erzählt PETBOOK im Interview seine Geschichte über Sucht, Hoffnung – und darüber, wie das Leben manchmal Umwege geht, um ans Ziel zu führen.
PETBOOK: Ihr Buch „Hope“ erzählt eine bewegende Geschichte persönlicher Transformation. Was war der entscheidende Moment, der Sie dazu gebracht hat, Ihr Leben zu ändern?
Niall Harbison: „Für mich war es, als ich im Krankenhausbett lag, nachdem ich mich fast zu Tode getrunken hatte. Ich dachte, ich würde sterben, und dieser Moment war nötig, um mich wachzurütteln und die Veränderung vorzunehmen, die ich brauchte. Dem Tod ins Gesicht zu sehen war das Beste, was mir je passiert ist.“
Sie sprechen offen über Ihre Alkoholsucht. Wie schwer war der Weg zur Genesung, und welche Rolle spielten die Straßenhunde dabei?
„Es war mein ganzes Leben lang schwer – mindestens 25 Jahre voller Aufhören und Neu anfangen. Ich bin immer gescheitert. Erst bei diesem allerletzten Mal, als ich so sehr erschrocken bin, konnte ich es endlich schaffen. Die Straßenhunde helfen mir sehr, denn sie sind auf mich angewiesen, und ich möchte sie nicht im Stich lassen.“
Niall Harbison – vom Agenturchef zum Hundeschützer
Wie haben Sie Ihre ersten Begegnungen mit den Straßenhunden auf Ko Samui erlebt? Gab es einen Hund, der Ihre Sicht besonders verändert hat?
„Der allererste Hund hieß Lucky. Ich spielte tatsächlich gerade Fußball mit meinen deutschen Freunden und fuhr danach nach Hause. Irgendetwas an ihr brachte mich dazu, anzuhalten, mich zu ihr zu setzen und sie zu füttern. Es war ein Moment, der mein Leben für immer verändern sollte.“
Sie haben sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, 10.000 Straßenhunden pro Monat zu helfen. Wie realistisch ist dieses Ziel, und wie organisieren Sie Ihre Arbeit?
„Um ehrlich zu sein, haben wir diese Zahl schon erreicht, denn wir füttern jetzt 1250 Hunde pro Tag mit frisch gekochtem Futter und führen außerdem über 6000 Sterilisationen pro Monat durch. Das bedeutet, dass wir jedes Jahr Zehntausende Hunde daran hindern, in Leid geboren zu werden. Wir konzentrieren uns darauf, das Geld in die Hände derjenigen zu bringen, die es am dringendsten brauchen, um ihre Arbeit zu tun.“
Niall Harbison: „Bildungsbotschaft kommt von Einheimischen immer besser an“
Ihre Social-Media-Kanäle erreichen Millionen von Menschen. War es von Anfang an Ihr Plan, Ihre Rettungsaktionen öffentlich zu dokumentieren?
„Ich habe früher im Bereich Social Media gearbeitet, aber ich hätte nie gedacht, dass es so groß werden würde. Ich fing an, die Hunde für meine Familie und Freunde in Europa zu teilen, die mich vermissten und sich wegen meines Trinkens Sorgen machten. Es schien ihnen so gut zu gefallen, dass alles von da an wuchs, und sie fingen an, es mit ihren eigenen Freunden zu teilen.“
Was war der berührendste oder dramatischste Rettungsfall, den Sie erlebt haben? Gibt es eine Geschichte, die Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben ist?
„Ich würde sagen Rodney, ein winziger kleiner Welpe, der verloren und verängstigt auf den Straßen von Samui umherirrte und kurz vorm Sterben war. Wir haben ihn wieder aufgebaut zu einem starken Hund, der jetzt im Vereinigten Königreich lebt.“
Was sind die größten Herausforderungen im Tierschutz auf Ko Samui? Mit welchen Problemen sind Sie täglich konfrontiert, und wie gehen Sie damit um?
„Sicherlich der Umgang mit der lokalen Bevölkerung. Es ist eine andere Kultur, Sprache und ein anderes Land mit eigenen Regeln. Was mir dabei am meisten geholfen hat, ist die Anstellung von thailändischem Personal. Die Bildungsbotschaft kommt von Einheimischen immer besser an.“
Niall Harbison erzählt in „Hope“, wie aus einem Tiefpunkt eine Mission entsteht
Straßenhunde leiden oft unter Hunger, Krankheit und Misshandlung. Wie schwer ist es, ihr Vertrauen zu gewinnen, und welche Strategie haben Sie dafür entwickelt?
„Das Geheimnis bei 99 Prozent von ihnen ist ganz einfach … Futter. Sie fassen sehr schnell Vertrauen, wenn man langsam vorgeht und Futter mitbringt. Manche seltene Fälle, die Missbrauch erlebt haben, brauchen etwas länger und lassen sich vielleicht nie anfassen. Das Einzige, was bei allen Hunden funktioniert, ist Zeit.“
Gab es Situationen, in denen Sie sich machtlos gefühlt haben? Wie gehen Sie mit Rückschlägen und schwierigen Fällen um?
„Viele Male, jede Woche. Manchmal erlauben uns Halter mit privaten Grundstücken nicht, dass wir helfen oder Hunde sterilisieren. Ich bin oft Aggression und Beschimpfungen ausgesetzt – das ist das Härteste, weil darunter die Hunde leiden.“
Welche Rolle spielen Tierärzte bei Ihrer Arbeit? Gibt es genug medizinische Versorgung für die Straßenhunde oder ist das ein großes Problem?
„Eine riesige Rolle, aber sie sind auch der teuerste Teil unserer Arbeit. Tiere mit gebrochenen Beinen zu behandeln oder größere Operationen durchzuführen ist extrem teuer. Die Tierärzte sind meine Helden, denn egal wie viel ich tun kann, um sie zu füttern – die Tierärzte sind es, die Leben retten.“
„Hope“ im eigenen Leben finden und alles ist möglich
Wie groß ist Ihr Team, und wie arbeiten Sie zusammen? Gibt es Freiwillige oder Organisationen, mit denen Sie kooperieren?
„Wir sind jetzt zehn Festangestellte – Leute, die das Futter für die Hunde kochen, sich um sie kümmern und dann gibt es unser Straßenteam. Außerdem gibt es ein paar Menschen, die mir online bei der Verwaltung der Wohltätigkeitsorganisation und dem Content helfen.“
Was sind die häufigsten Herausforderungen in Ihrer Arbeit mit den Hunden – ob logistisch, emotional oder finanziell?
„Finanziell ist immer ein ständiges Sorgenkind, aber wir können das bewältigen, und die Leute sind sehr unterstützend. Am allerschwersten ist jedoch die emotionale Seite – nicht nur für mich, sondern auch für das Team. Wir sehen alles: Hunde, die erschossen wurden, Missbrauch, sterbende Hunde. Es kann einen unglaublich auslaugen und es ist schwer, sich jedes Mal wieder aufzuraffen.“
Ihr Buch trägt den Titel „Hope“ – was bedeutet Hoffnung für Sie heute im Vergleich zu früher?
„Hoffnung ist das eine, das ich jetzt habe – und das, was man mit den Hunden immer an seiner Seite behalten muss. Die Hunde, die zu mir kommen, haben oft keine Hoffnung, so wie ich früher, als ich trank und an Depression litt. Aber sobald man ‚Hope‘ im Leben findet, ist wieder alles möglich.“
Arbeit auf Ko Samui ändert Sicht auf Dinge, die wirklich wichtig sind
Wie hat Ihr Engagement für Straßenhunde Ihr eigenes Leben verändert – emotional und in Bezug auf Ihre persönliche Entwicklung?
„Es hat alles verändert. Anstatt mir Sorgen zu machen, ob ich das neueste iPhone-Modell oder ein neues Auto habe oder im besten Restaurant essen gehe, sehe ich jetzt, dass diese Dinge einfach nicht wichtig sind im Leben. Abends ins Bett zu gehen mit dem Wissen, dass man das Leben eines Hundes gerettet hat – das verändert einen für immer.“
Viele Menschen träumen davon, ihr Leben radikal zu ändern. Welchen Rat würden Sie jemandem geben, der diesen Schritt gehen möchte, sich aber davor fürchtet?
„Hab keine Angst. Das eine, was uns alle zurückhält (mich eingeschlossen), ist einfach Angst. Die Angst zu scheitern ist wirklich beängstigend – aber wenn man das überwinden kann, kann man sich wirklich befreien. Das Leben ist kurz, und wir haben nur wenig Zeit hier. Versuche, das Beste daraus zu machen.“

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Niall Harbison: „Es gibt 500 Millionen Straßenhunde auf der Welt“
Viele Länder haben Probleme mit Straßenhunden. Was könnte Ihrer Meinung nach getan werden, um langfristige Lösungen zu finden? Gibt es Länder oder Programme, die als Vorbild dienen?
„Je mehr ich mich damit beschäftige, desto mehr glaube ich, dass es auf den Wohlstand eines Landes, Vorschriften und auch Bildung ankommt. Menschen zu unterrichten und vernünftige Bildungsprogramme zu schaffen, ist der absolute Schlüssel – ohne das wird die Veränderung nur sehr klein sein.“
Wie können Menschen aus Deutschland oder anderen Ländern Ihre Arbeit unterstützen? Gibt es Möglichkeiten, sich auch aus der Ferne zu engagieren?
„Ich bitte nie gerne um Spenden oder möchte Leute drängen. Ich sage immer lieber: Folgt uns einfach auf Social Media und schaut euch die Geschichten an oder lest das Buch. Wenn die Leute das tun, verstehen sie die Mission besser und finden dann von selbst Wege, zu helfen.“
Was sind Ihre Wünsche für die Zukunft des Tierschutzes auf Ko Samui und darüber hinaus? Haben Sie langfristige Pläne oder Visionen für Ihre Organisation?
„Es gibt 500 Millionen Straßenhunde auf der Welt. Meine Mission ist es, diese Zahl in meinem Leben um 50 Prozent zu senken. Das ist unglaublich ehrgeizig und wird fast unmöglich sein – aber ich werde mein Leben damit verbringen, es zu versuchen.“
Was sind Ihre Pläne für die Zukunft? Gibt es neue Projekte oder Ziele, die Sie nach dem Erfolg von „Hope“ erreichen möchten?
„Mehr Hunde retten. Ganz einfach. Nichts anderes ist mir im Leben noch wichtig.“