12. Dezember 2023, 14:09 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Im Jahr 2022 verendeten in Deutschland 2.437.794 Versuchstiere – 1.769.437 wurden als „Überschuss“ getötet. Das geht aus den neuesten Zahlen hervor, die das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) am 11. Dezember veröffentlichte. PETBOOK fasst die wichtigsten Ergebnisse der erhobenen Daten zusammen.
Jedes Jahr fragt das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) die von den Versuchstiereinrichtungen erhobenen Daten der jeweiligen Bundesländer ab und stellt diese zusammen. Nach der neuesten Veröffentlichung vom 11. Dezember lag die Gesamtzahl der Versuchstiere in Deutschland für das Jahr 2022 bei 2.437.794 Tieren, die für wissenschaftliche Zwecke verwendet wurden. Dazu kommen noch einmal 1.769.437 Tiere, die man für wissenschaftliche Zwecke züchtete, letztendlich aber nicht verwendete und daher töten musste.
Im Vergleich zum Vorjahr ist die Gesamtzahl der verendeten Versuchstiere leicht gesunken. Schaut man sich jedoch die Entwicklung der Versuchszahlen seit 2009 an, lagen die Zahlen im Zeitraum von Jahr 2017 bis 2019 um die 2 Millionen und im Jahr 2020 mit 1.850.443 sogar deutlich darunter. Im Vergleich dazu stieg die Gesamtzahl der verendeten Versuchstiere in Deutschland seit 2021 (2.503.682) wieder deutlich an – um 35 Prozent!
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Was wird in Tierversuchen erforscht?
Nach der Datenerfassung des BfR dienten rund 55 Prozent der Tierversuche der Grundlagenforschung. Darunter versteht man Experimente, in denen Wissenschaftler etwa bestimmte Körperfunktionen erforschen. Was die Tierversuche angeht, untersuchte man laut Bericht des BfR im Jahr 2022 in der Grundlagenforschung vor allem das Nervensystem und das Immunsystem.
Bei der angewandten Forschung wenden Forscher das aus der Grundlagenforschung gewonnene Wissen an. Etwa, um für ein bestimmtes Problem – etwa eine Krankheit – Lösungen zu finden. Dabei kamen 2022 in Deutschland 42 % der in diesem Bereich verwendeten Versuchstiere zum Einsatz. Der Schwerpunkt lag dabei auf der Erforschung von Krebserkrankungen des Menschen.
Weitere Verwendungen von Tieren in Versuchen 2022 waren:
- Herstellung und Qualitätskontrolle von medizinischen Produkten oder für toxikologische Sicherheitsprüfungen (16 % der Tiere)
- Erhaltung von Kolonien etablierter genetisch veränderter Tiere (rund 11 % der Tiere)
- Sonstige Versuchszwecke, wie zum Beispiel zur Arterhaltung und Artenschutz, zur Aus- oder Weiterbildung oder dem Schutz der natürlichen Umwelt (rund 4 % der Tiere)
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Welche Tiere sind betroffen?
Bei etwa 79 Prozent der eingesetzten Versuchstiere in Deutschland handelte es sich um Nagetiere – vor allem um Mäuse und Ratten. Dabei machten Mäuse etwa 72 Prozent und Ratten etwa 6 Prozent der eingesetzten Tiere aus.
An zweiter Stelle der am häufigsten verwendeten Versuchstierarten stehen Fische. Sie machten 2022 12 % der Versuchstiere in Deutschland aus. Bei Kaninchen lag der Anteil bei etwa 4 Prozent, der von Vögeln (Haushühner und andere Vogelarten) bei rund 2 Prozent.
Auch Hunde und Katzen betroffen
Katzen und Hunde machen knapp 0,2 Prozent aller Versuchstiere in Deutschland aus. Für viele haben sie als beliebte Haustiere aber einen besonderen Stellenwert. PETBOOK möchte daher einmal detaillierter auf die Experimente, die an diesen Tieren vorgenommen werden, eingehen. Nach Angaben des BfR werden Hunde und Katzen unter anderem für gesetzlich vorgeschriebene Versuche und für die angewandte Forschung eingesetzt.
Hunde werden in Giftigkeitsprüfungen eingesetzt
Im Berichtsjahr 2022 wurden 2.873 Hunden im Versuch gemeldet, 8 Prozent mehr als im Jahr 2021 (2.657 Tiere im Versuch). Die beliebtesten Rassen seien Beagles und Foxhounds, die als besonders gutmütig gelten, wie „Ärzte gegen Tierversuche e. V.“ auf ihrer Web-Seite informiert.
Laut der Vereinigung würden Hunde unter anderem in Tierversuchen verwendet, um zu untersuchen, wie giftig bestimmte Substanzen für den Menschen sind. Über 90 Tage hinweg bekämen die Tiere dafür unter anderem täglich eine Chemikalie per Magensonde verabreicht. Viele Versuche an Hunden fänden auch im Bereich der Herz-Kreislaufforschung, Chirurgie, Zahnmedizin und Kieferchirurgie statt.
Katzen dienen oft der Grundlagenforschung
Im Jahr 2022 kamen insgesamt 862 Katzen in Tierversuchen in Deutschland zum Einsatz. Das sind rund 38 Prozent weniger als im Vorjahr. Laut der Vereinigung „Ärzte gegen Tierversuche e. V.“ werden Katzen vor allem für die Grundlagenforschung verwendet.
So würden seit Jahrzehnten Katzen herangezogen, um die Nervenverschaltungen im Gehirn beim Sehen zu ergründen. Die Tiere würden dafür unter Flackerlicht aufgezogen, ihnen würden die Augen zugeklebt oder zugenäht oder sie müssten sich Bilder ansehen, während in ihrem Gehirn Nervenströme gemessen würden.
Zahl der Versuchsaffen deutlich gestiegen
Affen machen in Tierversuchen 0,1 Prozent aller Versuchstiere aus. Dabei kommen vor allem Rhesusaffen zum Einsatz. Nachdem die Zahl der Versuchsaffen in den letzten zwei Jahren (2020 und 2021) stark zurückging, stieg sie im Jahr 2022 mit insgesamt 2.204 im Versuch gemeldeten Affen und Halbaffen um 17 Prozent deutlich an.
Affen werden beispielsweise für die Zulassung von Humanarzneimitteln eingesetzt. Das größte Affenlabor Deutschlands ist laut Angaben der Vereinigung „Ärzte gegen Tierversuche e. V.“ Covance in Münster (inzwischen unbenannt in Labcorp Drug Development). Dort teste man im Auftrag der Industrie Substanzen an Affen. Dabei kommen in der Regel Langschwanzmakaken zum Einsatz, aber auch die Tauglichkeit von Weißbüscheläffchen wurde untersucht. Menschenaffen werden in Deutschland seit 1992 nicht mehr für wissenschaftliche Zwecke als Versuchstiere eingesetzt.
Tierschützer kritisieren Zahlen
Die Zahl der in deutschen Laboren verwendeten Versuchstiere sei weiter erschreckend hoch, kritisierte der Deutsche Tierschutzbund in einer Pressemitteilung vom 11. Dezember 2023. Über die Hälfte der Tiere müsse für die reine Grundlagenforschung herhalten, ohne konkreten oder absehbaren Nutzen der Versuchsergebnisse, heißt es.
Nach den ermittelten Daten des Bfr wurde der überwiegende Teil der im Jahr 2022 durchgeführten Tierversuche als „gering belastend“ eingestuft (66,3 % der Tiere im Versuch), 3 Prozent als „schwer belastend“. Damit würden insgesamt 62.377 Tiere in den Versuchen den höchsten Grad an Schmerzen, Leiden oder Schäden erfahren, wie der Deutsche Tierschutzbund betont und nennt als Beispiel den Tod durch Ersticken nach der Injektion von Giftstoffen.
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Deutscher Tierschutzbund fordert Umstieg auf tierversuchsfreie Methoden
Die im Koaltionsvertrag versprochene Reduktionsstrategie zu Tierversuchen gehen Tierschützern nicht weit genug. So richtet sich der Deutsche Tierschutzbund an die Bundesregierung und fordert zudem, auch einen vollständigen Umstieg auf tierversuchsfreie Methoden vorzubereiten, heißt es in der Pressemitteilung.
Bisher plane die Bundesregierung bloß eine Verringerung der Versuchstierzahlen, aber keinen Ausstieg. „Mit dieser Einstellung lässt sie nicht nur Millionen von Versuchstieren im Stich, sie verfehlt die Vorgaben der Europäischen Union und verpasst den Anschluss in Bezug auf tierleidfreien Fortschritt“, kommentiert Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes. Nur, wenn sich am ganzen System etwas ändere, könne es gelingen, die Versuchstierzahlen massiv und nachhaltig zu reduzieren und Tierleid zu verhindern. Die Bundesregierung müsse die verbliebenen zwei Jahre der Legislaturperiode jetzt dafür nutzen.