27. Juli 2023, 11:46 Uhr | Lesezeit: 12 Minuten
Vor kurzem startete die Dokumentationsreihe „SOKO Welpenhandel“. Darin begleitet TV-Star und Hundetrainer Jochen Bendel zusammen mit den Tierschützern Stefan Klippstein sowie Sina Hanke den Weg des illegalen Welpenhandels von Polen in die deutschen Großstädte. PETBOOK hat sich mit Jochen Bendel über die Dreharbeiten unterhalten, die nicht immer ganz ungefährlich waren.
In der Dokumentationsreihe SOKO Welpenhandel zeigt TV-Star und Hundetrainer Jochen Bendel zusammen mit den Tierschützern Stefan Klippstein und Sina Hanke investigativ den Weg des illegalen Welpenhandels von Polen bis in die deutschen Großstädte auf. (Erstausstrahlung der ersten Folge am 20.7.2023 auf SAT.1 Gold). Bereits im letzten Jahr konnten der Hundetrainer und Tierschützer in einer Dokumentation aufdecken, wie krank die Hunde sind, die illegal nach Deutschland kommen, und welches Tierleid dahintersteckt. Die neue, vierteilige Dokumentation gibt Einblick in die Strukturen der Welpenmafia und deckt auf, woher die Welpen kommen und auf welchen Wegen sie nach Deutschland gelangen. PETBOOK hat mit Jochen Bendel über die Dreharbeiten zur „SOKO Welpenhandel“ gesprochen, bei denen Tierschützer und Lockvögel in brenzlige Situationen gerieten und offen bedroht wurden.
„Wir müssen das Ganze in seiner vollen Brutalität zeigen“
PETBOOK: Jochen, ihr habt schon einmal eine Folge zum Welpenhandel gedreht. Gab es für euch einen ausschlaggebenden Punkt, an dem Thema dranzubleiben?
Jochen Bendel: „Die erste Doku schlug ein wie eine Bombe. Die Welpenmafia war aufgeschreckt. Mit Sina Hanke und Stefan Klippstein, beides Tierschützer, wollten wir tiefer in die Thematik gehen. Denn obwohl wir die Dokumentation gemacht hatten, habe ich in meinem Bekanntenkreis immer noch mitbekommen, dass Leute auf der Suche nach einem Hund als Erstes bei eBay oder anderen Kleinanzeige-Portalen geschaut haben. Und das, trotzdem wir in der Doku ausdrücklich davor gewarnt hatten.
Es ist aber auch einfach schwer, als Privatmensch zu unterscheiden, welche Anzeige seriös ist und welche nicht. Das war ein bisschen der Auslöser, warum wir gesagt haben: ‚Wir müssen da noch viel mehr aufklären und das Ganze mal in seiner vollen Brutalität zeigen.‘ Dafür haben wir uns überlegt, wie wir es schaffen können, solche Deals mit der versteckten Kamera zu begleiten, um das wirklich mal schonungslos aufzudecken, woher diese Hunde eigentlich kommen.“
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In der ersten Folge von „SOKO Welpenhandel“ gibt es eine brenzlige Situation, in der ihr zurück ins Auto flüchten musstet. Gab es Momente während der Dreharbeiten, in denen du Angst um dich und das Team hattest?
„Es gab einen Drehtag in Hamburg, an dem uns immer wieder dieselben Leute in einem Auto gefolgt sind. Die waren ständig in unserer Nähe und fuhren an uns vorbei, selbst als die Polizei da war. Das war schon unheimlich und ich dachte die ganze Zeit: ‚Was passiert wohl als Nächstes?‘ Tatsächlich ist das Auto dann auch an unseren beiden Lockvögeln vorbeigefahren und der Fahrer hat eine der beiden angesehen und mit dem Finger wie bei einer Schussbewegung auf sie gezielt. Da spürt man schon richtig die Kriminalität und die Gewalt, die dahintersteht, wenn jemand dich ständig latent beobachtet und dich so versucht einzuschüchtern. Da war schon richtig Druck drauf. Wir hatten mit unseren Dreharbeiten die Welpen-Händler aufgeschreckt. Das passte denen überhaupt nicht.“
Wie seid ihr mit der Situation umgegangen?
„Wir haben das Kennzeichen notiert und die Polizei hat im Anschluss eine Fahndung eingeleitet. Tatsächlich haben sie den Wagen samt Insassen hochgenommen und es stellte sich raus, dass das Leute waren, nach denen sie bereits gesucht hatten und gegen die ein Ermittlungsverfahren lief.“
»Nur wenige Polizeibeamte haben das Thema Tierschutz auf dem Schirm
Wie habt ihr euch vorher mit der Polizei abgestimmt? Waren ständig Beamte vor Ort?
„Beim Dreh hatten wir das große Glück, dass wir Beamten vor Ort hatten, die wir kontaktieren konnten und mit denen wir das Vorgehen abgestimmt haben. Für die ‚SOKO Welpenhandel‘ waren außerdem auch ehemalige Polizeibeamten dabei, die noch gute Verbindungen zu den Kollegen haben. Normalerweise haben die aber selten die Kapazitäten, dann zu kommen, wenn Tierschützer gerade investigativ tätig sind. Dass Tierschützer direkte Ansprechpartner bei der Polizei haben, die mit dem Thema Tierschutz betraut sind, ist ein absoluter Glücksfall. Oftmals ist es so, dass nur die wenigsten Polizeireviere in Deutschland Beamten haben, die das Thema auf dem Schirm haben und die dann auch handeln. Das wäre meines Erachtens aber wünschenswert.“
Es gibt im Netz so viele unseriös wirkende Anzeigen für Welpen. Wie seid ihr genau vorgegangen, um auch die „dickeren Fische“ hochzunehmen?
„Die Tierschützer haben über mehrere Wochen den Anzeigenmarkt beobachtet. Hunderte von Anzeigen mit den unterschiedlichsten Hundewelpen. Doch erst als sie zum Schein Kontakt mit den Anbietern aufnahmen, erkannten sie ein Muster. Viele unterschiedliche Anzeigen liefen alle zu ein und derselben Person. Daraufhin haben wir beschlossen, da mal hinzugehen. Die Tierschützer haben dann die Kontakte für den Tag festgemacht. Letztendlich hat sich herausgestellt, dass das eine Punktlandung war und wir selber nicht damit gerechnet hatten, in welches Wespennest wir da gestoßen sind.“
„Meist rekrutieren die Hintermänner bewusst Leute, die Geld brauchen“
Man denkt bei dem Wort „Welpenmafia“ ja immer an eine einzige kriminelle Organisation. Weiß man, wer tatsächlich dahintersteckt?
„Also von dem, was wir in unserer Recherche aufgedeckt haben, können wir sagen, dass die Hintermänner oft deutsche Staatsbürger sind, die gezielt und im großen Stil Handel treiben. Die beauftragen dann Hunderte von ‚Soldaten‘, die verschiedene Aufgaben übernehmen. Manche kümmern sich um die Produktion, andere sammeln die Hunde von überall her zusammen und kümmern sich um den Transport nach Deutschland.
Dann gibt es noch die an vorderster Front, die die Hunde direkt vor Ort verkaufen. Meist rekrutieren die Hintermänner dafür bewusst Leute, die Geld brauchen und die sie damit unter Druck setzen können. Diese Mittelmänner sind die, die die Hunde übergeben und so tun, als gehörten die Welpen ihnen. Die gesamte strategische Planung im Hintergrund kommt aber von diesen Hintermännern, die im Hintergrund die Fäden ziehen. Es ist eigentlich wie beim organisierten Drogenhandel: Jeder hat seine Aufgabe. Die Hintermänner wollen sich die Finger nicht dreckig machen.“
»Die Dreharbeiten in Polen haben wir mit stich-sicheren Westen gemacht
Die Tierschützerinnen und Tierschützer, mit denen ihr zusammengearbeitet habt, sind ja schon lange in dem Feld tätig. Werden die nicht von den Leuten erkannt?
„Letztes Jahr gab es einen Hintermann eines Clans, der uns tatsächlich erkannt hat. Da haben wir gemerkt, dass wir auch mit Verkleiden nicht weiterkommen. Da die Welpenhändler verständlicherweise keinen Bock auf Tierschützer und Polizei haben, observieren sie vor einem persönlichen Treffen immer Interessenten. Sie schicken heimliche ‚Beobachter‘ vor die Haustüre. Die tun so, als ob sie mit einem Hund Gassi gehen und dabei filmen sie dich mit dem Handy und machen Fotos. Die schicken sie dann dem Verkäufer hoch in die Wohnung und der entscheidet dann, ob er dich reinlässt.
Tierschützerinnen wie Sina Hanke werden oft erkannt, weshalb wir manche Drehe schon abbrechen mussten, weil wir schlicht aufgeflogen sind. Deshalb haben wir für die ‚SOKO Welpenhandel‘ dieses Jahr ganz andere Leute als Lockvögel genommen, die so vorher noch nie aufgetaucht sind. Das hat gut funktioniert.“
Die erste Folge „SOKO Welpenhandel“ wurde bereits ausgestrahlt. Habt ihr Drohungen erhalten?
„Wir sind darauf eingestellt und vorbereitet. Ich persönlich habe da jetzt keine große Angst. Wenn ich mir aber vorstelle, wie die Tierschützer, mit denen wir zusammenarbeiten, seit Jahren bedroht werden … die Dreharbeiten in Polen haben wir deshalb mit versteckter Security und stich-sicheren Westen gemacht. Dem Tierschützer Stefan Klippstein wurde von aufgebrachten Welpenhändlern schon einmal zwei Rippen gebrochen.“
„Die Frau steht da seit zehn Jahren und verkauft Welpen“
Habt ihr während der Dreharbeiten auch Festnahmen gehabt, bei denen die Polizei Leute dingfest gemacht hat?
„Ja, in Hamburg gab es eine Festnahme. Das waren allerdings nur die Mittelsmänner. Aber durch unsere Recherche konnten wir einige Beweise liefern, sodass die Polizei jetzt an die Hintermänner herankommt – zumindest was Deutschland betrifft. Im Ausland haben wir zwar auch die Behörden dazu geholt, die haben aber meist einfach nur Bußgelder verhängt. Verhaftet wurde da niemand.
Und das krasse war, dass eine Händlerin, die Welpen auf einem Markt in Polen verkauft hat, nachdem die Polizei weg und die Kameras aus waren, uns ihre Hunde gleich wieder angeboten hat. Die hat sich gedacht, wenn sie die Hunde verkauft, hat sie die Strafe schnell wieder drin. Die haben, was das angeht, überhaupt kein Unrechtsbewusstsein. Unser Tierschützer vor Ort, Stefan Klippstein, hat uns erzählt, dass die Frau da seit zehn Jahren steht und Welpen verkauft.“
„Es war nicht klar, ob die Welpen überleben“
Was war für dich einer der emotionalsten Momente bei den Dreharbeiten?
„Das war ein Drehtag in Hamburg, an dem wir am Ende insgesamt fünf Hunde gerettet haben. Die Welpen waren schon sehr schwach und krank und es war nicht klar, ob sie überleben werden. Die haben ganz schwer geatmet, kaum Luft bekommen und gestunken haben sie auch. Alle hatten einen aufgeblähten Bauch, was typisch für Parasitenbefall ist. Ich hatte den einen Welpen auf dem Arm unter meiner Jacke, um ihn ein wenig zu wärmen und hatte immer Angst, dass er jeden Moment stirbt. Das war schrecklich.
Aber es gab auch schöne, emotionale Momente. Etwa, als wir die Hunde vom Polenmarkt gerettet haben. Mit denen sind wir gleich in die Tierklinik gefahren. Leider waren auch die schon so krank, dass zwei von fünf gestorben sind. Die anderen drei haben es aber geschafft. Die habe ich dann nach 14 Tagen Quarantäne abgeholt und nach „Copernika“ gebracht. Das ist ein riesiges Gelände in Polen, wo Hunde aufgenommen werden und welches von der Stiftung Pro Animale e. V. gegründet wurde.“
»Am Ende hatte der Händler echt Angst um sein Leben
Hattest du auch Wut auf die Beteiligten und die Täter? Wie bist du damit umgegangen?
„Ich verabscheue nicht die Menschen, die das tun, sondern Ihre Taten. Trotzdem: Was mich total wütend gemacht hat, war eine Hundeübergabe mitten in der Nacht in Hamburg, wo einer der Mittelsmänner auf einen Discounter-Parkplatz kam, mit einem Kinderwagen, in dem die Hunde drinsaßen. Bei eisiger Kälte auf einer Thermodecke halb erfroren und völlig fertig. Aber wir wussten, dass der noch andere Welpen in der Wohnung oben hocken hat, an die wir natürlich auch dran wollten. Deshalb bin ich zu dem hin gegangen und ganz ruhig geblieben. Aber innerlich war ich echt aufgebracht.
Der Verkäufer hat zwar ständig nur Lügen und Märchen über die Herkunft der Hundewelpen erzählt, aber auch, weil er Angst hatte. Er wurde ja, genau wie wir, von der Mafia beobachtet. Und nun hatte uns er die zwei Hunde angeboten, aber kein Geld und stattdessen noch eine Strafanzeige bekommen. Am Ende hatte der Typ echt Angst um sein Leben bekommen und meinte zu uns, dass er nicht alleine nach Hause gehen will und ob wir und die Polizei ihn begleiten könnten.“
Wie ist die Sache ausgegangen?
Die Polizei hat ihn dann mit in die Wohnung begleitet, um die anderen Welpen herauszuholen. Währenddessen haben wir vor dem Haus gestanden und plötzlich kam eine ganze Schar aufgebrachter Leute um die Ecke. Die müssen sich zusammentelefoniert haben und wollten jetzt schauen, was wir da machen. Die Lage wurde so brenzlich, dass wir zurück in die Autos geflüchtet sind. Das war krass. Als ob man in ein Wespennest sticht. Denn in dem Moment, wo du die kleinen Fische, die den Deal abwickeln, wegholst, kommst du denen ja massiv in die Quere bei ihren Geschäften. Zum einen müssen sie jetzt neue Leute rekrutieren, zum anderen müssen die ihre ganzen Welpen, die sie im Lager haben, schnell abverkaufen. Die werden ja immer älter und weil sie so krank sind, sterben die denen unterm Hintern weg.“
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„In Polen bekommst du beim Bauern Welpen für eine Flasche Schnaps.“
Was war rückblickend der größte Erfolg, den ihr mit der „SOKO Welpenhandel“ hattet?
Der größte Erfolg war meines Erachtens, dass wir einmal im großen Stil aufzeigen konnten, welche verschiedenen Facetten illegaler Welpenhandel hat. Das beschränkt sich eben nicht nur auf die Großstädte, sondern der Handel findet übers Internet in ganz Deutschland statt. Wir konnten auch die Quellen aufdecken, aus denen ein Großteil der Welpen stammt, und auf welchen Wegen sie nach Deutschland kommen. Es war uns außerdem wichtig, mal die Gewinnmargen zu zeigen, die dabei entstehen: In Polen kaufen die Händler einem Bauern einen Welpen für 20 € oder eine Flasche Schnaps ab. Den verkaufen sie dann für 200 Euro auf dem Polenmarkt an Zwischenhändler. Und die verhökern die kranken Hundebabys dann für 800 bis 1000 Euro zum Beispiel über Portale wie ‚Deine Tierwelt.de‘.
Von einer Flasche Schnaps bis 1000 Euro ist schon eine ordentliche Gewinnspanne. Ein Händler verkauft durchschnittlich acht Hunde die Woche. Das macht 8000 Euro in einer Woche, also im Schnitt 32.000 Euro im Monat. Da macht es auch nichts, wenn fast jeder zweite Welpe nach wenigen Tagen bei den neuen Besitzern qualvoll vor Erschöpfung oder an einer Viruserkrankung verstirbt. Dieser perverse Handel funktioniert aber nur, weil wir in Deutschland diese Hunde kaufen. Wahllos, jeden Tag aus dem Internet – ohne uns großartig Gedanken zu machen, woher die Tierbabys kommen und ob die Geschichte und die Angaben der Verkäufer stimmen. Beim Online-Kauf von Elektrogeräten recherchieren die Menschen erwiesenermaßen viel genauer.“