3. Mai 2024, 16:02 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten
In vielen Teilen Afrikas ist die Tollwut noch immer eine reelle Gefahr für Mensch und Tier. Die Welttierschutzgesellschaft widmet sich seit 2013 daher in Lilongwe, der Hauptstadt von Malawi, mit Impfkampagnen gegen die furchtbare Krankheit. Was die Tierschützer bisher erreichen konnten, lesen Sie im Folgenden.
Während in Deutschland die Tollwut fast als ausgerottet gilt und nur bei Fledermäusen sporadisch noch auftritt, ist dies in vielen Ländern Afrikas nicht der Fall. Im letzten Jahr unterstützte die Welttierschutzgesellschaft (WTG) daher in der Ostkap-Region in Südafrika nach einem massiven Ausbruch (PETBOOK berichtete). Doch auch im ostafrikanischen Malawi, das zu den ärmsten Ländern der Welt zählt, wütet die Tollwut. Nach Schätzungen der Welttierschutzgesellschaft sterben jährlich 500 Menschen an der schlimmen Krankheit, die durch Hundebisse übertragen wird.
Dies betrifft viele Kinder, die sich in Malawi oft um die Hunde kümmern. Dadurch sind sie aber auch einem erhöhten Risiko für eine tödlich verlaufende Tollwut-Erkrankung ausgesetzt. Seit 2013 sind die Tierschützer in der Hauptstadt Lilongwe zusammen mit Partnern der Lilongwe Society for the Protection and Care of Animals (LSPCA) im Einsatz. Das Ziel: bis 2030 soll das Land durch Impfkampagnen und Informationsarbeit tollwutfrei werden. Christoph May, der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit für die WTG betreibt, gibt PETBOOK einen Überblick über zehn Jahre Tierschutzarbeit.
„Mehrere zehntausend Tollwutimpfungen durchgeführt“
PETBOOK: Herr May, die Welttierschutzgesellschaft ist schon seit 2013 in Malawi gegen die Tollwut im Einsatz. Welche Erfolge, aber auch Rückschläge gab es in dieser Zeit? Konnte die Ausbreitung der Tollwut schon spürbar eingegrenzt werden?
Christoph May: „Im Fokus unserer Arbeit standen zunächst großflächige Impfkampagnen in der Hauptstadt Lilongwe, um so eine Grundimmunisierung in der Hunde- und Katzenpopulation zu schaffen. In vier Etappen wurden jeweils mehrere zehntausend Tollwutimpfungen durchgeführt. Wie es die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt, sollten so über 70, in einigen Stadtbezirken sogar über 80 Prozent der Hunde Lilongwes geimpft und somit das Risiko für Neuansteckungen auch für die nachfolgende Hundegeneration weitgehend gesenkt werden. Mit dem Schutz zehntausender Tiere vor der Tollwut konnten wir somit bereits viel Tierleid auf den Straßen von Lilongwe verhindern.
Nicht zuletzt in Folge der Covid-Pandemie, als mobile Kliniken pausiert werden mussten, aber auch durch einen anhaltend hohen Zustrom in die Hauptstadt verändert sich die Situation stetig. Mit neuen Menschen kommen auch neue Tiere nach Lilongwe und die Schätzungen einer verlässlichen Populationszahl sind kaum mehr möglich. Daher ist unser dauerhafter Einsatz notwendig, mit dem wir uns vor allem auf die Teile von Lilongwe konzentrieren, in denen zuletzt vermehrt Tollwutfälle gemeldet wurden.“
Für einen Welpen kam jede Hilfe zu spät
Gab es einen besonders bewegenden Fall?
„Ja, dieser ereignete sich im vergangenen November während eines Projektbesuchs meiner Kolleginnen Katharina Kohn (Geschäftsführerin) und Theresa Müschner-Siemens (Projektmanagerin). Ein Mann sprach unser Impfteam während einer mobilen Klinik an und berichtete, dass sein Welpe von einem anderen Hund gebissen worden sei. Danach wirkte er apathisch und ließ sich nicht mehr anfassen. Das führte dazu, dass wir gemeinsam mit dem Mann den betroffenen Hund aufsuchten, um das Tier in Quarantäne zu nehmen.
Ein Tierarzt unserer Partner hätte dann eine Untersuchung durchführen sollen, um zu entscheiden, ob der Hund eingeschläfert werden muss oder in die häusliche Quarantäne bei seinem Halter übergeben werden kann. Leider ist der Welpe bereits auf dem Weg in die Klinik verstorben. Untersuchungen ergaben dann, dass er tatsächlich mit Tollwut infiziert war.
Der Fall ist im doppelten Sinne bewegend: Natürlich nimmt uns das traurige Schicksal und dessen vermeidbarer Tod mit. Andererseits konnte durch die Meldung des Mannes auch viel erreicht werden, zum Schutz anderer Hunde. Denn sein Handeln hatte zur Folge, dass das Team Notfallmaßnahmen einleiten konnte. Das bedeutet: Alle Tiere im Umkreis von einem Kilometer rund um den Bissvorfallen wurden geimpft. So konnten möglichst viele vor dem Virus geschützt und eine weitere lokale Ausbreitung verhindert werden. Dieses Verfahren haben wir für alle Tollwutfälle, die uns in Lilongwe gemeldet werden, etabliert und stellen dafür pro Jahr 7000 Impfdosen bereit.“
Sensibilisierung für Tollwut in Malawis Hauptstadt deutlich gewachsen
Bemerkt man schon eine Sensibilisierung der Bevölkerung – auch für Tierschutz im Allgemeinen?
„Der beschriebene Fall des Mannes, der den Tollwutfall bei unseren Impfteams gemeldet hat, steht beispielhaft für das gewachsene Bewusstsein in der Bevölkerung für die Tollwut. Und auch für ein besseres Wissen, was in einem solchen Fall zu tun ist. Wir tun dafür auch sehr viel: Mit Lautsprecherwagen weist das Team auf die mobilen Kliniken hin, es werden Flyer verteilt, Poster an öffentlichen Stellen in Wohngebieten angebracht und verschiedene soziale Netzwerke für die Verbreitung von Informationen genutzt. Die Menschen können sich auch über eine kostenfreie Telefonnummer bei Tollwut-Verdachtsfällen melden.
Diese Hilfsangebote werden sehr rege in Anspruch genommen – für uns ist das ein Zeichen, dass die Sensibilisierung für die Tollwut in Lilongwe in den vergangenen Jahren deutlich gewachsen ist.“
»Die meisten Hunde bewegen sich frei in ihrem ‚Viertel‘ umher
Gelten die Tiere dort als Familienmitglieder, wie bei uns, oder eher als Wachhunde? Wozu werden Hunde in Malawi generell eingesetzt?
„Es gibt auch in Lilongwe eine Haustierhaltung, wie wir sie beispielsweise aus Europa kennen. Diese betrifft aber nur die wohlhabendere Bevölkerungsteile im Land. Die meisten Hunde in Lilongwe haben zwar formell Halter*innen, sind aber die meiste Zeit des Tages auf sich gestellt und bewegen sich frei in ihrem „Viertel“ umher. Das merken wir auch bei den mobilen Kliniken, wo die Hunde in der ungewohnten Situation, angeleint zu sein, oft sehr unruhig sind.
Das überträgt sich dort dann oft auch auf die Halter*innen. Dies bedeutet aber nicht, dass die Menschen nicht auch eine große Zuneigung zu den Tieren hätten. Aber es fehlt oft an den Ressourcen, angemessen für ihre Tiere zu sorgen. Dieser Mangel zeigt sich auch anhand der Beobachtung, dass es so gut wie keine alten Tiere im Straßenbild gibt. Wir gehen davon aus, dass viele Hunde recht jung sterben, unter anderem auch durch die Tollwut-Problematik in der Stadt.“
Katzen in Malawi nur vereinzelt zu sehen, können aber auch Impfung gegen Tollwut bekommen
Auf Ihrer Themenseite erwähnen Sie auch die Impfung von Katzen. Wie läuft das ab?
„Insgesamt dominieren im öffentlichen Raum eindeutig die Hunde, Katzen sind nur sehr vereinzelt zu sehen. Aber natürlich können auch diese für eine Impfung zu den mobilen Kliniken gebracht werden. Sie werden dort gleichrangig mit den Hunden behandelt.“
Wie sieht es mit der Versorgung der Katzen in Malawi generell aus?
„Die Situation der Katzen ist schwer einzuschätzen, da uns im Vergleich zu den Hunden insgesamt nur wenige Katzen begegnen. Grundsätzlich ist aber die Tierklinik unserer Partnerorganisation auch für die Behandlung von Katzen geöffnet.“
Gibt es viele Streuner – Katzen wie Hunde – und auch Bemühungen, diese zu kastrieren/impfen/entwurmen?
„Da wir als einzige NGO gemeinsam mit unserer Partnerorganisation, der Lilongwe Society for the Protection and Care of Animals (LSPCA), in der Hauptstadt aktiv sind, fokussieren wir unsere Ressourcen auf das aus unserer Sicht drängendste Tierschutzproblem: die Tollwut.
Der Aufwand, eine so große Zahl an Tieren in Lilongwe zu kastrieren, wäre noch einmal ungleich größer. Das Vorgehen gegen die Tollwut ist uns auch deshalb so wichtig, weil es einen entscheidenden Beitrag zu einer besseren Mensch-Tier-Beziehung leistet.
Wenn wir die Tollwut spürbar eindämmen und die Menschen dafür sensibilisieren, wie sie sich auch ohne Gewalt gegenüber streunenden Hunden sicher verhalten, ist für den Tierschutz in Lilongwe bereits sehr viel erreicht.“
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Wird Malawi 2030 frei von Tollwut sein?
Wie weit sind Sie vom Ziel des „tollwutfreien Landes 2030“ noch entfernt?
„Wir beobachten nicht nur in Malawi, sondern auch international, dass das Ziel ‚tollwutfrei bis 2030‘ nur schwer zu erreichen sein wird. Dafür sind die staatlichen Ressourcen, die für eine flächendeckende Eindämmung der Tollwut unerlässlich sind, in vielen Länder einfach zu begrenzt. In Malawi sehen wir aufseiten der Behörden, dass sie keineswegs resigniert haben ob der geringen Möglichkeiten, die ihnen zur Eindämmung der Tollwut bereitgestellt werden. Vielmehr arbeiten sie weiter sehr engagiert an diesem Ziel. Doch letztlich ist die Bekämpfung der Tollwut im Land von der Arbeit der NGOs abhängig. Wir unterstützen das Ziel eines ‚tollwutfreien Malawi 2030‘ mit besten Kräften, indem wir die Eindämmung in der Hauptstadt voranbringen. Auch in anderen Landesteilen gibt es Anti-Tollwut-Einsätze. Doch für große Fortschritte im gesamten Land bräuchte es mehr Möglichkeiten von Seiten des Staates.“