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Statement zum neuen Tierschutzgesetz

Bundestierschutzbeauftragte: „Das beste Gesetz hilft nicht, wenn es nicht umgesetzt wird“

Eine Collage aus einem Porträt von Ariane Kari mit einem Grundgesetz mit Überschrift Tierschutzgesetz darüber
Ariane Kari, die erste Bundestierschutzbeauftragte, setzt sich seit einem Jahr für Tiere ein. Und hat auch mit einer Neuerung des Tierschutzgesetzes noch alle Hände voll zu tun Foto: picture alliance / ZB | Z6944 Sascha Steinach / BMEL
Louisa Stoeffler
Redakteurin

17. Juli 2024, 17:47 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten

Das Grundgesetz sieht in Deutschland allgemeinen Tierschutz als Staatsziel an – und ist damit teilweise fortschrittlicher als das Gesetz selbst. Dies soll nun im großen Stil überarbeitet werden, wobei Bundestierschutzbeauftragte Ariane Kari dem Parlament mit Rat und Tat zur Seite steht. Im Pressegespräch erklärt sie, was bisher erreicht wurde und wo sie noch Nachholbedarf sieht.

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In Deutschland soll es schon bald ein neues Tierschutzgesetz geben. Die Novelle wurde jedoch schon nach Bekanntwerden von vielen Tierschützern als nicht ausreichend kritisiert. Nun wurden im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren nochmals Änderungen vorgenommen, die viele Maßnahmen weiter verwässert haben. PETBOOK konnte mit der Bundestierschutzbeauftragten und Amtstierärztin Ariane Kari bei einem Pressegespräch darüber reden, wie viel Novelle wirklich noch im neuen Gesetz steckt. Und welche Hoffnung sie noch sieht, dass nachgebessert wird.

Tierschutz als Staatsziel beginnt bei Kennzeichnung und Registrierung

Der Entwurf des neuen Tierschutzgesetzes sah vor, dass Hunde und Katzen mit einem Chip gekennzeichnet und bei einer Plattform wie Findefix oder Tasso registriert werden müssen. Damit können sie leichter gefunden und schwerer ausgesetzt werden. Längerfristig, so die Bundestierschutzbeauftragte Ariane Kari, würde dies auch zur Entlastung der Tierheime führen.

Dies soll nun über eine Verordnungsermächtigung geschehen, was Kari jedoch nicht für ausreichend hält, wie sie im Pressegespräch betont. Auch wenn sie den Gedanken an Sanktionen begrüße. Die Amtstierärztin mit Schwerpunkt Tierschutz sagt weiter, dass es viele Ermächtigungsgrundlagen gäbe, die nicht umgesetzt würden. „Deshalb finde ich es wichtig, dass die Kennzeichnung von Hunden und Katzen direkt ins Tierschutzgesetz kommt, nicht nur als Ermächtigungsgrundlage. Das beste Gesetz hilft nicht, wenn es nicht umgesetzt wird.“

Auch wünscht sich Kari, dass das Tierschutzgesetz grundsätzlich alle Tiere betreffen sollte. Denn das Staatsziel Tierschutz, das im Grundgesetz steht, macht keine Unterschiede zwischen Schwein, Katze oder Fliege. Doch das Tierschutzgesetz macht sie. An vielen Stellen ist darin nur von Wirbeltieren die Rede. Etwa, wenn es darum geht, ab wann Jugendliche selbst eins kaufen dürfen. Als Beispiel für Tiere, die mit einer Änderung geschützt würden, nennt Kari hierbei die Riesenschnecken, die in den sozialen Medien immer mehr zum Trendtier werden. Leider werden sie aber auch oft falsch und tierschutzwidrig gehalten – und es würde nicht einmal unter Tierquälerei fallen!

Ziel des neuen Tierschutzgesetzes soll sein, nur noch mit gesunden Tieren zu züchten

Wenige Änderungen im Tierschutz haben bereits solche Wellen geschlagen wie ein mögliches „Dackelverbot“. Dies entkräftete die Bundestierschutzbeauftragte bereits im PETBOOK-Interview. Die Regelung sei keinesfalls mit einem Verbot bestimmter Hunderassen gleichzusetzen. „Das Qualzuchtverbot wird jetzt lediglich konkretisiert. Das Ziel soll sein, dass wirklich nur noch mit gesunden Tieren gezüchtet wird“, so Kari weiter. Dabei sei es tatsächlich erst einmal egal, ob es sich dabei um ein Haus- oder Nutztier handele, auch wenn dies bislang nur bei Haustieren umgesetzt wurde.

Allerdings gibt es bislang wenige Urteile darüber, welche Tiere als Qualzuchten einzustufen sind, wie es Paragraf 11b des bisherigen Tierschutzgesetzes besagt. Dort steht, dass wenn Tieren „erblich bedingt Körperteile oder Organe für den artgemäßen Gebrauch fehlen“ diese untauglich oder umgestaltet sind und dadurch „Schmerzen, Leiden oder Schäden auftreten“ dies der Qualzucht zuzuordnen ist. Entsprechend gibt es auch Urteile gegen die Zucht der Sphynx, wenn ihr die Tasthaare fehlen und gegen die Scottish Fold, die ihre Ohren nicht richtig benutzen kann.

Kari: »Amtstierarzt hat Grundlage des Rechts, nicht des Zuchtstandards

Ein weiteres Problem ist jedoch, dass einige Hunde- und Katzenrassen, die in Deutschland gar nicht anerkannt werden, auch Qualzuchtmerkmale tragen. Zum Beispiel die Munchkin-Katze, die in den sozialen Medien für Begeisterung sorgt. Allerdings gibt es für die Rasse mit den stark verkürzten Beinen hierzulande keinen anerkannten Standard. Also auch keine rechtliche Basis für ein Zuchtverbot, oder?

Ariane Kari sagt PETBOOK jedoch dazu: „Zu manchen Katzen würde ich sagen, dass sie schon Paragraf 11b erfüllen, da brauchen wir keine Standards zu setzen, weil sie schon jetzt darunterfallen.“ Das sei laut Kari ein Vollzugsdefizit, und wenn solche Fälle bekannt würden, sollten sie schon jetzt von den Veterinärämtern verboten werden. „Der Amtstierarzt muss nicht kontrollieren, ob die Zucht mit den Zuchtstandards übereinstimmt, sondern ob die Zucht mit dem Recht übereinstimmt.“ Auch seien die Zuchtstandards teilweise zu hinterfragen. „Es wäre schön, wenn sich die Verbände mehr bewegen würden, um gesunde Tiere in den Vordergrund zu stellen.“

„Wir können von heute auf morgen aufhören, Jagdhunde zu kupieren“

Zuletzt sorgte auch das gekippte Verbot des Kupierens von Jagdhunden für Entrüsten bei Tierschützern – Jäger jedoch begrüßten es (PETBOOK berichtete). Bei dieser Praktik wird Welpen innerhalb der ersten Tage ihres Lebens ein Teil bis die Hälfte der Rute abgenommen. Für Hunde in privater Hand streng verboten – auf der Jagd nach jetzigem Stand weiter erlaubt.

Ariane Kari sagt dazu gegenüber PETBOOK, dass sie die Paragrafen 5 und 6 des Tierschutzgesetzes, die sich damit beschäftigen, für komplett überarbeitungswürdig hält. „Wir sollten das umsetzen, was jetzt schon machbar ist, und bei Jagdhunden
können wir von heute auf morgen auf die Amputation verzichten. Wissenschaftlich
ist bewiesen, dass wir die Tiere nicht schützen müssen, indem wir ihre Rute
abschneiden, bevor sie auf die Jagd gehen.“

Zudem gebe es große Probleme in der Umsetzung, lässt Kari PETBOOK weiter wissen. In den ersten Lebenstagen sei noch gar nicht klar, ob der Hund jagdlich eingesetzt werde. „Es war auch mal angedacht, dies zu regeln, und ich hätte das sehr begrüßt. Ich plädiere immer noch dafür und werde nicht nachlassen.“ Zudem hätten andere Mitgliedsstaaten der EU Jagdhunde nie kupiert und seien uns weit voraus.

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Wo Kari noch Hoffnung auf Besserung im neuen Tierschutzgesetz sieht – und wo nicht

Auf die Frage hin, wo die Bundestierschutzbeauftragte nun im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren noch Hoffnung sieht, spricht sie neben der Abschaffung der Beschränkung auf Wirbeltiere auch über Nachbesserungen für Zirkustiere. Denn dort sei im Moment eine Ausnahmeregelung und Negativliste im Gespräch, also dass bestimmte Betriebe weiterhin mit Tieren Vorstellungen aufführen dürfen. Allerdings sieht Kari hier eine Chance, diese Verschlechterung noch zu ändern, da der Bundesrat ebenfalls so gestimmt habe.

Weniger optimistisch zeigte sich Kari, was Novellierungen zu Nutztieren anbelangt. Ihrer Ansicht nach gibt es dort den meisten Veränderungsbedarf, beispielsweise bei der Anbindehaltung von Rindern. Dass dies tierschutzwidrig ist, steht seit Jahren fest. Die ganzjährige Haltung soll abgeschafft werden, saisonal erstmal noch erlaubt sein. Bislang war eine Übergangsfrist von fünf Jahren vorgesehen, in denen größere Betriebe umrüsten müssen. Kleinbetriebe mit unter 50 Tieren sind von dieser Regelung jedoch ausgenommen.

Kari zeigt sich zwar froh, dass der Gesetzesentwurf nun zum ersten Mal überhaupt ein Verbot enthalte, die Regelungen seien jedoch keineswegs ausreichend. Auch hätten sie eine Verschlechterung erfahren. „Am Anfang war ja vorgesehen, dass Betriebsinhaber nach fünf Jahren verpflichtet sind. Das ist jetzt alles verwässert worden.“

Doch nicht nur dort gibt es laut der Tierärztin Nachholbedarf. In der gesamten landwirtschaftlichen Tierhaltung sieht Kari noch immer eine exzessive Anwendung von Ausnahmevorschriften, was Amputationen von Körperteilen anbelangt. Dies beginnt bei Schwänzen von Lämmern, dem Enthornen von Rindern ohne Betäubung und endet bei dem Kürzen von Putenschnäbeln. Die Arbeit der Bundestierschutzbeauftragten und ihr Kampf für mehr Tierrecht hat nach einem Jahr Amtszeit also scheinbar erst begonnen.

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