7. November 2024, 16:26 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Löwen oder Elefanten könnten im Zirkus bald der Vergangenheit angehören. Ein neues Rechtsgutachten zeigt, dass ein Verbot von Wildtieren rechtlich möglich ist. Tierschützer fordern daher Nachbesserungen im Tierschutzgesetz und finden in der Politik bereits Gehör.
Viele Länder der EU haben Wildtiere im Zirkus bereits verboten. In Deutschland hingegen ist dies noch völlig normal. Tiger und Löwen springen durch Reifen, Elefanten laufen Kreise in der Manege. Laut der europäischen Tierschutzorganisation Eurogroup for Animals gab es im Jahr 2021 in Deutschland geschätzt 75 Zirkusbetriebe mit Wildtieren. Damit sei Deutschland das Land mit den meisten Wildtierzirkussen in der gesamten EU. Doch damit könnte bald Schluss sein.
Laut einem neuen Rechtsgutachten von sechs Tier- und Artenschutzorganisationen sei ein generelles Wildtierverbot in Zirkussen rechtlich umsetzbar. Das Gutachten wurde gestern im Rahmen eines parlamentarischen Abends vor Vertretern von Bund und Ländern vorgestellt, wie der Deutsche Tierschutzbund am 6. November in einer Pressemitteilung verkündete.
Verbot als Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung?
Aber warum hat Deutschland hier so eine Sonderstellung? Ein Argument in der bisherigen Gesetzgebung ist, dass ein Verbot von Wildtieren im Zirkus ein Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung der Zirkusbetreiber sei. Dies sollte das Rechtsgutachten überprüfen.
Die Frage lautete unter anderem: Ist die Aufnahme eines absoluten Wildtierhaltungsverbots für Zirkusse in das deutsche Tierschutzgesetz rechtmäßig? Die Juristen kamen hierbei zu einer eindeutigen Antwort: Ja, das ist sie.
Verbot gilt bisher nur für „neu angeschaffte“ Wildtiere im Zirkus
Aber sieht das neue Tierschutzgesetz nicht bereits ein Verbot von Wildtieren im Zirkus vor? Im aktuellen Entwurf, der bereits in den nächsten Wochen vom Parlament beschlossen werden soll, heißt es zu §11, Absatz 4: „Es ist verboten, Elefanten, Flusspferde, Giraffen, Großbären, Großkatzen, Nashörner, Primaten sowie Robben an wechselnden Orten zu halten oder zur Schau zu stellen.“
Doch diese bisher für die Novellierung des Tierschutzgesetzes geplanten Maßnahmen greifen zu kurz, wie Lea Schmitz von der Leitung Pressestelle des Deutschen Tierschutzbundes auf Nachfrage von PETBOOK erklärt. Das Verbot für die genannten Arten solle nur für Neuanschaffungen gelten.
„Die Tiere, die jetzt im Zirkus leben, dürfen unbegrenzt weiter mitgeführt werden – für sie gilt ein unbefristeter Bestandsschutz“, führt Schmitz aus. „Die bereits derzeit im Zirkus befindlichen Tiere müssen also ihr restliches Leben unter unzureichenden Bedingungen im reisenden Betrieb fristen. Hier wäre eine Übergangsfrist von wenigen Jahren vorzusehen, um den Haltern Zeit zu geben, die Tiere in bessere Haltungen abzugeben oder selbst für diese zu sorgen.“
Ausnahmen wohl vor allem auf Circus Krone zurückzuführen
Aus Tierschutzsicht sei der Passus im Entwurf für das neue Tierschutzgesetz ungenügend. „Die Ausnahmen sind so weitreichend, dass die Regelungen in der Praxis zu keiner Änderung führen werden“, sagt Schmitz. Sie spricht in dem Zusammenhang von einer „Lex Krone“, da diese Ausnahmen wohl vor allem auf den Circus Krone zurückzuführen seien.
Dieser steht wegen seiner vielen Wildtiere immer wieder im Fokus der Tierschützer. So protestiert die Tierrechtsorganisation Peta regelmäßig vor Aufführungen und hält Mahnwachen vor den Zelten. So auch am 23. Oktober, als der Zirkus in der Freiheitshalle Hof, Bayern gastierte, wie unter anderem der Fernsehsender tvo berichtete.
Für Peta steht der Circus Krone an der Spitze einer tierquälerischen Form der Unterhaltung. Der Zirkus selbst entgegnet, dass die Tiere gut versorgt würden und gesund seien. Der Krone-Direktor versicherte der regionalen Tageszeitung „OVB Heimatzeitung“ gegenüber, dass seine Tiere medizinisch gut betreut würden: „Wir waren sogar im Landkreis Dingolfing-Landau beim Amtstierarzt und haben grünes Licht bekommen.“ Doch darum geht es nicht. Tiere wie Löwen und Tiger könnten in einem reisenden Betrieb niemals artgerecht gehalten werden, so die Vorwürfe der Tierschützer.
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Wahrscheinlichkeit, dass Wildtiere im Zirkus artgerecht gehalten werden, geht gegen null
Zu diesem Schluss kommt auch das neue Rechtsgutachten. Es wurde von der amerikanischen Anwaltskanzlei Morgan, Lewis & Bockius LLP erstellt und liegt der Redaktion vor. „Der Transport, die Zurschaustellung und Dressur von Zirkustieren stehen einer artgerechten Haltung von Wildtieren auf systemimmanenter Weise entgegen“, heißt es darin. Die Wahrscheinlichkeit, dass für einzelne Wildtierarten nachgewiesen werden könne, dass sie in Zirkussen artgerecht gehalten und zur Schau gestellt werden könnten, tendiere gegen null. Dies basiere auf der mittlerweile überwiegenden Expertenmeinung.
Zwar sei ein Verbot von Wildtieren im Zirkus durchaus ein Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit von Zirkusbetreibern. Dieser wäre aber aufgrund überwiegender Tierschutz-, Tierwohl-, Artenschutz- und Biodiversitätsgesichtspunkte gerechtfertigt, heißt es.
„Das vorgelegte Rechtsgutachten zeigt auf, dass ein Wildtierverbot rechtlich möglich und aus Tierschutzsicht geboten ist“, fasst Lea Schmitz zusammen. Etwaige Unsicherheiten seien aus Sicht der Tierschützer damit entkräftet. Sie hoffen, dass dies in den weiteren Verhandlungen und Beratungen der Politiker aufgegriffen werde und Nachbesserungen erfolgen. „Einige Politikerinnen haben hierzu bereits den Nachholbedarf erkannt, was wir sehr begrüßen“, freut sich Schmitz. Wildtiere wie Löwen und Tiger könnten also tatsächlich im Zirkus bald verboten sein.