10. Januar 2024, 15:14 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Heutzutage werden immer mehr althergebrachte sprachliche Ausdrücke neu formuliert oder überdacht. Hieß es zum Beispiel jahrzehntelang, man solle „seinen Arzt oder Apotheker fragen“ wird sich nun in vielen Bereichen um inklusiveren Sprachgebrauch bemüht. Aber was ist mit Tieren, die sich wahrscheinlich wenig darum scheren, von Menschen für Ausdrücke wie „dumme Kuh“ genutzt zu werden? Müssen wir auch noch unsere Redewendungen mit Tieren anpassen? Sprach- und Kulturwissenschaftlerin Louisa Stoeffler gibt für PETBOOK einen Überblick.
Mit Redewendungen und sprachlichen Bildern (Metaphern) können Menschen komplexe Begriffe leicht ausdrücken. Dazu werden häufig sprachliche Wendungen erzeugt, die einen tiefen Eindruck im Kopf von Menschen hinterlassen. Sie können sie damit positiv oder negativ beeinflussen. Spricht man von einem „sturen Esel“ wird das Tier klar abgewertet und erhält keinen besonders guten Ruf. Wohingegen „Schmusekätzchen“ oder „Schoßhündchen“ positiv und niedlich wirkt. Doch auch diese auf den ersten Blick positiven Bilder prägen unsere Wahrnehmung, machen Haustiere zu Objekten anstatt fühlenden Lebewesen. Für viele Tierschützer sind Redewendungen und Metaphern daher ein Ausdruck des sogenannten Speziesismus unserer Sprache und zudem diskriminierend.
Beispiel für Speziesismus: Warum sollen Affen denn dumm sein?
Ein greifbares Beispiel: Menschen, die sich dumm verhalten, werden häufig als Affen bezeichnet. Dies ist nicht nur für den Angesprochenen eine Beleidigung, sondern wertet auch das Tier in der Wahrnehmung von Sprecher und Rezipienten ab. Denn obwohl Affen eigentlich sehr schlaue Tiere sind, die auch Werkzeuggebrauch gemeistert haben und komplexe Sozialstrukturen haben, gelten sie sprichwörtlich als ziemlich dämlich.
Dieses Phänomen nennt sich auch – in Anlehnung an Sexismus und Rassismus – Speziesismus. Denn im Grunde genommen ist es nichts anderes. Tiere werden aufgrund von menschlicher Wahrnehmung oder Meinung beleidigt, abgewertet oder kategorisiert. In den meisten Fällen wird es den Tieren egal sein, da sie unsere Sprachen nicht verstehen. Die Konsequenzen für ihr Leben, die Menschen durch Speziesismus und Eingriffe in die Evolution auslösen, kriegen Tiere jedoch jeden Tag sehr deutlich zu spüren.
Geprägt wurde er in den 1970er-Jahren vom englischen Psychologen Richard Ryder, der den Begriff als Überzeugung definierte, dass der Mensch von Natur aus besser sei als andere Arten. Folglich habe er auch Rechte und Privilegien, die andere fühlende Wesen nicht besäßen. Diskriminierung anderer Arten sei also in Ordnung, denn der Mensch sei ja die Krone der Schöpfung. „Macht euch die Erde untertan“, heißt es ja auch in der Bibel und legitimiert für viele den Speziesismus.
Was soll eigentlich Ökolinguistik?
Ökolinguistik – was soll das denn nun schon wieder sein? Das fragen sich sicherlich einige. Tatsächlich ist Ökolinguistik ein erweiterter Aspekt der Psycho- und Soziolinguistik und beschäftigt sich mit Speziesismus in der Sprache. Unter anderem wird untersucht, welche Veränderungen Sprache in unseren Gehirnstrukturen oder im sozialen Kontext hinterlässt. Sie wenden sich unter anderem gegen Sexismus und Rassismus im Sprachgebrauch, denn Diskriminierung von Menschen ist auch laut Deutschen Grundgesetz verboten. Warum also sollte sie bei Tieren in Ordnung sein?
Damit wären wir wieder bei der aktuellen Debatte über Sprachgebrauch angekommen, der niemanden diskriminieren soll. Auch nicht die Umwelt oder Tiere. Mit der Zeit sind viele sprachliche Bilder entstanden, wie zum Beispiel die sprichwörtliche „Katze im Sack“ zu kaufen. Mit dieser Redewendung möchte man ausdrücken, dass man einen Gegenstand erworben hat, der sich am Ende als etwas anderes herausstellt, als man dachte. Wenn man sich jedoch überlegt, was es wirklich bedeuten würde, sein geliebtes Haustier in einen dunklen Sack zu stecken, dann graust es viele Katzenhalter.
Wendungen wie diese werden in der Ökolinguistik eingehend untersucht. In diesem Zweig der Sprachwissenschaft versuchen sich Wissenschaftler vor Augen zu führen, welchen Einfluss Sprache auf die Wahrnehmung von Umwelt und Organismen hat. Doch allein der Begriff „Öko“ führt bei einigen auch wieder dazu, dass nur noch die Augen gerollt werden.
Wer hat eigentlich beschlossen, dass der Mensch mehr wert ist als das Tier?
Dass die Menschheit mit dieser Einstellung und dem Raubbau an der Natur jedoch nicht weiter kommt, zeigen verschiedene Probleme der heutigen Zeit. Ganze Arten werden ausgerottet, um Platz für den Menschen zu machen, genetisch verändert, um ihn zu ernähren, oder um als Haustiere niedlich aussehen. Tierarten, die der Mensch nicht leiden kann, gelten als wenig schützenswert.
Dies merkt man schon an der wiedererwachten Debatte um Wolfsvorkommen in Deutschland. Tierschützer freuen sich, dass er wieder da ist und das Ökosystem Wald reguliert. Aber nur solange, wie er Landwirten nicht in die Quere kommt. Management und gezielte Abschüsse sind wieder im Gespräch. Ist also nur Platz für kontrollierte, einfache Natur auf dem Planeten des Menschen?
Wenn der Mensch wirklich intelligenter oder moralischer handeln kann und somit den Tieren überlegen ist, warum ist ein Schwein als Steak auf dem Teller dann lecker, ein Hund dagegen niedlich? Warum findet man Suchanfragen für „Fischotter als Haustier halten“, aber auch „Ohrenkneifer ausrotten“?
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„Vegane Calzone“ soll „Katze im Sack“ ersetzen
Bleiben wir mal beim Beispiel des Ohrenkneifers. Bei diesem Tier löst schon allein das Wort ein sprachliches Bild im Kopf aus. Manche haben Angst, dass die Tiere ihnen aufgrund des Namens in die Ohren kriechen oder beißen. Für wieder andere hat dieses Tier daher keinen Nutzen, was allerdings überhaupt nicht stimmt. Denn der Ohrenkneifer ist ein wahrer Nützling in Ökosystemen, der sich in heimischen Gärten von Blattläusen ernährt. Im Mittelalter glaubte man übrigens, dass er zu Pulver zerstoßen als Behandlung von Ohrenschmerzen wirksam sei. Daher auch der Name, der eindrucksvoll die Auswirkungen von Sprache und Speziesismus zeigt.
Die Tierrechtsorganisation Peta versucht deswegen bereits 2021 einige Redewendungen in vegane und tierfreundliche Optionen umzumünzen. Zum Beispiel solle man nun nicht mehr sagen, man habe mit jemandem „ein Hühnchen zu rupfen“. Stattdessen solle man eher verkünden, man habe mit jemandem eine Rechnung offen, oder habe „Weinblätter zu rollen“.
Denn die Redewendung „ein Hühnchen rupfen“ bezieht sich auf ein länger dauerndes Streitgespräch, welches man in einer landwirtschaftlich geprägten Umgebung machen kann, während man ein Huhn seiner Federn beraubt. Allerdings stößt Peta damit auf Kritik und erntet Häme. Besonders für ihre Alternative „die vegane Calzone aufschneiden“ für die verbreitete Redewendung „die Katze im Sack kaufen“, hat die Organisation bereits viel negative Berichterstattung bekommen.
Noch mehr Vorschriften, was man wie zu sagen hat?
Ganz gleich, was man von dem Vorstoß von Peta hält, ist es doch wichtig, sich vor Augen zu führen, was manche Redewendungen und Sprichwörter wirklich ausdrücken. Im Englischen existiert zum Beispiel die Wendung „to beat a dead horse“ also ein bereits totes Pferd noch weiter zu schlagen. Dies soll sinnbildlich für etwas stehen, das überflüssig ist.
Es vermittelt aber auch den Eindruck, dass es in Ordnung sei, ein lebendes Pferd zu schlagen. Dass dies jedoch nicht der Fall ist, ist vielen spätestens nach den Olympischen Spielen 2021 bekannt, als eine deutsche Reiterin weinend auf ihrem bockenden Pferd saß und ihre Trainerin sie aufforderte, dem Tier kräftig eins mitzugeben.
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Mein Fazit zu Speziesismus
Tatsächlich ist es nicht leicht, Redewendungen zu überdenken, bevor man sie ausspricht. Denn die Ausdrücke haben einen festen Stand in der menschlichen Kommunikation und lassen sich nur mit Mühe umdenken. Bei vielen führt dies dazu, dass sie es gar nicht erst versuchen wollen und weiter so reden „wie ihnen der Schnabel gewachsen ist“. Übrigens wieder ein Beispiel für eine Wertung von Tieren, die laut Redewendung viel quatschen, ohne sich der Wirkung bewusst zu sein.
Ich persönlich bin keine Sprachpuristin und denke, mit Verboten kommt man nicht weiter, sondern sorgt damit nur für Frust. Allerdings finde ich es gut, sich wirklich bewusst zu machen, was Sprache für Auswirkungen haben kann und was wir noch immer unbewusst von uns geben. Ob sich „vegane Calzone aufschneiden“ als Metapher für eine handfeste Überraschung durchsetzen kann, bezweifle ich stark. Dafür ist der Mensch zu sehr „Gewohnheitstier“ und lehnt Veränderungen ab.
Jedoch finde ich es wichtig, sich vor Augen zu führen, was man gerade gesagt oder geschrieben hat. Ich werde in Zukunft versuchen, Aussagen wie die oben beschriebenen zumindest bewusster zu sehen. Denn das gesamte Konzept, eine Katze in einen Sack zu stecken und sie dann jemandem zu verkaufen, sollte einem zumindest zu denken geben. Beginnt man einmal damit, findet man noch viele andere Wendungen, die auf Tierleid oder Abwertung anderer Lebewesen basieren und für die es andere Ausdrücke gibt. Denn das Schöne an Sprache ist doch, dass sie sich stets weiterentwickelt. Wenn sie dann ein neutraleres Bild unserer tierischen Mitbewohner auf der Erde widerspiegelt, kann das langfristig nur positive Folgen haben.