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Naturschutz

Sterben wirklich so viele Vögel durch Windräder?

Windräder bei Sonnenuntergang mit Vögeln
Windräder gelten als umweltfreundlich, aber wie sieht es mit dem Naturschutz aus? Sterben wirklich so viele Vögel, wie immer behauptet wird? Foto: picture alliance/dpa | Julian Stratenschulte
Porträt Manuela Bauer
Freie Autorin

18. Oktober 2023, 6:23 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten

Immer wieder gibt es Meldungen, dass es zu erheblichen Verlusten in der Vogelwelt kommt, wenn Tiere in die riesigen Rotorblätter von Windrädern geraten. Ein Dilemma für Umwelt- und Naturschützer. Ist der Vogelschlag durch Windräder wirklich so schlimm? PETBOOK hat nachgeforscht.

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Windparks gelten als eine der regenerativen Energiequellen der Zukunft. Doch neben dem Umweltschutz hat auch der Artenschutz seine Berechtigung. So klagt der Deutsche Naturschutzbund NABU regelmäßig gegen Bauvorhaben von neuen Windkraftanlagen. Denn diese berücksichtigen bei der Auswahl ihrer Standorte oft den Artenschutz nicht. Immer wieder kommt es zu herben Verlusten, wenn Vögel in die Rotorblätter von Windrädern geraten.

In den USA wurde A das Unternehmen ESI Energy zu einem Bußgeld von 8 Millionen Dollar verurteilt: In den drei Windparkanlagen der Firma wurden in den letzten zehn Jahren 150 Stein- und Weißkopfseeadler getötet. Die Firma hatte trotz Aufforderung der Bundesbehörden keine präventiven Maßnahmen zum Schutz der Tiere ergriffen.

Darum sehen Naturschützer Windkraftanlagen kritisch

Der Ausbau von Windkraftanlagen wird in Deutschland massiv vorangetrieben. Dabei werden bisher geltende Regelungen, etwa die Abstandskriterien zu Brutplätzen, in einer neu beschlossenen EU-Dringlichkeitsverordnung reduziert. Zudem soll diese in nationales Recht umgesetzt werden. Dadurch entfällt (zunächst befristet) die Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung und artenschutzrechtlichen Prüfung auf Genehmigungsebene für Windkraft- und Leitungsinfrastrukturvorhaben.

Naturschützer befürchten dadurch noch höhere Verluste, wenn Vögel in die Windräder geraten. Vor allem geschützte Greifvogelarten wie der Milan sind gefährdet. Es trifft aber auch viele andere Vögel.

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Welche Vögel sind von den Windrädern besonders betroffen?

Ausschlaggebend ist der Standort der Windkraftanlage. Laut Dr. Hermann Hötker vom Michael-Otto-Institut gehören Windräder nicht an Gewässer oder in den Wald, denn hier kommt es laut Studien zu den meisten Unfällen mit Vögeln (und auch mit Fledermäusen). Besonders gefährdet durch Windräder sind, laut Studien, Greifvögel wie der Rotmilan oder der Mäusebussard aber auch Seevögel, wie der Seeadler und die Möwe. Allein in Brandenburg zählt man im Durchschnitt mehr als 300 getötete Rotmilane pro Jahr.

Viele Vögel verlassen wegen der Windräder auch ihre Brutplätze, und auch rastende Vögel reagieren empfindlich. Mit konkreten Zahlen muss man vorsichtig sein. Der NABU schätzt, dass pro Jahr 100.000 Vögel durch Windkraftanlagen zu Tode kommen (in etwa so viele Vögel verenden bei Kollisionen mit Glasscheiben an Gebäuden). Solche Zahlen hält aber das Bundesamt für Naturschutz (BFN) für unzuverlässig, da es keine systematischen Zählungen gibt. Zudem werden nur die gefundenen Tiere dokumentiert (viele wurden bereits von Raubtieren entfernt). Und die Zahlen fußen nur auf den gemeldeten Fällen.

Nicht alle Vogelarten sind gleichermaßen durch Windräder gefährdet. So wird eine Kohlmeise, die eine niedrige Flughöhe hat, nicht tot unter einem Windrad zu finden sein, während der Rotmilan wiederum kaum gegen Glasscheiben fliegt. Deshalb wäre ein regelmäßiges Monitoring der von Windkraft betroffenen Vogelarten wichtig.

Wie kann man Windkraft für Vögel ungefährlicher machen?

Ein ausschlaggebender Punkt bei der Planung ist die Wahl des Standorts. Grundlage können etwa die Flugbahnen bestimmter Vogelarten sein. So weiß man, dass sich der Rotmilan nicht weiter als 1,5 Kilometer von seinem Horst entfernt.

Hält man beim Bau des Windrades diesen Mindestabstand, senkt man auch das Risiko. Nach Ansicht des Bundesamtes für Naturschutz sollten folgende Gebiete von Windrädern freigehalten werden:

  • Zugkorridore (zwischen Brut- und Nahrungsplätzen und zwischen Winter- und Sommerquartier)
  • Flusstäler und Wiesen, die Nahrungs- und Bruthabitate für Wiesenbrüter sind
  • Schutzzonen um bekannte Vogelhorste
  • Wälder mit altem Baumbestand
  • Schutzgebiete wie Natura-2000-Gebiete, Naturschutzgebiete, Nationalparke, Nationale Naturmonumente, Kern- und Pflegezonen von Biosphärenreservaten
  • gesetzlich geschützte Biotope

Wichtig ist, dass bei der Planung neuer Windräder Artenschutzrichtlinien eingehalten werden, um das Risiko von Kollisionen zu minimieren. Auch bauliche Vorkehrungen (Vermeidung von Gittermasten, Drahtseilen und oberirdischen elektrischen Leitungen) können die Verluste reduzieren. So sollten die Windräder im Windpark nicht quer aufgereiht zu den Hauptflugrichtungen von Zugvögeln stehen.

Auch das zeitweise Abschalten der Windräder, etwa wenn Zugvögel kreuzen oder deren Brutzeit ist, kann die Todeszahlen von Vögeln merklich reduzieren. So einigte sich der NABU kürzlich in einem Rechtsstreit mit dem Betreiber einer Windkraftanlage, dass diese zur Brutzeit des Rotmilans zeitweise abgestellt werden, wie der „WDR“ berichtete.

Mit solch einfachen und praktikablen Lösungen wäre der Vogelwelt schon enorm geholfen.

Lernen Vögel Windrädern auszuweichen?

„Jein“ lautet das Ergebnis einer Studie aus Dänemark. Forscher untersuchten das Flugverhalten von hunderten von Kranichen und ca. 30 000 Kurzschnabelgänsen im Onshore-Windpark „Klim Wind Farm“ in Nordjütland. Die Gänse würden die Windräder größtenteils umfliegen oder, wenn nicht, dann oberhalb der Gefahrenzone fliegen. Dennoch kam es in einer Modell-Rechnung zu 500 bis 600 toten Gänsen. Dies sei aber im Blick auf die Gesamtpopulation tolerierbar, meint das Institut für Biowissenschaften der Universität Aarthus.

Im Rahmen der niederländischen Black-Blade-Studie testet der deutsche Energiekonzern RWE zudem die Lackierung einzelner Rotorblätter in Schwarz. Können Vögel die schnell drehenden Rotorblätter so besser als Hindernis erkennen und umfliegen? Auf die Ergebnisse darf man gespannt sein.

Übrigens: Auch ca. 250.000 Fledermäuse geraten jährlich in die tödlichen Rotorblätter. Zudem sechs Milliarden Bienen, Wespen, Zikaden und Käfer. Laut NABU hat dies aber keinen Einfluss auf die Ernährung von Vögeln, die pro Jahr 400.000 Tonnen Insekten verspeisen.

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Quellen

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