8. April 2024, 14:35 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Straßenhunden und -katzen begegnet man in südostasiatischen Ländern zuhauf. Was viele Urlauber einfach hinnehmen, berührte das Herz von PETBOOK-Autorin Julia Mähl. Statt ihren Urlaub auf der thailändischen Insel Koh Phangan am Strand zu verbringen, entschied sie sich, die Tierhilfe für Streuner zu unterstützen – und hat dies nie bereut. Im Folgenden berichtet sie, wie sie in Thailand den ehrenamtlichen Tierschutz für sich entdeckte.
Mein Herz schlägt für Hunde – kein Wunder also, dass es mir jedes Mal bricht, wenn ich sehe, dass es einem von ihnen nicht gut geht. Eine Reise nach Südostasien ist dementsprechend nicht unbedingt die leichteste Kost. Schätzungen von Mitarbeitern aus dem Tierschutz zufolge leben allein in Thailand zwischen 700.000 und einer Million Hunde auf der Straße. Sie alle haben kein Zuhause und werden zu oft mehr schlecht als recht behandelt.
Doch was kann man dagegen tun? Das ist eine Frage, die ich mir oft gestellt habe. Schließlich kann man nicht einfach alle Tiere adoptieren, mit denen man Mitleid hat. Sogar bei nur einem Hund ist es schon schwierig genug. Doch nach meinem sechswöchigen Aufenthalt auf der thailändischen Insel Koh Phangan habe ich eine Antwort.
Vor 20 Jahren gab es keine tiermedizinische Versorgung auf der Insel
Es ist kurz vor 8.30 Uhr morgens. Während die Insel, auf der wegen der Hauptsaison normalerweise viel los ist, noch recht verschlafen wirkt, herrscht auf dem Gelände im auf dem Gelände der Organisation „Phangan Animal Care for Strays“ (PACS) schon Hochbetrieb.
Es wird gebellt, gerannt und aufgeregt geschnüffelt, als ich das eiserne Tor öffne und mich, vorbei an einigen nassen Nasen, hineinschiebe. Milo, Panda, Pupita, Bones, Maki … mittlerweile kenne ich fast alle Namen. Es ist immerhin nicht der erste Morgen, den ich hier bei der Tierhilfe für Streuner verbringe.
Die Organisation gibt es seit mehr als zwanzig Jahren. Sie wurde zu einer Zeit gegründet, in der es keine tiermedizinische Versorgung auf der Insel gab – weder für Haus- noch Straßentiere. Wer einem verletzten Hund oder einer kranken Katze helfen wollte, musste per Schnellboot oder Fähre auf die Nachbarinsel Koh Samui übersetzen. Die damit verbundenen Kosten und der Aufwand waren vor allem für viele Einheimische extrem hoch.
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Auf den Straßen Koh Pangans wimmelt es von streunenden Hunden und Katzen
Weil sich niemand um wichtige Maßnahmen wie die Sterilisation der Tiere kümmerte, lebten enorm viele streunende Katzen und Hunde auf den Straßen Koh Phangans. Die damals vorrangige Methode zur Eindämmung der Population: die staatlich genehmigte Tötung der Tiere.
PACS wirkt dem bis heute entgegen, bietet gegen Spenden die Behandlung, Impfung und Sterilisation von Streunern und Haustieren an. Heutzutage, wo es auf der Insel mehrere Kliniken für Haustiere gibt, ist die Mission von PACS deutlich klarer: Mithilfe von Spenden und der Unterstützung von Ehrenamtlichen soll das Leiden streunender und wilder Hunde und Katzen auf Koh Phangan verringert werden.
Füttern, streicheln, Gassi gehen: Meine Schicht bei PACS
Wer wie ich als Freiwillige helfen möchte, hält sich an einen klaren Plan. Um 8.30 Uhr geht die erste Schicht los, dann wird gefüttert. Schließlich knurren zu dieser Zeit bereits die Mägen von etwa 20 Hunden und Katzen. Futter gibt es immer zweimal am Tag, morgens mit der Früh- und nachmittags mit der Spätschicht.
Auf einem langen Holztisch stelle ich die Schüsseln auf, in jede kommt ein Becher voll Trocken- und ein guter Löffel Nassfutter. Die Hunde, die sonst die meiste Zeit frei auf dem Gelände unterwegs sind, stecken wir für diese Zeit in Käfige – zu groß ist die Streit-Gefahr. Denn auch wenn die meisten sich gut verstehen: Beim Essen hört die Freundschaft auf.
Für die Gassi-Runden geht es ein-, zweimal um einen großen, staubigen Platz herum
Sind alle versorgt, folgen die Gassi-Runden, dafür geht es ein-, zweimal um einen großen, staubigen Platz herum. Abwechslungsreich ist die Strecke nicht, aber die Bewegung für die Hunde ist wichtig und auch wenn sie die Strecke bereits in- und auswendig kennen, gibt es doch jedes Mal etwas Neues zu erschnüffeln.
Wir gehen oft im Zweierpack los und werden dazu noch begleitet von Max, Colin oder Lucy, drei Hunden, die direkt vor den Toren von PACS leben und von den Freiwilligen mitversorgt werden. Sie haben sich längst an die regelmäßigen Fütterungen und Streicheleinheiten gewöhnt und genießen trotzdem ihre Freiheit – man könnte sagen, sie leben „the best of both worlds“.
Adoption steht im Tierschutz in Thailand nicht im Vordergrund
Anders, als man vielleicht im ersten Moment denkt, ist es nicht die Adoption, die für PACS im Vordergrund steht. Tatsächlich werden die Hunde und Katzen nur dann an neue Besitzer vermittelt, wenn sie als gefährdet gelten – zum Beispiel, weil sie zu schwach sind, ein Bein verloren haben oder schon als Baby in die Obhut der Organisation kamen und nicht wissen, wie sie sich „in freier Wildbahn“ verhalten sollen.
Klappt das nicht oder stehen die Chancen auf Adoption schlecht, wird aus einem temporären Zuhause manchmal auch ein dauerhaftes. So zum Beispiel für MooMoo: Dass er einmal ein hübscher Hund gewesen ist, lässt sich kaum noch erahnen. Durch eine Hautkrankheit verlor er sehr viel Fell, nur noch an einzelnen Stellen wachsen ihm Haarbüschel.
Die Chancen, dass sich jemand für den alternden, etwas verschrobenen Hund interessieren könnte, gehen gegen null. Trotzdem hat Moomoo Glück, schließlich ist er bei PACS gelandet. Hier bekommt er Futter, wird zweimal die Woche – wenn auch widerwillig – mit einem speziellen Shampoo gegen seine Krankheit gewaschen, und lässt sich, wenn er Lust hat, auch mal streicheln.
Ohne Freiwillige läuft im Tierschutz Thailands nichts
Dass es PACS gibt und sie ihre Arbeit machen können, liegt in erster Linie an den Freiwilligen. Die Tierärzte und Tierarzthelfer, von denen pro Schicht zwei anwesend sind, arbeiten ehrenamtlich. Dasselbe gilt für die anderen, die sich, wie ich, um die Pflege und Versorgung der Tiere kümmern. Dass man hier für jede Hilfe dankbar ist, wird schnell deutlich – aber auch, wie dringend man gebraucht wird.
Denn allein in den sechs Wochen, in denen ich ein- bis zweimal die Woche komme und aushelfe, habe ich einige Helfer und Helferinnen kommen und gehen sehen. Kein Wunder: Nur die wenigsten bleiben lange hier. Zum einen weiß nicht jeder, dass es PACS gibt. Zum anderen ist es für die meisten keine Selbstverständlichkeit, dass man im Urlaub ehrenamtlich Käfige putzt und Hunde bürstet.
Die guten und die schlechten Seiten vom Tierschutz in Thailand
Natürlich hätte ich meine Zeit in Thailand, statt im Tierschutz, deutlich entspannter verbringen können. Aber: Ich kann die Mithilfe bei PACS jedem empfehlen, der nach Kho Phangan kommt und Hunde liebt. Oder Katzen. Oder beides. Der Job ist nicht glamourös, wie eine Kollegin bei PACS es ausdrückte: Ich habe Käfige geputzt, Häufchen eingesammelt, war von oben bis unten mit Staub und einigen anderen Dingen bedeckt, über die man eher nicht reden möchte.
Ich habe zweimal erlebt, wie Tiere eingeschläfert werden mussten, weil ihre Verletzungen zu groß waren, hatte stundenlang eine kleine Katze mit starken Verbrennungen auf dem Arm, die nur kurz nach meiner Abreise über Nacht verstarb. Das ist nicht schön – aber es passiert. Und vielleicht braucht es ein dickes Fell, um damit umgehen zu können.
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Ich habe endlich das Gefühl gehabt, was zurückgeben zu können
Doch auf der anderen Seite hat mir diese Zeit auch viel mehr gegeben als ich mir vorgestellt hätte. Ich habe gestreichelt, gekuschelt, neue (vierbeinige) Freunde gefunden und vor allem das Gefühl gehabt, endlich etwas zurückgeben zu dürfen.
Ich kann es jedem ans Herz legen, bei PACS vorbeizuschauen oder sich über ähnliche Angebote in anderen Gegenden zu informieren. Sei es, um zu spenden, Gassi zu gehen, mitzuhelfen. Oder auch einfach nur, um sich ein Bild von der Organisation zu machen und hinzusehen. Denn zu helfen, ist viel leichter als gedacht – und fühlt sich einfach richtig an.