15. November 2024, 6:38 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Wer mit dem Gedanken spielt, sich einen Hund anzuschaffen, wird sie sicherlich schon bemerkt haben: zahlreiche Inserate stammen aus dem Ausland. Doch wie nachhaltig ist es, Tiere aus Ländern wie Kroatien, Rumänien, Polen oder der Mittelmeerregion nach Deutschland zu vermitteln? PETBOOK hat bei zwei Expertinnen nachgefragt, denn das Thema sorgt selbst unter Tierschützern für viel Diskurs.
Wer früher einen Hund wollte, ging zum Züchter. Heute heißt die Devise „Adoptieren statt produzieren“. Dabei werden auffällig viele Tiere aus dem Ausland vermittelt. Auch mein Hund Rudi wurde als junger Hund aus einem der Tierheime in Kroatien befreit und zu mir nach Deutschland vermittelt. Eigentlich sollte er nur als Pflegehund bleiben, bis ich eine andere Familie für ihr gefunden hätte. Heute, zwölf Jahre später, sitzt er immer noch neben mir zu meinen Füßen, während ich diesen Text hier tippe.
Situation hat sich seit Jahren kaum verändert
Für Rudi hat die Vermittlung sein Leben von Grund auf verändert. Er wurde auf der Straße geboren und hatte während der ersten Monate niemanden. Bis er schließlich in ein überfülltes kroatisches Tierheim mit dürftigen Hygienebedingungen kam. Was für einen Unterschied macht seine Adoption aber insgesamt für das Problem der zahlreichen Straßenhunde in Kroatien? Die Frage stelle ich mir häufig, wenn ich im Internet in den sozialen Netzwerken Hunde aus dem Ausland sehe, die zur Vermittlung stehen. Zahlreiche Inserate stammen von Tieren aus Kroatien, Rumänien, Polen oder der Mittelmeerregion. Heute ist die Situation nicht großartig anders als damals vor zwölf Jahren, als ich Rudi bei mir aufnahm.
Da mag bei dem einen oder anderen der Eindruck entstehen, dass ein solcher Tierschutz nicht sonderlich nachhaltig ist. Ist das wirklich so? Wir haben die Tierschützerinnen PETA-Mitarbeiterin Jana Hoger und Heike Weber, Leiterin Tierschutz bei Tasso, gefragt.
Warum es wichtig ist, Tiere aus dem Ausland zu vermitteln
„Es ist wichtig, dass wir uns als Tierschützer nicht nur auf unsere Länder beschränken, eben weil das Tierleid in anderen Ländern teilweise noch viel schlimmer ist“, sagt PETA-Mitarbeiterin Jana Hoger. Sie unterstützt die Arbeit der PETA-Kampagne „PETA helps Romania“, die sich für die Situation der Straßenhunde in Rumänien einsetzt und kennt daher die Situation der Tiere im Ausland. Oft leiden Tiere heute immer noch mehr als hierzulande – selbst in der EU gelten noch immer nicht überall dieselben Regeln.
Spanien hat etwa letztes Jahr ein neues Tierschutzgesetz verabschiedet. Was davon aber ausgenommen ist, sind Jagdhunde. „Die Galgos werden nach wie vor ausgesetzt und so umgebracht“, sagt Jana Hoger. In Rumänien gilt für Straßenhunde immer noch das „Tötungsgesetz“. Das heißt, dass streunende Hunde eingefangen und getötet werden. Eigentlich sollen die Tiere in eine Tötungsstation gebracht werden und dort erst medizinisch versorgt und eingeschläfert werden. Die Hunde werden aber, so die PETA-Mitarbeiterin, oft nicht wie vereinbart eingeschläfert, sondern auf andere, leidvolle Art getötet. Deswegen sei es nach wie vor wichtig, Tierschutz nicht auf das Inland zu beschränken und auch Tiere aus dem Ausland zu vermitteln.
Vermitteln allein ist nicht nachhaltig
„Es ist wichtig, dass der Tierschutz nicht nur den Hunden in den Tötungsstationen hilft und die Tiere weitervermittelt, sondern dass das Problem an der Wurzel gepackt wird. Die Hunde dürfen sich nicht so unkontrolliert weiter vermehren und die Menschen sollten einen empathischen Umgang mit den Tieren lernen“, sagt Jana Hoger von Peta.
Tierschutzvereine wie Peta würden deshalb auch Kastrationsprojekte unterstützen und Bildungsarbeit betreiben. Problematisch sei außerdem, dass Rumänien Subventionen von der EU für das Straßenmanagement erhält. Teil des Straßenmanagements sei dabei auch, dass die Straßentiere entfernt werden. Mit den Straßenhunden wird also indirekt Geld verdient. „Deshalb wird in der Politik selten darauf geschaut, dass das Leid der Hunde verbessert wird“, so Jana Hoger. „Trotzdem will und muss man natürlich dem einzelnen Hund in der Tötungsstation helfen.“
Das spricht gegen das Vermitteln von Tieren aus dem Ausland
Hunde im Tierschutz von der Straße einzufangen, sei hingegen nicht immer nötig, sagt Jana Hoger. „Ich denke, dass die Hunde von der Straße geholt werden, ist nicht zwingend nötig – da kommt es immer ganz darauf an, wie die Hunde leben.“ Es gebe durchaus auch Gemeinden, in denen die Straßenhunde geduldet werden und in einem Rudel zusammenleben. Was aber nach wie vor wichtig sei, ist die Hunde aus der Tötungsstation zu holen. Jana Hoger war selbst bereits mehrfach in rumänischen Tötungsstationen und kennt die Bedingungen. „Die Bedingungen dort sind das absolute Grauen“, sagt die Tierschützerin, „entweder, die Tiere werden dort getötet, oder sie beißen einander tot.“
„Natürlich hilft man mit einer Adoption in erster Linie dem jeweiligen Tier, das vermittelt wird“, sagt Heike Weber von Tasso, „wenn man dieses Tier über einen Verein adoptiert, der sich vor Ort auf eine gute und nachhaltige Art für die Tiere einsetzt, unterstützt man jedoch indirekt auch die anderen Tiere, denen der Verein mit seiner weiteren Arbeit helfen kann.“
Was kann ich tun, um die Situation von Tieren im Ausland zu verbessern?
„Als Tierschutzverein sollte man versuchen, mit den Menschen vor Ort in Austausch zu treten“, sagt Jana Hoger. Besonders gelte es, Kindern und nachfolgenden Generationen Empathie beizubringen. „Dafür kann man auch die sozialen Netzwerke nutzen.“ Wer von Deutschland aus Tieren im Ausland helfen möchte, kann im lokalen Tierheim nachfragen, wie sich die Arbeit unterstützen lässt. „Oft arbeiten die Tierheime mit Tierschutzvereinen im Ausland zusammen“, sagt Jana Hoger, „da weiß man, dass die Spenden gut ankommen.“
Heike Weber rät dazu, sich am besten eine Tierschutzorganisation zu suchen, die vor Ort nachhaltig die Situation der Tiere verbessert. Konkret heißt das für sie: „Eine Organisation also, die unter anderem regelmäßige Kastrationsaktionen durchführt, Futterstellen einrichtet, sich für die medizinische Versorgung der Tiere einsetzt und vielleicht auch auf politischer Ebene aktiv ist, um die Situation zu verbessern. Eine solche Organisation kann dann auch von hier aus unterstützt werden: Sei es finanziell, materiell oder sogar durch eigenes Engagement.“
Insgesamt, so die Tasso-Mitarbeiterin, sei die Entwicklung der Straßentiere in den Gebieten, in denen regelmäßig kastriert wird, positiv: die Populationen gehen sowohl bei den Tieren der Bevölkerung als auch durch Kastration der Streuner, nachweislich zurück. Solange aber diese Kastrationsaktionen nicht flächendeckend sind und sich gleichzeitig auch der Kastrations-Gedanke bei der Bevölkerung durchsetzt, wird Tierelend durch ungewollte Vermehrung weiter bestehen. Diesen Kreislauf könne man nur durch politische Aktionen und neue Gesetze durchbrechen.
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Fazit
Tierschutz macht vor den Grenzen keinen Halt. Um das Leid der Tiere im Ausland zu verbessern, hilft es jedoch nicht nur, Tiere aus den Tötungsstationen nach Deutschland zu vermitteln und ihnen hier ein neues Zuhause zu schenken. Für den jeweiligen Hund ist das sicherlich wertvoll und wichtig. Damit sich nachhaltig etwas ändert, müsse sich auch die politische Situation und die Einstellung gegenüber den Tieren verbessern. Tierschutzvereine wie PETA betreiben deshalb Bildungsarbeit und unterstützen Kastrationen.