31. Oktober 2024, 14:38 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Deutschland hat ein Katzenproblem. Nach aktuellen Zahlen des Deutschen Tierschutzbundes steigt die Gesamtpopulation von Straßenkatzen in Deutschland immer weiter an. In einer Pressemitteilung berichtet der Verein, welch dramatische Folgen dies für den Katzenschutz hat und fordert eine bundesweite Kastrationspflicht.
„Die Situation ist dramatisch!“ Mit diesen Worten leitet Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes die Forderung nach einer bundesweiten Kastrationspflicht für Katzen ein. Laut der Pressemitteilung vom 30. Oktober berichteten 71 Prozent der Tierschutzvereine von steigenden Straßenkatzenpopulationen.
Nach Schätzungen des Deutschen Tierschutzbundes leben in Deutschland zwei Millionen Straßenkatzen – genaue Zahlen kennt keiner. Die Tiere führen in Deutschland eher ein Schattendasein. Es geht aber gar nicht so sehr um die Zahl der Tiere, sondern um das immense Leid, das durch die Streunerpopulationen entsteht. 1
97 Prozent haben nicht genug Platz
Bereits letztes Jahr deckte der Deutsche Tierschutzbund mit dem ersten großen Katzenschutzreport alarmierende Zahlen über das Leid der Tiere hierzulande auf und forderte die bundesweite Kastrationspflicht (PETBOOK berichtete). Seitdem habe sich die Lage der Straßenkatzen weiter zugespitzt. Das gehe aus den neuesten Ergänzungen zum „Großen Katzenschutzreport“ hervor. Darin seien unter anderem aktuelle Ergebnisse aus einer bislang unveröffentlichten Online-Umfrage unter den angeschlossenen Tierschutzvereinen aus dem September enthalten.
Demnach gaben 81 Prozent der Tierschutzvereine an, in den letzten zwölf Monaten eine stärkere Anfrage für die Aufnahme von Katzen gehabt zu haben. Für den Großteil der Vereine sei das ein immenses Problem, wie der Tierschutzbund betont. Denn für die Versorgung fehle es an finanziellen Mitteln und personellen Kapazitäten. So geht auch aus dem Report hervor, dass 97 Prozent der Tierschutzvereine nicht genug Platz für die vielen Katzen hatten.
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99 Prozent der Straßenkatzen sind krank
Ein großes Problem stellt dabei die sogenannte „Kittenschwemme“ dar. Diese entsteht, wenn die Katzen im Frühjahr wieder sexuell aktiv werden und viele Kätzchen geboren werden – meist ist dies im April und Mai der Fall. Das sorgt dafür, dass nicht nur vermehrt Kätzchen in den Tierheimen abgegeben werden, sondern auch viele verwaiste Kitten von Straßenkatzen gefunden werden. Mittlerweile habe sich die Schwemme aber zu einer Flut entwickelt, heißt es im Bericht.
Im Schnitt schätzen die Tierschutzvereine, dass 84 Prozent der aufgenommenen Kitten von Straßenkatzen abstammen. 99 Prozent dieser Straßenkitten sind krank. Das ungeschützte Leben im Freien mache die Tiere anfällig für Krankheiten, heißt es. Nach den neuen Erkenntnissen im Bericht habe die Mehrheit der Vereine (69 Prozent) angegeben, dass die Kätzchen ernsthaft krank aufgefunden werden.
Katzenleid sorgt für emotionale Belastung
Die intensive Versorgung erfordere nicht nur finanzielle Mittel, sie belaste auch die Mitarbeiter, heißt es im Bericht weiter. So gaben aktuell 67 Prozent der Tierschutzvereine an, dass sie die emotionale Belastung für ihre Mitarbeiter bei der Arbeit mit Straßenkatzen als (sehr) hoch einordnen. Einer der Hauptgründe hierfür sei, dass viele Katzen trotz aller Bemühungen sterben.
Diese neuen Daten untermauern die aktuelle Problematik, so der Deutsche Tierschutzbund. Der Verein fordere deshalb das Parlament auf, im Rahmen der derzeitigen Novellierung des Tierschutzgesetzes eine bundesweite Kastrationspflicht für Katzen einzuführen. Aktuell liegt diese Entscheidung noch bei den Städten und Gemeinden. Niedersachsen ist bisher das einzige Bundesland, das seit letztem Jahr eine einheitliche Katzenschutzverordnung eingeführt hat. 2
Katzenschutzreport Tierschutzbund fordert bundesweite Kastrationspflicht für Katzen: »Sie leiden im Verborgenen
PETBOOK-Umfrage Wären Sie für eine bundesweite Kastrationspflicht für Katzen?
Streunerleid Schleswig-Holstein stimmt über allgemeine Katzenschutzverordnung ab
Kastrationspflicht für Katzen? Das sagen die Gegner
Eine bundesweite Kastrationspflicht ist schon länger im Gespräch und rief auch einige Gegner auf den Plan. So gab es bereits 2017 eine Petition gegen „die totale und wahllose Katzenkastration“. 3 Dabei ist ein Argument, dass das zu frühe Kastrieren unter anderem zu gesundheitlichen Problemen bei den Tieren führen kann. In Deutschland werden Kätzchen allerdings in der Regel ab dem geschlechtsreifen Alter mit etwa sechs Monaten kastriert.
Ein weiteres Argument ist die Befürchtung, dass eine bundesweite Kastrationspflicht zu einer Sackgasse in der natürlichen Fortpflanzung der Katzen führe. Katzennachwuchs käme dann nur noch vom Züchter, was die Zukunft einer robusten und gesunden Katzenpopulation gefährden könnte, heißt es in den Argumenten der Petition.
Doch die aktuellen Zahlen zeichnen ein anderes Bild. Denn die Straßenkatzenpopulation setzt sich nicht aus gesunden und robusten Tieren zusammen, die ein autarkes Leben führen. Meist handelt es sich um verwahrloste Haustiere, die Krankheiten, Parasiten und Hunger ausgesetzt sind. Wie aus dem Bericht hervorgeht, ist die Sterberate der Tiere enorm hoch. Bis zu 75 Prozent der Kitten erreichen nicht den sechsten Lebensmonat. Fast die Hälfte stirbt, bevor sie 100 Tage alt wird.