4. Januar 2023, 17:00 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Elsterdrosslinge sind kleine, schwarz-weiße Vögel, die in der afrikanischen Trockensavanne leben. Sie gelten als sozial und intelligent. Nun haben Forscher eine seltsame Entdeckung bei den weiblichen Exemplaren dieser Vogelart gemacht: Je mehr Küken sie im Laufe der Jahre haben, desto dümmer scheinen sie zu werden.
Unter tierischer Intelligenz verstehen Biologen die Mechanismen, durch die Tiere Informationen aus der Umwelt aufnehmen, verarbeiten, speichern und darauf reagieren. Man spricht auch von sogenannten kognitiven Fähigkeiten. Genau wie beim Menschen gibt es auch bei Tieren Individuen, die schlauer sind als andere. Für Wissenschaftler stellt sich dabei die Frage, welche Faktoren die Intelligenz von Lebewesen beeinflussen. Dazu machte eine Studie nun eine recht ungewöhnliche Entdeckung bei Elsterdrosslingen. Die Forscher fanden haraus, dass die kognitiven Fähigkeiten der weiblichen Exemplare umso stärker abnahmen, je mehr Nachwuchs sie produziert hatten. Die Vogelmamas werden also mit jedem Küken, das sie großziehen, dümmer.
Übersicht
Elsterdrosslinge sind intelligente und soziale Vögel
Elsterdrosslinge (Turdoides bicolor) gehören zu den Sperlingsvögeln. Sie sind also mit unserem Hausspatzen verwandt. Die Tiere ziehen in Gruppen von 3 bis 15 Individuen durch die Trockenwälder und Savannen des südlichen Afrikas. Dabei ernähren sie sich vorrangig von Insekten oder Würmern, die sie mit ihrem Schnabel im Erdreich aufstöbern.
Die Vögel gelten als sehr sozial. Mehrere Generationen leben in enger Verbindung zusammen und verteidigen auch ihr Territorium gemeinsam gegen Eindringlinge. So stellen die Familienverbände der Elsterdrosslinge immer wieder einzelne Wachposten ab, damit ihre Artgenossen ungestört fressen können und nicht zu leichter Beute werden. Dies erfordert ein hohes Maß an Intelligenz, was die Tiere für die Wissenschaft interessant macht.
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Forscher maßen Intelligenz der Vögel durch Lernaufgaben
Ähnlich wie Rabenvögel sind auch Elsterdrosslinge in der Lage, einfache Aufgaben zu lösen, um eine Futterbelohnung zu bekommen. In ihrer Studie wollte das Team um die Evolutionsbiologin Camilla Soravia herausfinden, welche Faktoren die Intelligenz von Individuen der gleichen Art beeinflussen. Dafür stellten sie 38 Elsterdrosslingen beider Geschlechter und in verschiedenem Alter eine Aufgabe, bei der die Tiere lernen sollten, wo sich eine Futterbelohnung befindet.1
Dafür nutzten die Forscher ein Holzbrett mit zwei runden Vertiefungen, die jeweils durch eine kleine Folie abgedeckt wurden. In eine der Vertiefungen legten sie einen Mehlwurm. Die Vertiefungen im Brett waren jeweils mit zwei Folien – einer hellen und einer dunklen – bedeckt, sodass der Vogel im Versuch nicht sehen konnte, in welchem der beiden Hohlräume im Brett sich das Futter befindet. Die Forscher legten den leckeren Snack dabei mal in die rechte und mal in die linke Vertiefung, deckten diese aber immer mit derselben Folie, also entweder der dunklen oder der hellen, ab.
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Die Vögel sollten lernen, die Futterbelohnung unter der jeweils richtigen Folienfarbe zu vermuten. Später drehten die Wissenschaftler die Aufgabe um: Befand sich der Mehlwurm zuvor immer unter der hellen Folie, lag er danach immer unter der dunklen. Damit wollten sie das sogenannte „Umkehrlernen“ der Tiere überprüfen. Je schneller die Vögel nun in die Vertiefung mit der anderen Folienfarbe pickten, desto höher war die Wertung ihrer individuellen Intelligenz im Test.
Ältere weibliche Vögel schnitten am schlechtesten ab
Neben dem Lernen der richtigen Folienfarbe stellten die Forscher den Vögeln noch weitere Denkaufgaben. Ihre Ergebnisse zeigten, dass Elsterdrosslinge, die bei einer Aufgabe gut abschnitten, auch bei den anderen Aufgaben ein hohes Maß an Intelligenz zeigten. Dabei fiel jedoch auf, dass die kognitive Leistung bei älteren Weibchen vergleichsweise niedrig war. Zwischen männlichen Vögeln unterschiedlichen Alters gab es hingegen keinen Unterschied in den kognitiven Fähigkeiten. Laut der Forscher sei dies der erste Beweis für Geschlechtsunterschiede beim altersbedingten Rückgang von Intelligenz bei Wildtieren, wie sie in ihrer Studie schreiben.
Kinder kosten Nerven
Warum gerade Elsterdrossling-Weibchen in zunehmendem Alter an Intelligenz verlieren, liegt wahrscheinlich an der Zahl ihres Nachwuchses. „Bei der Analyse von Daten aus über zehn Jahren haben wir herausgefunden, dass Exemplare mit geringerer allgemeiner kognitiver Leistung mehr Küken pro Jahr produzieren“, schreiben die Evolutionsbiologin Camilla Soravia und ihre Kollegen in ihrem veröffentlichten Artikel.
In der Natur versuchen sich die Vögel regelmäßig gegenseitig zu dominieren und kämpfen, um die Aufmerksamkeit der Männchen zu erlangen. Dabei werden oft auch Gelege mit Eiern zerstört und die Weibchen müssen von vorn mit dem Brüten beginnen. Dies erfordert viel Energie. Für jüngere weibliche Vögel könnte es daher von Vorteil sein, sich durch kluges Handeln im Machtkampf zu behaupten. Werden die Weibchen älter, investieren sie möglicherweise mehr Energie in die Fortpflanzung als in die Erhaltung ihres Nervensystems und Gehirns – dies wurde beispielsweise bei Schmetterlingen beobachtet.
Studie ist nur eine Momentaufnahme
Die Untersuchungen fanden jeweils von März bis September in den Jahren 2018, 2029 und 2021 statt. Trotz dieses relativ langen Zeitraums handelt es sich bei der Studie um eine Momentaufnahme. Daher könne man nicht ausschließen, dass weibliche Elsterdrosslinge, die weniger intelligent sind, einfach nur länger leben als Weibchen, die mehr Energie für die kognitive Leistung aufwendeten. Auch dieses Phänomen kennt man aus der Insektenwelt. So haben Fruchtfliegen, die schneller lernen auch eine verringerte Lebensdauer. Anstatt im Laufe des Alters immer dümmer zu werden, könnte es auch sein, dass klügere Weibchen einfach früher sterben. Um dies sicher zu beantworten, müssten jedoch mehr Daten, die über einen längeren Zeitraum erhoben wurden, ausgewertet werden.
Die Studienergebnisse beweisen jedoch, dass die Faktoren, die die Intelligenz von Individuen innerhalb einer Art beeinflussen, nicht nur in eine Richtung wirken, also zu einer Steigerung der kognitiven Fähigkeiten führen. Sind Energie und Ressourcen knapp, hat das Überleben der nächsten Generation Priorität. „Um zu verstehen, wie sich Selektion auf die Kognition auswirkt, müssen wir nicht nur ihre Vorteile, sondern auch ihre Kosten berücksichtigen“, schlussfolgern Soravia und ihre Kollegen.
Quellen
- Soravia, C., Ashton, B. J., Thornton, A., Ridley, A. R. (2022) General cognitive performance declines with female age and is negatively related to fledging success in a wild bird. Proceeding of the Royal Society B, Volume 289Issue 1989, https://doi.org/10.1098/rspb.2022.1748
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Weitere Quellen
- sciencealert.com, „Female Southern Pied Babblers Seem to Get Stupider as They Have More Babies“ (aufgerufen am 4.1.2023)
- Spektrum.de, „Pfiffige Familien-Bande“ (aufgerufen am 4.1.2023)