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PETBOOK-Interview

Experte rät: »Wer Papageien halten möchte, sollte ihnen Freiflug ermöglichen

Zwei Graupapageien
Was für artgerechte Papageienhaltung zu beachten ist, verrät Torben Friedrich im PETBOOK-Interview. Zu sehen sind hier zwei Graupapageien Foto: Getty Images

15. April 2023, 14:48 Uhr | Lesezeit: 12 Minuten

Mit einem Bein an Sitzstangen fest gekettete Aras. Loris, die apathisch in viel zu kleinen Käfigen sitzen. Das sind nur zwei Beispiele für häufige Fehler bei der Papageienhaltung. Aber wie hält man die Tiere richtig? Und ist eine artgerechte Haltung der großen Vögel, die in freier Wildbahn teils hundert Kilometer pro Tag fliegen, zu Hause überhaupt möglich? Auf diese Fragen gibt Torben Friedrich, Pressesprecher beim Deutschen Kanarien- und Vogelzüchterbund e.V. (DKB), eine Antwort.

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Sie sind intelligent, kommunikativ und nicht zuletzt schön anzusehen. Daher ist es nicht überraschend, dass 2021 in Deutschland laut Statista rund 880.000 Menschen einen Vogel als Haustier hielten. Doch viele unterschätzen, wie aufwendig es ist, Aras, Loris und andere Papageienarten so zu halten, dass sie sich rundum wohlfühlen. Dazu gehören eine artgerechte Größe und Einrichtung des Käfigs, Futter sowie Beschäftigungsmöglichkeiten. Denn zu kleine Käfige, eine einseitige Ernährung und Langweile machen Papageien krank und können zu Verhaltensstörungen führen. Wie diese sich äußern und worauf man bei der artgerechten Papageienhaltung unbedingt achten sollte, darüber sprach PETBOOK mit Torben Friedrich, Pressesprecher des Deutschen Kanarien- und Vogelzüchterbunds e.V. (DKB).

PETBOOK: Herr Friedrich, bevor wir zum Thema „artgerechte Haltung“ kommen – Menschen, die sich noch nicht tiefergehend mit Papageien beschäftigt haben, setzen den Begriff mit rot leuchtenden Scharlacharas oder strahlend grünen Halsbandsittichen gleich. Sind das wirklich schon alle Papageienarten? 

Torben Friedrich: Keinesfalls. Das Wort ‚Papagei‘ ist so vielfältig wie das Wort ‚Hund‘. Wobei Hunde noch etwas einfacher zu halten sind. Generell sind Vögel sehr aufmerksamkeitsbedürftige, aufmerksame und sich – je nach Art – sehr unterschiedlich verhaltende Tiere. Unter den ‚eigentlichen Papageien‘ versteht man mehr als 175 Arten, darunter auch Sittich-Arten wie der Nymphensittich. Den Wellensittich würde ich nicht zu den Papageien zählen. Er ist aber eine der beliebtesten Sittich-Arten. Im deutschsprachigen Raum werden meistens Aras und Graupapageien zu Hause gehalten. All diese unterschiedlichen Papageienarten haben unterschiedliche Bedürfnisse.

„Ein Vogel möchte Fliegen“

Was sind die größten Herausforderungen, die sich bei der artgerechten Papageienhaltung ergeben? 
Ein Vogel möchte fliegen. Das heißt: Er muss Ausflug haben. Deshalb sollte man ein Zimmer haben, in dem das Tier frei fliegen kann, um wenigstens ein wenig Freiflug zu ermöglichen. In freier Natur fliegt ein Wellensittich bis zu 100 Kilometer am Tag – das ist natürlich zu Hause nicht möglich. Der Wellensittich fliegt in freier Natur übrigens so viel, weil seine Schlaf- und Wasserplätze in seiner Heimat Australien so weit auseinanderliegen.

Torben Friedrich (Pressesprecher DKB e.V.)
Torben Friedrich, Pressesprecher des Deutschen Kanarien- und Vogelzüchterbunds e.V. kennt sich mit der artgerechten Papageienhaltung aus Foto: Torben Friedrich DKB

Wie stehen Sie zum Thema Einzelhaltung von Papageien? 
Ein paar Papageienarten sind monogam beziehungsweise Paargänger. Dazu gehören zum Beispiel die größeren südamerikanischen Arten, unter anderem die Zwergaras und die Gelbbrustaras. Das heißt: Sie sitzen immer mal wieder zu zweit, halten sich aber über das Jahr gesehen immer wieder getrennt voneinander auf. Deshalb sollte man diese Tiere zu zweit halten. Andere, wie Wellensittiche, sind Schwarmvögel, die sich am wohlsten fühlen, wenn man sie im sogenannten ‚Flock‘ hält. Das ist eine Ansammlung von mehr als zwei Tieren. Als Halter sollte man also im Idealfall generell versuchen, mehr als zwei Tiere zusammenzuhalten.

»Bei Papageien ist es wie bei Menschen, manche vertragen sich auf Anhieb, andere streiten sich

Gibt es weitere monogame Papageienarten? 
Ja, australische Kakadu-Arten sind etwa monogam. Ich kann aber leider wirklich niemandem empfehlen, diese Tiere zu Hause zu halten – es sei denn, Sie haben eine große Voliere und entweder sehr verständnisvolle oder keine Nachbarn. Sie sind nämlich sehr laut und sollten im Schwarm leben.

Kann es vorkommen, dass Papageien, die zusammengehalten werden, „sich nicht verstehen“? 
Das kann leider immer passieren und ist eigentlich wie beim Menschen. Manche vertragen sich auf Anhieb und verstehen sich einfach und andere streiten sich. Halter sollten aber unterscheiden: Handelt es sich bei dem Verhalten um eine Aggression – was man daran erkennen kann, dass die Tiere sich stark streiten und einander auch verletzen – oder ist es eine Rangordnungsfrage? Wenn das der Fall ist, versuchen sie nur, eine Rangordnung zu finden, indem sie sich leicht hacken oder ein wenig ‚kabbeln‘, also leicht streiten.

Kann es in Ausnahmefällen sinnvoll sein, die Tiere einzeln halten? 
Eine Einzelhaltung kann in seltenen Fällen sinnvoll sein. Zum Beispiel, wenn man eine seltene Art hat, für die man in Deutschland keinen Partner findet. Die Naturschutzbehörde und Tierschutzvereine sollten dann eingeschaltet werden, um dabei zu helfen.

Auch interessant: Wie man Papageien und Sittiche artgerecht beschäftigt

»Die für die artgerechte Papageienhaltung geeigneten Käfige gibt es nur online

Die Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz (TVT) schreibt in einem Merkblatt zum Thema Graupapageien: „Für bis zu zwei Paare muss die Volierenfläche mindestens 300 cm x 100 cm bei einer Höhe von mindestens 200 cm sein. Für bis zu zwei zusätzliche Paare ist die Grundfläche um 50 % zu vergrößern.“ Man muss also sehr viel Platz für die artgerechte Papageienhaltung einplanen. 
Absolut. 300 cm x 100 cm sind das absolute Minimum. Die meisten Käfige, die man in Fachgeschäften kaufen kann, sind größtenteils auf kleine Vogelarten wie den Wellensittich ausgelegt. Wenn man aber einen Nymphensittich oder einen größeren Papagei halten will, ist es essenziell, in einen größeren Käfig zu investieren. Die findet man aber nicht beziehungsweise kaum in Läden, sondern nur online. Wer wirklich einen Graupapagei halten will, sollte ihm auch Wetterbedingungen ermöglichen. Zum Beispiel, in dem man eine Außenvoliere anschafft, die es ihm erlaubt, sich beregnen zu lassen.

„Eine Beregnung“ des Papageis, beziehungsweise dass er verschiedenen klimatischen Bedingungen ausgesetzt wird, ist also wichtig. Wie kann man das in einer Wohnung ohne Balkon erreichen? 
Wichtig ist, dass das Tier keine Angst vor Flüssigkeiten entwickelt. Wer den Papagei an Wasser im Gefieder gewöhnen will, sollte ihn deshalb auf keinen Fall direkt anspritzen, zum Beispiel mit einem Schlauch, sondern immer über das Tier darüber, sodass das Wasser auf es darauf regnet. Gut für diese Beregnung geeignet sind Blumenzerstäuber. Andere Vogelarten baden gerne. In dem Fall kann man Badeschalen in den Käfig hängen. Viele Papageien mögen fließendes Wasser und baden gerne in einem sanften Wasserstrahl im Spülbecken. Wichtig ist, dass das Tier sich freiwillig dort hinbewegt und dass man es auf keinen Fall gewaltsam unter das Wasser hält.

»Halter sollten Papageien Freiflug ermöglichen

Wie wichtig ist Freiflug für Papageien? 
Vergleichen wir mal die Haltung eines Papageien mit der eines Hundes. Der Hund kann im Hundepark oder in einigen Wäldern frei laufen oder zumindest im Garten spazieren gehen. Man sollte auch Vögeln Freiflug ermöglichen. Man kann sie sogar trainieren, draußen ganz frei zu fliegen und anschließend wieder zu einem zurückzukommen.

Welche Rolle spielt Klickertraining dabei, Papageien etwas beizubringen – zum Beispiel nur an einer bestimmten Stelle im Zimmer ihr Geschäft zu erledigen oder beim Freiflug zum Halter zurückzukommen? 
Bei größeren, intelligenteren Vogelarten empfehle ich definitiv Klickertraining, zum Beispiel, um dem Papagei beizubringen, wo er im Raum sein Geschäft machen sollte und wo eben nicht. Es funktioniert wie bei einem Hund – man hat einen Klicker an einem Stab und klickt damit immer, wenn das Tier etwas gut gemacht hat. Das Training ist sinnvoll für Mensch und Vogel beziehungsweise für das Verhältnis der beiden zueinander. Denn wenn ich als Mensch Zeit mit meinem Tier verbringe, freut sich der Vogel natürlich – einfach, weil ich mit ihm Zeit verbringe. Dazu bringe ich ihm ein Verhalten bei, das mich erfreut oder das von mir gewünscht ist. Es profitieren also alle davon.

Welches Spielzeug ist für Papageien geeignet? 
Wenn ich die Voliere komplett mit Spielzeug voll hänge, ist das nicht zielführend, da diese Art der Käfiggestaltung nicht nur platzraubend ist, sondern die Tiere davon auch überfordert sein können. Sinnvoll sind Abwechslung und darauf zu achten: Womit beschäftigt der Papagei sich eigentlich gerne? Empfehlenswert sind generell Spielzeuge aus Naturmaterialien wie Holz oder Kork, Seile aus Hanf oder Sisal und Leitern, an denen die Tiere hochkrabbeln können und die man einfach in den Käfig einhängt. Äste sind für die Tiere ideal, um sich daran die Krallen und den Schnabel abzuwetzen. Auch Äste aus dem Wald oder Garten kann man in den Käfig einhängen und sie als Sitzstangen verwenden. An speziellen, mit Spurenelementen versetzten Steine, sogenannten Taubensteinen, können sie sich die Krallen abwetzen. Das ist wichtig, um das Krallenwachstum einzuschränken.

Auch interessant: Wie bringe ich einem Papagei das Sprechen bei?

»Papageien-Halter sollten auf alles aus Plastik verzichten

Was sollte man auf keinen Fall im Käfig anbringen? 
Ein großer Mythos, der sich seit den 80er-Jahren hartnäckig hält, sind Spiegel. Die sind für Vögel sehr schwierig, weil sie nicht verstehen, dass sie sich selbst sehen. Sie können dadurch Verhaltensstörungen entwickeln. Ein Spiegel gehört nicht in einen Käfig oder eine Voliere und eigentlich auch gar nicht in die Reichweite eines Vogels.

Noch etwas? 
Generell sollte man auf alles aus Plastik verzichten. Das liegt daran, dass die Vögel Plastik mit dem Schnabel zerbeißen und sich damit selbst schädigen können. Aber auch vorgefertigte, gedrehte Sitzstangen aus Holz haben im Papageienkäfig nichts zu suchen – sie schädigen die Krallen beziehungsweise die Fußballen.

Die Tierärztliche Vereinigung schreibt, dass der „Graupapagei sich Futter – wie in der Natur – erarbeiten muss“. Was ist damit gemeint und wie kann man Futter artgerecht anbieten? 
Wenn man in die Zoohandlung geht und dort Papageienfutter kauft, ist das in etwa so, als würde sie dem Tier ein McDonalds-Menü vorsetzen. Es ist gezuckert, meistens sehr einfach, ohne Schalen. Der Papagei will sich sein Futter erarbeiten. Stecken Sie Nüsse in eine Klopapierrolle, in die sie links und rechts Papier stopfen. Sie können auch das Futter auf dem Boden des Käfigs verstecken – eine Beschäftigung, die für Wellensittiche ideal ist. Größere Papageien können auch Äste hochheben und darunter oder in einem Hohlraum versteckt etwas entdecken. Auch Korkröhren kann man in den Käfig einhängen. Viele wollen den Fehler nicht machen, zu wenig zu füttern. Geben Sie wenig Futter in den Käfig und schauen Sie, was aus den Sämereien gerne gefressen wird. Nehmen Sie genau diese Samen aus dem Futter heraus und bieten sie genau das als besondere Leckerei an.

»Halter sollten sich fragen: Kann ich dem Tier bis zum Lebensende gerecht werden?

Thema „Platzmangel“: Ist eine artgerechte Haltung, wenn man in einer kleinen Wohnung lebt und trotzdem einen Papagei halten will, überhaupt möglich? 
Wenn ich mir bewusst bin, dass ich dem Tier nicht das ermöglichen kann, was es braucht, werde ich auf lange Sicht keine Freude daran haben. Auch Dinge wie Lärmbelästigung, Verkotung und die Tatsache, dass Papageien 80, 90 oder sogar bis zu 100 Jahre alt werden können, sollte man mitbedenken. Stellen Sie sich die Frage: Kann ich dem Tier bis zum Lebensende gerecht werden? In Deutschland gibt es einige Papageiauffangstationen, aber wie Tierheime sind auch diese überlastet. Deshalb sollte man sich immer vor dem Kauf eines Papageien fragen: Kann ich dem Tier ermöglichen, was es braucht? Wenn ich nicht die Möglichkeiten habe, einen Papageien so zu halten, dass es ihm wirklich gut geht, sollte ich darauf verzichten. Sie werden sich ohnehin schneller lösen, weil Sie mit Ihrer Art der Haltung mehr Schaden anrichten und Ihnen das Tier nicht so begegnen wird, wie Sie es sich wünschen.

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Artgerechte Papageienhaltung beginnt beim Kauf der Tiere

Was meinen Sie damit? 
Auf einer Kralle sitzen, sich selbst kraulen und das Gefieder aufplustern, schlafen, während der Halter im Raum ist – all das sind Anzeichen dafür, dass der Papagei sich grundsätzlich wohlfühlt. Lässt er aber den Kopf in alle Richtungen kreisen, rupft er sich das eigene Gefieder außerhalb der Mauser aus, schreit er nach Aufmerksamkeit oder wird er so leise, dass man ihn gar nicht mehr bemerkt, sind das klare Anzeichen dafür, dass etwas nicht passt. Damit möchten sie eigentlich ausdrücken: ‚Änder bitte was an meinen Lebensbedingungen!‘. Das verstehen Halter aber oft nicht. Sie denken dann, das Tier wäre wütend. Was ich auch beobachte, ist, dass viele Halter ihre Tiere sehr vermenschlichen. Sie sollten nicht vom menschlichen Verhalten auf das von Tieren schließen.

Wenn man sich trotz allem dazu entscheidet, einen Papagei zu Hause zu halten: Wo sollte man im Idealfall ein Tier kaufen? 
Vermeiden Sie es unbedingt, einen Papagei oder generell einen Vogel bei Ebay Kleinanzeigen oder anderen Portalen zu kaufen. Finden Sie einen Züchter, der Ihnen die eigene Zuchtanlage zeigt. Der zeigt, wie man das Tier richtig hält. Der sich auch die Zeit nimmt, sich länger mit Ihnen zu unterhalten und mit Ihnen darüber spricht, welche Vogelart etwas frisst und der Ihnen erklärt, welche Sämereien sich für welchen Vogel eignen. Und der Ihnen vielleicht auch erklärt, was man selbst im Garten für den Vogel anbauen kann.

Themen Papageien
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