6. März 2025, 6:08 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Rabenvögel sind oft mit Mythen und Vorurteilen behaftet. Aber wer sie genauer beobachtet, erkennt schnell ihre außergewöhnliche Intelligenz und sozialen Fähigkeiten. So können Krähen etwa Werkzeuge herstellen oder menschliche Gesichter wiedererkennen. PETBOOK stellt sieben spannende Fakten über diese faszinierenden Vögel vor.
Rabenvögel gehören zu den intelligentesten Tieren der Welt. Sie nutzen Werkzeuge, kommunizieren komplex und haben beeindruckende soziale Strukturen. Die Ornithologin Dr. Lisa Gill vom Landesbund für Vogel- und Naturschutz in Bayern (LBV) teilt bei PETBOOK sieben spannende Einblicke in das Leben dieser erstaunlichen Vögel.
1. Aaskrähen sind hierzulande besonders verbreitet
Die am häufigsten vertretenen Rabenvögel in Deutschland sind laut Dr. Gill die Aaskrähen, ein Sammelbegriff für Rabenkrähen (etwa in München) und Nebelkrähen (etwa in Berlin). Auch Elstern, Saatkrähen, Dohlen und Eichelhäher sind häufig anzutreffen.
2. Rabenvögel können singen
Rabenvögel verfügen über vielfältige Kommunikationsformen. „Sie haben verschiedene Rufe, mit denen sie sich gegenseitig warnen oder koordinieren können“, erklärt die Vogelexpertin. Diese Rufe sind so individuell, dass sich die Vögel sogar über weite Distanzen wiedererkennen.
Was viele zudem nicht wissen: Rabenvögel gehören tatsächlich zur Familie der Singvögel. Das bestätigt auch Dr. Gill: „Rabenvögel können tatsächlich singen, auch wenn die allgegenwärtigen lauten Rufe das nicht unbedingt vermuten lassen.“ Ihr Gesang ist jedoch leise und wird meist nur im Paar-Kontext genutzt. Neben Lautäußerungen spielt auch die Körpersprache eine große Rolle. So tanzen Kolkrabenpaare gemeinsam im Flug, und Weibchen signalisieren durch ihre Körperhaltung ihre Paarungsbereitschaft.
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3. Rabenvögel sind intelligente Problemlöser
Rabenvögel sind für ihre beeindruckenden kognitiven Fähigkeiten bekannt. Dr. Gill nennt dabei etwa „die Geschichte der Ampel-Krähen, die ihre Nüsse von fahrenden Autos knacken lassen und dann bei Fußgänger-Grün wieder aufsammeln.“
Auch Forschungen haben laut der LBV-Expertin bestätigt, dass sie viele Fähigkeiten besitzen, die bislang nur höheren Primaten zugeschrieben wurden. Sie werden mit einem noch unreifen Gehirn geboren und bleiben lange bei ihren Eltern, um zu lernen. Dabei können sie vorausschauend handeln und sich in andere Lebewesen hineinversetzen.
Manche Arten, wie die Geradschnabelkrähe, nutzen nicht nur Werkzeuge, sondern stellen diese sogar selbst her. „In der Kognitionsforschung haben sie viele Tests bestanden, wie zum Beispiel sich im Spiegel zu erkennen, oder den Wasserverdrängungstest“, erklärt Dr. Gill. Bei diesem physikalischen Experiment schnitten Krähen sogar besser ab als sechsjährige Kinder. Bei dem Experiment, wofür eine Fabel des griechischen Dichters Äsop die Grundlage lieferte, geht es um die Erhöhung des Wasserstandes in einem Krug, indem Steinchen hineingeworfen werden, sodass man daraus trinken kann.1
Krähen beobachten zudem das Verhalten von Menschen sehr genau. „Wird ein Auto mehrmals genutzt, um im selben Gebiet auf Krähenjagd zu gehen, kann man davon ausgehen, dass sich die Krähen innerhalb kürzester Zeit aus dem Staub machen.“ Sie sind sogar in der Lage, sich menschliche Gesichter zu merken und über Jahre hinweg vor ihnen zu warnen.
4. Rabenvögel haben sich an verschiedene Lebensräume angepasst
Die Familie der Rabenvögel umfasst verschiedene Arten, die von Hochalpen (z. B. Alpendohlen) bis zu tropischen Regenwäldern (z. B. Geradschnabelkrähen) nahezu alle Lebensräume besiedeln – mit Ausnahme von Südamerika und der Antarktis. Viele sind „Generalisten“, wie Dr. Gill betont, und nicht auf spezifische Nahrungsquellen angewiesen. Das ermöglicht ihnen, in den „sonst eher naturfernen Ökosystemen, die der Mensch geschaffen hat“, zu leben. Dr. Gill nennt dabei Agrarflächen und Siedlungsräume als Beispiele.
5. Rabenvögel spielen wichtige ökologische Rolle
Rabenvögel leisten einen wertvollen Beitrag für das Ökosystem. Eichelhäher beispielsweise tragen zur Verbreitung von Eichen bei, indem sie Eicheln verstecken. Aasfressende Arten wie Rabenkrähen und Kolkraben „verwerten verendete Tiere, nachdem sie ‚geöffnet‘ wurden“, wie Dr. Gill erklärt – etwa von einem Wolf, heutzutage aber wohl eher vom Auto.
„Wenn genug Insekten und Würmer vorhanden, bevorzugen sie diese gegenüber der Saat, insbesondere im Frühjahr während der Jungenaufzucht“, weiß die Ornithologin. Diese Praxis würde sie zu nützlichen Schädlingsbekämpfern machen. Aber: „In Pestizid-belasteter Agrarlandschaft führt dies oft zu Problemen, da sie gezwungenermaßen auf Pflanzensamen umschwenken und so zu reduzierten Ernteeinträgen beitragen können“, ergänzt Dr. Gill.
6. Rabenvögel sind weder „Killerkrähen“ noch „diebische Elstern“
Ein hartnäckiges Vorurteil ist das der „Killerkrähen“, die im Winter angeblich „wie bei Hitchcock“ in Schwärmen ganze Städte unsicher machen. Tatsächlich handelt es sich dabei um Saat- und Aaskrähen aus dem Norden und Osten, die im Winter nach Mitteleuropa ziehen. „Dieses Zugverhalten ist völlig normal und die Tiere sind weder gefährlich noch aggressiv“, stellt die Vogelexpertin klar.
Auch der Mythos der „diebischen Elster“ ist wissenschaftlich nicht haltbar. Entgegen landläufiger Meinung konnte laut Dr. Gill wissenschaftlich nicht nachgewiesen werden, dass Elstern glänzende Gegenstände präferieren. Aus biologischer Perspektive sei dieser Mythos gar nicht so abwegig: „Sie haben glänzendes, schillerndes Gefieder, teilweise in Farben, die für uns nicht sichtbar sind – und sind darum darauf ausgelegt, diese Signale verstärkt in der Umwelt wahrzunehmen“, sagt Dr. Gill. Es kann zwar vorkommen, dass eine Elster einen auffälligen Gegenstand mitnimmt und versteckt, doch das systematische Stehlen von Silberbesteck oder Schmuck ist eine Legende.

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7. Rabenvögel machen Menschen Geschenke
Immer wieder berichten Menschen von Rabenvögeln, die ihnen „Geschenke“ bringen. „Es gibt unzählige Berichte von beim Menschen aufgewachsenen Dohlen, Rabenkrähen oder Kolkraben, die ‚ihren‘ Menschen als Partner betrachten, ihm Geschenke bringen und sogar sehr eifersüchtig werden“, erklärt Dr. Gill. Auch wild lebende Krähen können über Jahre hinweg eine Bindung zu Menschen aufbauen, die sie regelmäßig füttern.
Ob die mitgebrachten Gegenstände tatsächlich als Geschenke gedacht sind oder lediglich sichere Verstecke darstellen, bleibt offen. Doch eine große Ehre ist es allemal, wenn ein sonst vorsichtiger Rabenvogel einem Menschen so sehr vertraut, dass er seine Jungtiere in dessen Nähe bringt.