15. August 2024, 6:34 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten
Vögel auf dem Balkon füttern – das kann doch nicht wirklich verboten sein, oder? Janina Ottma schreibt für PETBOOK und hat mit diesem Thema bereits eigene Erfahrungen gemacht. Weil der Vermieter Ärger machte, fragte Janina Ottma bei Experten nach, was nun erlaubt ist und was nicht.
Termine, Deadlines, ein volles E-Mail-Postfach: Es war ein stressiger Tag im Homeoffice. Und wie immer, wenn meine Arbeitstage stressig sind, wanderten meine Augen zur Futtersäule auf meinem Balkon. Die besuchten regelmäßig Spatzen, Meisen und andere Singvögel. Sehr zu meiner Freude. Denn je älter ich werde, desto mehr weiß ich die Gesellschaft meiner kleinen, fedrigen Freunde zu schätzen, weshalb ich sie gern von meinem Balkon aus füttere. Die Vögel dabei zu beobachten, wie sie Sonnenblumenkerne picken und in einer Schale baden, lenkt an stressigen Arbeitstagen meine Aufmerksamkeit kurz weg vom Stress und auf andere Dinge – eine entspannende, willkommene Abwechslung. Es gibt sogar Studien, die darauf hindeuten, dass das Beobachten von Vögeln eine entspannende und gleichzeitig kognitiv anregende Wirkung hat. Dies wurde etwa in Colleges oder stationären Pflegeeinrichtungen für Senioren beobachtet.
Nachgefragt
An diesem Tag allerdings wurde das Beobachten der Vogelschar jäh unterbunden. Denn plötzlich schallte ein strenges Rufen über die Trennwand meines Balkons: „Das geht nicht!“. Was war da los? Auf Nachfrage wurde klar: Mein Vermieter ist verärgert. Der Grund für seinen Unmut: die Futtersäule auf meinem Balkon. Genauer gesagt, die Tatsache, dass die dort angebotenen Sonnenblumenkerne nicht nur Meisen und Spatzen anlocken, sondern auch Tauben.
Doch darf ein Vermieter das Füttern einfach so verbieten? Ich wollte es genau wissen. Deshalb habe ich beim Landesbund für Vogel- und Naturschutz in Bayern e.V (LBV) und einem Anwalt für Tierrecht nachgefragt. Mein Ziel: herausfinden, welche Rechte ich als Mieter habe. Gibt es zum Beispiel spezifische Gerichtsurteile, die das Füttern von Kleinvögeln erlauben oder einschränken? Schließlich will ich nicht einfach auf das Vogelfüttern verzichten. Gleichzeitig möchte ich meinem Vermieter entgegenkommen und erfahren, wie ich Meisen, Spatzen und andere niedliche Singvögel auf dem Balkon füttern kann, ohne die vom Vermieter so verhassten Tauben anzulocken.
Rechtliche Grundlagen für das Füttern von Vögeln auf dem Balkon
Um Klarheit über die rechtliche Situation zu erhalten, wandte ich mich an Rechtsanwalt Andreas Ackenheil, Spezialist für Tierrecht. Er betont: „Das Füttern von Meisen, Spatzen und anderen Kleinvögeln auf dem Balkon wird in Deutschland grundsätzlich erlaubt, solange es sachgerecht erfolgt und keine negativen Auswirkungen auf die Vögel oder die Umwelt hat.“ Es gebe keine bundesweit einheitlichen Verbote, jedoch könnten lokale Regelungen und private Vereinbarungen zusätzliche Vorgaben machen. So seien verschiedene Rechtsvorschriften wie das Tierschutzgesetz und das Naturschutzgesetz zu beachten, betont der Experte.
Beispielsweise schreibt § 39 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG vor, dass es verboten ist, wildlebende Tiere zu stören oder ihre Lebensstätten zu beeinträchtigen. Das Tierschutzgesetz verpflichtet zudem jeden, der Tiere hält, betreut oder zu betreuen hat, diese angemessen zu versorgen. Dies gelte auch für das Füttern von Wildvögeln: Es dürfe nur artgerechtes Futter verwendet werden, und es müsse sichergestellt sein, dass die Fütterung den Vögeln nicht schadet.
Welches Futter man wählt, beeinflusst auch, ob Tauben auf den Balkon kommen. „Man kann Futter anbieten, das Tauben nicht so mögen. Amseln und Rotkehlchen lieben – zum Beispiel Äpfel und Rosinen“, betont Franziska Back, Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit beim LBV. Diese Nahrungsmittel seien weniger attraktiv für Tauben, die sich hauptsächlich von Getreide ernähren.
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Kommunale Regelungen und Gerichtsurteile
Darüber hinaus können auf kommunaler Ebene spezifische Regelungen existieren, die das Füttern von Vögeln betreffen. Diese könnten Einschränkungen oder Bedingungen enthalten, etwa wenn das Füttern zu Verschmutzungen führt oder Schädlinge anzieht. In solchen Fällen könnten lokale Satzungen oder Verordnungen das Füttern von Vögeln einschränken oder verbieten.
So entschied das Landgericht Berlin (AZ 65 S 382/00), dass ein Mieter Tauben nicht füttern darf, wenn dies zu Belästigungen oder Hygieneproblemen führt. Ein weiteres Beispiel ist ein Urteil des Amtsgerichts Nürnberg (AZ 14 C 7772/18). Das Gericht entschied, dass das gelegentliche Füttern von Kleinvögeln wie Meisen und Spatzen auf dem Balkon im Allgemeinen akzeptabel sei, solange keine erheblichen Belästigungen oder Gesundheitsgefährdungen für andere Mieter verursacht werden. Das Amtsgericht Hannover (AZ 02 C 7456/22) entschied, dass ein Taubenschwarmhalter Störer ist und die Fütterung unterlassen müsse, wenn dies zu einer Beeinträchtigung der Nachbarn führe.
Ein Vermieter hat das Recht, in der Hausordnung oder im Mietvertrag Regeln festzulegen, die das Füttern von Vögeln auf dem Balkon einschränken oder verbieten. Diese Regelungen seien laut Aussage von Rechtsanwalt Ackenheil bindend, „sofern sie nicht willkürlich sind und die Rechte des Mieters nicht unangemessen einschränken“. Der Vermieter könne das Füttern von Vögeln untersagen, wenn dadurch andere Mieter erheblich gestört werden, etwa durch vermehrten Taubenbesuch, Verschmutzungen oder Geräuschbelästigungen. In solchen Fällen sei es ratsam, das Füttern anzupassen, um unerwünschte Vogelarten nicht anzulocken.
Vögel auf dem Balkon füttern, ohne Tauben anzulocken
Franziska Back empfiehlt spezielle Fütterungstechniken und -arten, um gezielt Kleinvögel anzulocken und Tauben fernzuhalten. Stadttauben nehmen ihr Futter in erster Linie am Boden auf. „Will man sie nicht mitfüttern, sollte man kein Futter offen ausstreuen. Es hilft oft auch, das Futter in Silos oder Säulen mit kleinen Öffnungen und Sitzstangen anzubieten, die für die großen, schweren Tauben zu klein sind.“ erklärt Back. Durch diese Futterstellenkonstruktion werde es Tauben erschwert, an das Futter zu gelangen, während kleinere Vögel wie Meisen und Spatzen problemlos gefüttert werden können.
5 Expertinnen-Tipps
- Spezielle Futtersäulen verwenden: Setzen Sie auf Futtersäulen mit kleinen Öffnungen, die für größere Vögel wie Tauben unzugänglich sind.
- Schutzgitter einsetzen: Nutzen Sie Schutzgitter um Futterhäuser oder -säulen. Diese sollten so engmaschig sein, dass Tauben nicht hindurchpassen, aber kleine Vögel wie Meisen und Spatzen problemlos Zugang haben.
- Spezielles Futter anbieten: Verwenden Sie Nahrungsmittel, die Tauben weniger mögen, wie zum Beispiel Äpfel und Rosinen, die besonders von Amseln und Rotkehlchen bevorzugt werden.
- Futter nur in höher gelegenen Bereichen anbieten: Platzieren Sie die Futterstellen an erhöhten Positionen, um den Zugang für Tauben zu erschweren, da sie eher am Boden nach Nahrung suchen.
- Kein loses Futter ausstreuen: Vermeiden Sie es, Futter am Boden auszustreuen.
Taubenkot und Gebäudeschäden
Abschließend wollte ich wissen, ob das Argument meines Vermieters über die schädliche Wirkung von Taubenkot auf die Gebäudefassade wirklich zutrifft. Laut Rechtsanwalt Andreas Ackenheil könne Taubenkot tatsächlich erhebliche Schäden verursachen. „Taubenkot enthält Harnsäure, die stark ätzend ist und Baumaterialien wie Stein, Metall und Beton beschädigen kann. Langfristige Ablagerungen führen zur Korrosion und Erosion, die die strukturelle Integrität von Gebäuden beeinträchtigen können.“
Ackenheil verweist auf eine Studie des „Building Research Establishment“ in Großbritannien, die gezeigt habe, dass Harnsäure in Taubenkot Baumaterialien wie Kalkstein, Sandstein und Beton angreifen kann, was zu signifikanten strukturellen Schäden führe. Eine weitere Studie der Universität Wien habe die mikrobiologische Belastung von Taubenkot untersucht und festgestellt, dass dieser eine Vielzahl von potenziell pathogenen Mikroorganismen enthalte, die sowohl für die menschliche Gesundheit als auch für die Integrität von Gebäuden gefährlich seien.
Dass Taubenkot erhebliche Schäden anrichten könne, lässt sich auch an den Fassaden historischer Gebäude wie dem Kölner Dom ablesen. Der saure Kot greife den Sandstein an, führe zu schnellerer Verwitterung und erhöhe die Restaurierungskosten erheblich, betont Rechtsanwalt und Tierrechts-Experte Ackenheil: „Die Restaurierung des Kölner Doms, eines der bekanntesten gotischen Bauwerke der Welt, hat gezeigt, dass Taubenkot erheblichen Schaden an den Sandsteinfassaden verursachen kann. Der saure Kot greift den Stein an und führt zu einer schnelleren Verwitterung und Erosion, was die Restaurierungskosten erheblich erhöht.“
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Vögel auf dem Balkon füttern – ja oder nein? Mein Fazit
Nach all diesen Informationen fühle ich mich hin- und hergerissen. Einerseits verstehe ich die Bedenken meines Vermieters wegen der Tauben und der möglichen Schäden durch Taubenkot. Die Fachmeinungen, die mir Rechtsanwalt Andreas Ackenheil mitgegeben hat, zeigen klar, dass es Gründe zur Sorge gibt.
Andererseits: Vögel auf dem Balkon zu füttern, ist für mich wichtig. Die Meisen und Spatzen bringen Leben und Freude in meinen Alltag, besonders an stressigen Tagen. Es beruhigt mich, sie zu beobachten, und hilft mir, den Kopf freizubekommen. Verzichten will ich darauf also nicht. Am Ende geht es darum, einen Mittelweg zu finden. Mit den Tipps von Franziska Back vom LBV kann ich meine Fütterung anpassen: spezielle Futtersäulen, Futter an höheren Stellen und gezielte Futterauswahl, um Tauben fernzuhalten. Ich hoffe, dass ich diesen Weg finde.