16. Oktober 2024, 6:39 Uhr | Lesezeit: 9 Minuten
Einmal nicht aufgepasst – und schon ist der Wellensittich oder der Papagei entwischt. Für viele Halter ist das ein absoluter Albtraum. PETBOOK gibt wertvolle Tipps, wie Sie den Vogel stressfrei und sicher wieder einfangen und wie Sie das Risiko, dass ein Vogel entkommt, minimieren können.
Wenn der gefiederte Freund die Freiheit sucht, lautet die wichtigste Regel: Ruhe bewahren. Wer dem Vogel sofort hinterherläuft, riskiert, ihn noch mehr zu verschrecken. Stattdessen sollten Sie besonnen vorgehen und die folgenden Tipps von Heike Mundt, stellvertretende Vorsitzende der Fachgruppe Handel im Zentralverband Zoologischer Fachbetriebe (ZZF) und Inhaberin des Papageienparks Bochum beherzigen, um den Ausbruchskünstler sicher zurückzubringen. Zunächst sollte man aber verhindern, dass der Vogel überhaupt davonfliegt.
Verhindern, dass ein Vogel entkommt: Wie kann man vorbeugen?
Die beste Strategie, um zu verhindern, dass ein Vogel entkommt: eine sichere Umgebung. Heike Mundt betont: „Fenster und Balkontüren müssen während des Freiflugs immer geschlossen sein. Vögel können auch durch kleine Spalten bei gekippten Fenstern schlüpfen oder eingeklemmt werden.“ Einige Vögel, wie Nischenbrüter, sind an enge Spalten gewöhnt und können sich auch durch kleine Öffnungen zwängen oder darin stecken bleiben. Besonders gefährlich wird es, wenn ein unerwartetes Geräusch den Vogel aufschreckt und er versucht, durch einen Spalt zu flüchten.
Zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen umfassen das Anbringen von Vorhängen aus blickdichtem Stoff im Flur, um zu verhindern, dass der Vogel durch die Haustür entwischt. Fenster, die man häufig öffnet, sollte man durch Gitter aus Edelstahl oder zinkfreiem Volierendraht sichern. Es ist auch wichtig, dass alle Mitbewohner oder Besucher informiert sind, wenn die Vögel frei fliegen, damit keine Türen versehentlich geöffnet werden. Bei der Voliere sollten Halter darauf achten, dass eingehängte Futternäpfe oder Badehäuschen nicht herunterfallen und Öffnungen freigeben, durch die der Vogel entkommen könnte.
Halter sollten sich zudem unbedingt die Ringnummern ihrer Vögel notieren, sofern die Vögel beringt sind. Die Ringnummer dient als Beleg gegenüber einem möglichen Finder und hilft, den Halter ausfindig zu machen. Die Ringstelle des ZZF hinterlegt registrierte Nummern von Züchter- und Artenschutzringen. Angaben wie die Ringnummer oder der Herkunftsnachweis für artgeschützte Vögel können helfen, den Halter ausfindig zu machen, falls jemand den Vogel findet.
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Wie man einen entflohenen Vogel stressfrei einfängt
Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen kann es passieren, dass ein Vogel entwischt. In solchen Fällen rät Expertin Mundt: „Es ist wichtig, überlegt zu handeln, um den Vogel nicht zusätzlich zu stressen“. Das entflogene Tier sollte die Möglichkeit haben, zurückzufliegen. Daher sollten Fenster und Türen geöffnet bleiben. Sind weitere Vögel im Raum, sollten Sie sicherstellen, dass sich diese derweil im Käfig befinden. Als Nächstes informieren Sie Familie und Nachbarn, damit sie bei der Suche helfen können.
Ein Plakat mit einem Foto des Vogels und Angaben zu möglichen Erkrankungen, der Kennzeichnung und einer etwaigen Finder-Belohnung kann Menschen in der Umgebung darauf aufmerksam machen, dass der Vogel entflogen ist. Hängen Sie ein Suchplakat auf, ist eines aber wichtig: Geben Sie nie die komplette Ringnummer an. Der Grund: Betrüger könnten die Nummer verwenden, um sich als rechtmäßige Besitzer auszugeben oder das Tier für sich zu beanspruchen.
Rufe von Artgenossen können helfen
Haben Sie den Vogel gesichtet, gilt: ruhig bleiben. Vermeiden Sie hektische Bewegungen und nähern Sie sich langsam. Besondere Vorsicht ist bei scheuen Vögeln geboten – sprechen Sie beruhigend auf das Tier ein, anstatt laut nach ihm zu rufen. In der fremden Umgebung wirkt vieles bedrohlich auf den Vogel, was ihn noch schreckhafter macht.
Die Vogelexpertin empfiehlt außerdem: Spielen Sie über einen Lautsprecher vertraute Rufe von Artgenossen oder auch die eigene Stimme laut ab. Besonders Papageien reagieren stark auf solche Laute. Der Grund: Sie sind sehr sozial und haben eine enge Bindung zu ihren Artgenossen und Bezugspersonen. Diese Technik kann helfen, den Vogel wieder näher zu locken.
Mit einem „Lockvogel“ zum Erfolg
Je zahmer ein Vogel ist, desto größer die Chance, dass er sich einfangen lässt. Heike Mundt betont die Bedeutung regelmäßigen Trainings: „Auch bei zahmen Vögeln gilt, eher Abstand halten und den Vogel mit normaler Stimme rufen. Leckerlis können dabei sehr überzeugend sein“. Möchten Sie den Vögel mit Hilfe von Leckerlis anlocken, sollten Sie allerdings mehrere und gut sichtbar platzieren. So stellen Sie sicher, dass der entflogene Vogel sie auch aus der Ferne sieht.
Wenn der Vogel einen Partner hat, kann man diesen als „Lockvogel“ nutzen. Der Partnervogel sollte sicher in einem „Käfig-im-Käfig-System“ untergebracht sein. Zusätzlich sollte er beispielsweise auf den Balkon oder unter den Baum, in dem sich der entflogene Vogel aufhält, erhöht gestellt werden. Landet der entflogene Vogel in dem Fangkäfig, kann man die Tür über ein Seilzugsystem von weiter entfernt schließen. Anschließend kann man beide Tiere vorsichtig ins Haus tragen.
Lässt sich der Vogel nach einiger Zeit immer noch nicht auffinden, können zusätzlich Veterinäramt, Ordnungsamt oder die Feuerwehr informiert werden. Sie können, falls nötig, eine großflächige Suche auch über die Stadt und den Kreis hinaus einleiten.
Im Baum oder auf dem Dach: Schwer erreichbare Vögel einfangen
Wenn ein Vogel auf einem Baum, einem Dach oder an einem anderen schwer zugänglichen Ort landet, sind Geduld und Geschick gefragt. „In solchen Situationen kann es hilfreich sein, das Umfeld ruhig zu halten und dem Vogel Zeit zu geben, sich zu beruhigen,“ rät Heike Mundt.
Meist ist es sinnvoll, den Vogel bis zur Abenddämmerung im Blick zu behalten und anzulocken. Denn wenn es dunkel wird, bewegen sich Vögel in der Regel nicht mehr fort. In der frühen Morgendämmerung sollte man spätestens wieder an der Stelle, an der man den Vogel zuletzt gesehen hat, sein, um ihn weiterhin im Auge behalten und ihn anlocken zu können.
Nicht selbst in Gefahr bringen
Generell warnt die Expertin aber: „Bei aller Liebe zum Tier: Der Halter sollte sich nicht selbst in Gefahr bringen“. Es sei ratsam, keinesfalls ungesichert auf Bäume oder Dächer zu klettern. Wenn der Vogel mit einer Leiter erreicht werden kann, muss diese am Boden gesichert werden. Sitzt der Vogel sehr hoch, hilft oft nur noch die Feuerwehr. Einfangen wird der Vogel sich dann aber nur lassen, wenn er aus Angst oder wegen zunehmender Schwäche aufgrund von Futter- oder Wassermangel nicht mehr fliegen kann oder will.
Entscheidet sich ein entflogener Vogel dazu, einen Menschen oder Gärten, Terrassen oder auch Vogelfutterhäuser oder Taubenschläge anzufliegen, sind dafür fast immer Durst und Hunger verantwortlich. Viele fallen jedoch dann Prädatoren beziehungsweise Fressfeinden zum Opfer. Einige Tiere werden auch eingefangen, um sie dann widerrechtlich zu behalten.
Kissenbezüge oder große weiche Handtücher sind eine Alternative zu sperrigen Kartons oder Transportboxen und helfen, den Vogel sicher festzuhalten. Zurück auf dem Boden kann man den Vogel in eine Transportbox umsetzen.
Welche Rolle spielt die Art des Vogels beim Einfangen?
Die Art des Vogels spielt eine große Rolle beim Einfangen. Viele Sittich- und Papageienarten können in ihrem natürlichen Lebensraum weite Strecken zurücklegen. Außerhalb der Brutzeit sind sie nicht an einen festen Standort gebunden und durchstreifen die Umgebung auf der Suche nach Futter. Wenn entflohene Wellensittiche aufgeschreckt werden oder auf Nahrungssuche gehen, können sie sich immer weiter von ihrem Zuhause entfernen.
Das sogenannte „Rückruftraining“ kann mit Papageien, Sittichen und einigen anderen Vogelarten trainiert werden. Dabei lernen die Vögel, auf Zuruf – zum Beispiel sagen viele Halter: „Komm“ – zurückzufliegen und auf dem ausgestreckten Arm zu landen.
Doch Mundt betont, dass die Situation draußen eine andere als in der stressfreien Wohnung sei. Selbst Vögel, die das Rückruftraining in der gewohnten Umgebung beherrschen, ließen sich nach dem Entfliegen nicht unbedingt auf diese Weise anlocken. Die Expertin sagt: „Leider fliegen viele Vögel aus Angst in die höchsten Stellen im Baum oder auf Hausdächer und von da aus im Wind weiter. Sie haben in der Wohnung nicht gelernt, mit Wind zu fliegen. Daher sollte man bei einer Suche immer die Windrichtung kennen, die in der Zeit des Wegfliegens herrschte und jetzt herrscht.“
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Vogel einfangen: Praktische Tipps auf einen Blick
- Zahmheit nutzen: Je zahmer der Vogel, desto größer die Chance, dass er sich einfangen lässt. Regelmäßiges Training ist wichtig. Bei entflogenen Vögeln sollten Sie Abstand halten und den Vogel mit „normaler“ Stimme rufen. Gut sichtbar platzierte Leckerlis können dabei sehr hilfreich sein.
- Partner als Lockvogel einsetzen: Wenn der Vogel einen Partner hat, kann dieser als „Lockvogel“ genutzt werden. Stellen Sie den Partnervogel sicher in einer „Käfig-im-Käfig-Box“ auf den Balkon oder unter den Baum, wo sich der entflogene Vogel aufhält. Landet der entflogene Vogel in der Fangbox, tragen Sie beide vorsichtig ins Haus.
- Ringnummer notieren: Notieren Sie sich die Ringnummer Ihres Vogels, sofern er beringt ist oder halten Sie den Herkunftsnachweis griffbereit. Diese Nummer kann als Beleg gegenüber einem möglichen Finder dienen und hilft dabei, den Halter ausfindig zu machen, falls der Vogel gefunden wird.
- Professionelle Hilfe: Wenn der Vogel an einem schwer zugänglichen Ort sitzt, wie auf einem Baum oder einem Dach, bringen Sie sich nicht in Gefahr. Nutzen Sie eine gesicherte Leiter oder holen Sie professionelle Hilfe, wie die Feuerwehr, einen Vogeltrainer oder Tierarzt.