6. Januar 2025, 7:12 Uhr | Lesezeit: 11 Minuten
Haben Sie sich schon einmal gefragt, warum Vögel keinen Winterschlaf halten? PETBOOK geht der Frage nach und sprach mit einer Expertin darüber, wie die Tiere den Winter dennoch gut überstehen.
Igel machen es, Siebenschläfer sowieso, aber auch Eichhörnchen und Frösche: Sie alle verbringen den Winter mehr oder weniger tief schlafend. Sobald Kälte und Frost nahen, ziehen sich zahlreiche Tiere zurück. Ob Winterschlaf, Winterruhe oder Winterstarre – vor allem Säugetiere und Amphibien haben spezielle Strategien entwickelt, wie sie ruhend die kalte Jahreszeit überstehen. Aber heimische Vögel handhaben es anders denn sie halten keinen Winterschlaf.
Winterschlaf, Winterruhe und Winterstarre – was ist das überhaupt?
Wenn sich Tiere während der kalten Jahreszeit zurückziehen, geschieht das meist aus Nahrungsmangel: Ihr bevorzugtes Futter steht im Winter schlichtweg nicht mehr zur Verfügung. Dann gilt es, Energie zu sparen, und das geht am besten im Schlaf. Doch nicht alle Tiere, die sich für die kalten Monate eine geschützte Unterkunft suchen, verschlafen diese Zeit komplett. Zwar halten manche Tiere wie Igel, Fledermäuse und Siebenschläfer tatsächlich echten Winterschlaf. Daneben aber gibt es auch Tiere, die lediglich Winterruhe halten und solche, die in Winterstarre fallen.
Während die Winterstarre ein schon todesähnlicher Zustand ist, bei dem die Körperfunktionen der Tiere fast vollständig heruntergefahren werden, verändert sich der Stoffwechsel von Tieren, die Winterruhe halten, kaum. Wer dagegen Winterschlaf hält, schläft zwar tatsächlich tief, kann aber bei Bedarf auch aufwachen. Sogenannte echte Winterschläfer wie Siebenschläfer, Fledermäuse und Igel fahren ihren Stoffwechsel und andere Körperfunktionen während dieser Zeit ebenfalls herunter. Bei Igeln etwa sinkt die Körpertemperatur auf etwa acht Grad Celsius. Zudem atmet das Tier statt 50 nur noch ein bis zwei Mal pro Minute. Auch der Herzschlag verringert sich.1
Andere Tiere wie Eichhörnchen und Waschbären halten Winterruhe. Das heißt, sie schlafen nicht durchgehend. Auch die Körperfunktionen wie Atmung, Herzschlag und Stoffwechsel der Tiere verändern sich in der Regel nicht. Zwar schlummern auch sie während der kalten Monate mehr als sonst, wachen aber regelmäßig auf und nehmen dann auch Nahrung zu sich. Wie häufig die Tiere aufwachen, hängt untere anderem davon ab, wie kalt es ist und wie viel Futter sie finden.2
Winterstarre als todesähnlicher Zustand
Von Winterschlaf und Winterruhe unterscheidet sich die Winterstarre, während der die Tiere wie tot erscheinen. Meist fallen sogenannte wechselwarme Tiere, Amphibien und Schnecken in Winterstarre. Frösche, Kröten, Eidechsen und Schlangen, aber auch zahlreiche Insekten verbringen die kalten Monate des Jahres in diesem Zustand. Er setzt ein, sobald die Außentemperaturen unter die von der jeweiligen Tierart tolerierbaren Gradzahl sinkt. Dann verringert sich auch die Körpertemperatur der Tiere. In Winterstarre befindliche Tiere fressen nicht, können sich nicht mehr bewegen und auch nicht aufgeweckt werden.3
Heimische Vögel halten keinen Winterschlaf
Nahrungsmangel, fallende Temperaturen, hormonelle Umstellungen – mehrere Ursachen kommen zusammen, die Tiere in den Winterschlaf zwingen. Eine Wahl haben sie nicht. Bei Vögeln sieht es dagegen anders aus. Trotz weniger Nahrung und kalten Temperaturen gibt es in Deutschland keine Vögel, die Winterschlaf oder wenigstens Winterruhe halten. „Entsprechende Anpassungen haben sich während der Evolution nicht entwickelt“, erläutert eine Sprecherin der Nordrhein-Westfälischen Ornithologengesellschaft (NWO) auf PETBOOK-Nachfrage.
Im Laufe ihrer Entwicklung haben die Tiere andere Wege gefunden, um kalte und nahrungsarme Monate zu überstehen. „Zugvögel wie Nachtigall, Mauersegler und die meisten Störche wählen die mitunter tausende Kilometer umfassende Reise in wärmere Regionen“, so die NWO-Sprecherin. Allerdings machen diese Tiere sich nicht auf den Weg, weil es ihnen zu kalt wird, sondern weil hierzulande im Winter die bevorzugte Nahrung knapp wird.4
Aufplustern gegen die Kälte
Meisen, Rotkehlchen, Amseln und zahlreiche andere Gartenvögel dagegen harren auch bei widrigem Wetter und Minusgraden aus. „Sie finden dann in der Regel immer noch ausreichend Futter und können selbst genug Wärme herstellen.“ Die im Gegensatz zu wechselwarmen Tieren wie etwa Schlangen gleichwarmen Vögel müssen dazu ihre Körpertemperatur jedoch konstant auf etwa 38 bis 42 Grad Celsius halten. Dabei hilft, was sich schon auf den ersten Blick erkennen lässt: ordentlich aufgeplustertes Gefieder. Wer schon einmal Vögel im Winter beobachtet hat, wird bemerkt haben, dass die Tiere optisch an einen runden, flauschigen Federball erinnern.5
„Diese Form ist kein Zufall, denn die Kugel ergibt im Verhältnis zum Körpervolumen die geringste Oberfläche, über die demnach auch die wenigste Wärme verloren geht“, erläutert der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) dazu. Das aufgeplusterte Gefieder wirke wie eine Daunenjacke mit einem Polster aus warmer Luft – ein Effekt, den sich auch der Mensch zunutze macht, wenn er sich an kalten Tagen in eine dicke Jacke hüllt. Zudem verhindere ein spezielles, vogelspezifisches „Wärmeaustauschsystem“, dass die Tiere über ihre meist federlosen Beine zu viel Wärme verlieren.
Kalte Beine halten warm
Der „Trick“ dabei: Das Blut, das in den Beinen nach unten fließt, gibt seine Wärme rechtzeitig an das Blut ab, das in entgegengesetzter Richtung in den Körper zurückfließt. Dadurch werden die Vogelbeine zwar auf fast null Grad gekühlt. Dennoch sind Beine und Füße der Tiere gut durchblutet, wenn auch mit deutlich kälterem Blut. Dadurch aber geht kaum Wärme über die nackten Beine verloren, weshalb Vögel nicht komplett auskühlen. Besonders bei Enten lässt sich dieser Effekt gut beobachten. Selbst im kältesten Winter watscheln die Tiere über gefrorene Gewässer, ohne selbst festzufrieren oder das Eis unter ihren Füßen zum Schmelzen zu bringen.6
Sonne tanken, Gefieder fetten, in Höhlen übernachten
Nicht nur das körpereigene Wärmeaustauschsystem macht Vögel hierzulande winterfest und lässt sie die kalte Jahreszeit auch ohne Winterschlaf überstehen. Auch ihr Federkleid und dessen Beschaffenheit schützt sie vor dem Wetter. So sind etwa Enten durch ihre Deckfedern und warmen Daunen gut gegen Kälte und Nässe gewappnet. Um die Kälteresistenz zu verstärken, fetten die Tiere ihre Federn zusätzlich mit einem öligen Sekret ein, das in der Bürzeldrüse produziert und mithilfe des Schnabels auf dem Gefieder verteilt wird, wie der Nabu mitteilt.
Außerdem können vor allem Vögel mit überwiegend dunklem Gefieder „Sonne tanken“ und dadurch Wärme speichern. Selbst wenig Sonnenschein können diese Vögel bereits für sich nutzen, indem die Federn nicht einmal 20 Prozent des auftreffenden Lichts reflektieren. Das reicht, um die Tiere zu wärmen. Wird es vor allem nachts sehr kalt, haben Vögel zudem die Möglichkeit, ihre Körpertemperatur zu reduzieren, so der Nabu. Dadurch wird der Energieverbrauch deutlich verringert. Andere Vögel wie etwa einige Baumläuferarten, übernachten mit mehreren Tieren dicht aneinandergedrängt, um sich gegenseitig zu wärmen. Kohlmeisen dagegen suchen geschützte Höhlen oder Nistkästen auf, um kalten Nächten zu entfliehen.
Vögel benötigen im Winter mitunter mehr Nahrung
Raufußhühner, die unter anderem in Bayern und dort vor allem im Gebirge vorkommen, können sich notfalls sogar einschneien lassen, ohne zu erfrieren. Ihren Namen haben die Tiere dank ihrer befiederten Füße, die unter anderem verhindern, dass sie beim Laufen auf Schnee einsinken. Ansonsten verbringen sie den Winter mit wenig Bewegung, um nicht unnötig Energie zu verschwenden. Wie das Bayerische Landesamt für Umwelt mitteilt, halten sich die Tiere dann nur dort auf, „wo sie auf engstem Raum Nahrung, Deckung vor Fressfeinden und Schutz vor Kälte finden“.
Dennoch müssen sie regelmäßig fressen, um ihren Energiehaushalt aufrecht halten zu können. Denn nicht nur sinkende Temperaturen sind trotz ausgereifter Wärmetricks ein Problem für Vögel, die hierzulande überwintern. Um ihre Körpertemperatur trotz kalter Umgebung halten zu können, benötigen die Tiere mitunter deutlich mehr Nahrung als im Sommer.7
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Vorratshaltung gegen Nahrungsknappheit
Im Winter sind Insekten, Früchte und Körner weniger üppig oder gar nicht vorhanden. „Vor allem Vögel, die sonst überwiegend Insekten fressen, müssen ihre Nahrung daher während der kalten Monate umstellen“, so eine Sprecherin der Nordrhein-Westfälischen Ornithologengesellschaft (NWO). Daher weichen Vogelarten wie Meisen und Rotkehlchen in den kalten Monaten auf Samen, getrocknete Beeren, Nüsse und Körner aus, die sie sich an Sträuchern oder Futterhäuschen zusammensuchen.
Eine weitere Möglichkeit, sich für den Winter zu wappnen, ist die Vorratshaltung. Denn nicht nur Eichhörnchen greifen auf diese Strategie zurück – auch einige Vogelarten legen Vorräte an, wie etwa der Kleiber. Wer ein Futterhäuschen aufgestellt hat, konnte es vielleicht schon beobachten: Der Kleiber kommt, sammelt Kerne und Nüsse mit dem Schnabel auf und fliegt davon.
Dieses Verhalten wiederholt sich einige Male, wobei der Vogel jedes Mal nur wenige Körner direkt frisst. Die meisten nimmt er mit. Wie die Sprecherin der NWO erläutert, ist dieses Verhalten typisch für Kleiber und kein reines Winterphänomen. Während die Vögel im Sommer eher Insekten bevorraten, müssen sie in der kalten Jahreszeit auf Körner und Samen zurückgreifen, die sie dann in Spalten, Ritzen und unter Flechten verstecken. Mitunter wird das gebunkerte Futter auch vergraben. Die eingelagerten Vorräte halten etwa eine Woche.8 9
Kauze nutzen Tiefkühlkost
Auch andere Vögel legen Vorräte an, darunter Sumpfmeisen, Tannenhäher und der bekanntere Eichelhäher. Wie der Name schon verrät, legen diese Vögel im Herbst umfangreiche Eichel-Vorräte an, auf die sie in den Wintermonaten zurückgreifen. Diese Vögel finden ihre Verstecke selbst unter einer geschlossenen Schneedecke wieder, teilt die NWO mit. Übrigens: Da nicht alle angelegten Nahrungsverstecke wiedergefunden werden, spielt diese Art der Vorratshaltung eine wichtige Rolle im Ökosystem Wald: Pflanzen und deren Samen werden auf diese Weise verbreitet, neue Bäume können entstehen.10
Der auch in Deutschland vorkommende, höchstens 19 Zentimeter messende Sperlingskauz legt ebenfalls Nahrungsvorräte an, allerdings bevorzugt er als Futter Mäuse, andere Kleinsäuger und Vögel. Einen Teil ihrer Beute lagert die kleine Eulenart vor allem im Herbst und Winter in leeren Baumhöhlen und ähnlichen Behausungen zwischen. Während der Kältephasen gefrieren die toten Tiere und bleiben dadurch wie in einer Tiefkühltruhe für längere Zeit nutzbar, etwa, wenn wegen schlechten Wetters keine Beutetiere erlegt werden.
Zum Auftauen werden die Beutetiere dann unter das warme Gefieder des Käuzchens gepackt. Diese Art der Vorratshaltung betreibt der Sperlingskauz auch in anderen Regionen Europas. Allerdings stellen zunehmend mildere Winter die Tiere vor Herausforderungen: Bleiben die Temperaturen zu warm, gefrieren die Beutetiere nicht mehr in ihren Verstecken und verderben. Das kann Auswirkungen auf das lokale Überleben der Tiere im Winter haben, wie eine finnische Studie an den Eulen aus dem Jahr 2020 nahelegt.11 12
Kolibris in Kältestarre
Während Vögel aus heimischen, mitteleuropäischen Gefilden keinen Winterschlaf halten, gibt es auf anderen Kontinenten durchaus Artgenossen, die während Kälteperioden zumindest kurzfristig in einen schlafähnlichen Zustand fallen können, wie eine Sprecherin der Nordrhein-Westfälischen Ornithologengesellschaft (NWO) auf PETBOOK-Nachfrage mitteilt. „Dazu gehören einige Kolibri-Arten und die in Nordamerika vorkommende Winternachtschwalbe.“ Dieser Zustand wird wissenschaftlich Torpor genannt und dauert meist nur wenige Stunden.
In den Anden lebende Kolibri-Arten überstehen so etwa auch eisige Nächte. Tagsüber, während die Außentemperaturen in dem Hochgebirge wärmer sind, beträgt ihre Körpertemperatur rund 36 Grad Celsius. Für die Region typische und starke Temperaturschwankungen jedoch machen es den kleinen Vögeln unmöglich, diese Temperatur auch in kalten Nächten zu halten. Daher fallen Anden-Kolibris in eine Art Dämmerschlaf, wenn es abends zu kalt wird. Während dieses Torpor können sie ihre Körpertemperatur je nach Art sogar auf rund 3,3 Grad Celsius senken – die tiefste jemals bei Vögeln gemessene Temperatur. Steigen die Temperaturen morgens wieder an, erwachen die Vögel aus der Starre und beginnen mit der Nahrungsaufnahme. Ein solcher kurzfristiger Kälteschlaf dauert längstens 13 Stunden, in der Regel ist er aber deutlich kürzer.13

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Langanhaltender Torpor äußerst selten
„Von den Küken der in Deutschland brütenden Mauersegler kennt man eine Art des Topor ebenfalls, sie überstehen so kurze Hungerphasen bei schlechtem Wetter“, so die NWO-Sprecherin. „Kolibris und Segler sind ja auch eng verwandt, was man unter anderem an diesem Verhalten erkennen kann.“ Ein über Wochen andauernder, längerer Torpor ist dagegen in der Vogelwelt selten. Eine Ausnahme stellt die Winternachtschwalbe dar. Die Tiere sind mit dem auch in Mitteleuropa vorkommenden Ziegenmelker verwandt und leben überwiegend im Westen und Südwesten der USA. Wenn die Temperaturen dort im Winter unter zehn Grad Celsius sinken, fallen die Vögel in Torpor. Diesen verbringen sie meist in Felsnischen.14
Die Körpertemperatur der Tiere sinkt in dieser Zeit ähnlich wie bei Winterschlaf haltenden Säugetieren deutlich. Auch die Sauerstoffaufnahme der Vögel liegt dann bei nur noch rund zehn Prozent der sonst üblichen Menge. So überstehen sie auch längere Kälteperioden. Erste wissenschaftliche Hinweise auf dieses Verhalten stammen erst aus dem 19. Jahrhundert. Amerikanische Ureinwohner jedoch kannten dieses für Vögel ungewöhnliche Verhalten da schon längst. Die Winternachtschwalbe heißt aus ihrer Sprache übersetzt „der Schlafende“.