24. Juli 2023, 16:56 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Die Afrikanische Mähnenratte ist auf den ersten Blick ein eher unauffälliges, kleines Tier. Forscher konnten sich lange nicht erklären, warum Löwen und Elefanten meist einen weiten Bogen um das scheinbar wehrlose Nagetier machten. Bis sie es im Labor untersuchen konnten.
Viele kleine Lebewesen haben Strategien entwickelt, um sich vor jägerischen Tieren zu schützen. Manche passen sich mit Camouflage ihrer Umgebung an. Andere laufen um einiges schneller als Beutegreifer, die sie als ihre nächste Mahlzeit auserkoren haben und lassen sie weit hinter sich. Wiederum andere schmieren sich mit einem Speisebrei aus Wurzeln und Rinde eines Giftbaums ein und können Elefanten und Löwen töten. Das glauben Sie nicht? Dann stellt PETBOOK Ihnen die Afrikanische Mähnenratte und ihre wohl einzigartige Verteidigungsstrategie einmal näher vor.
Afrikanische Mähnenratte ist eine regelrechte Giftmischerin
Lange war nicht bekannt, wie die Mähnenratte, die auf den ersten Blick sehr an ein Stachelschwein erinnert, sich gegen Fressfeinde verteidigt. Denn ihr Fell ist eher weich. Die Tiere sind nicht besonders schnell und erstarren, wenn sie von größeren Tieren bedroht werden. Trotzdem machen viele erfahrene Jäger der Tierwelt einen weiten Bogen um die unscheinbaren Nager.
Wissenschaftlern um Fritz Vollrath, von der Oxford Universität in England, konnten 2011 das erste Mal das Verhalten der Mähnenratte unter Laborbedingungen untersuchen. In der Natur wurde das Tier zunächst dabei beobachtet, wie es Blätter, Wurzeln und Rinde eines bestimmten Baumes fraß. Das Pfeilspitzen-Schöngift (Acokanthera schimperi), welches die Afrikanische Mähnenratte kaute, ist ein Hundsgiftgewächs. Ein Gemisch aus dieser Pflanze wurde bereits vor 6000 Jahren bei archäologischen Funden als Pfeilgift nachgewiesen. In äußerst geringer Konzentration wirkt es stimulierend auf Herz und Kreislauf, ab einer Dosis von wenigen Milligramm ist es jedoch tödlich. Diese Pflanze wurde dem Tier auch zur Verfügung gestellt, als es im Labor untersucht wurde. Es fraß die hochtoxischen Blätter mit großem Gusto. Die Forscher stellten die Theorie auf, dass sie sich mit dem Gift ungenießbar machte.
2020 wurde die Theorie bestätigt und sogar erweitert. Sara Weinstein von der Universität Utah in den USA und ihr Team konnten 25 Tiere dabei beobachten, wie sie verschiedene Bestandteile der hochgiftigen Pflanze knabberten. Damit stellten sie einen toxischen Brei her und übertrugen ihn auf ihr Fell, anstatt ihn zu fressen. Die Studie erschien im Wissenschaftsmagazin „Journal of Mammalogy“.
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Giftmischendes Nagetier hat komplexes Sozialverhalten
Unter dem Mikroskop konnten die Forscher außerdem die Haare der Tiere untersuchen. Diese besaßen eine einzigartige Struktur mit wabenartigen Einhöhlungen, in denen sich das Gift sammelt. Das Gemisch bestand aus der Spucke der Tiere und der hochtoxischen Substanz aus dem Pfeilgiftstrauch. Wird eine Afrikanische Mähnenratte angegriffen, stellt sie sich dem beutegreifenden Tier entgegen und stellt ihre namensgebende Mähne auf. Die mit Toxinen bestrichenen Haare werden an einem Scheitel sichtbar. So sind sie eine deutliche Warnung, dass dieses Nagetier nicht schmackhaft ist. Ihr Gift ist potenziell so tödlich, dass es einen Elefanten dahinraffen könnte und Löwen sterben würden, wenn sie das Tier auch nur ablecken würden.
In der Studie von 2020 konnten die Forscher zudem nachweisen, dass die Mähnenratte trotz ihrer Eigenart als Giftmischerin ein gut sozial-vernetztes Tier ist. Die Tiere gehen monogame Verbindungen ein und bilden Kleinfamilien, was für Nagetiere sehr ungewöhnlich ist. Allerdings konnten die Forscher noch nicht herausfinden, wie sie es schaffen, ihre Familien bei Körperkontakt nicht auch zu vergiften. Auch wie sie ihren Giftcocktail überleben, falls sie sich beim Anmischen verschlucken, muss noch untersucht werden. Herauswürgen können sie ihn nämlich nicht.
Die Afrikanische Mähnenratte ist bis zu 30 Zentimeter lang und erreicht eine Schwanzlänge von bis zu 18 Zentimetern. Sie zählt zu den Mäuseartigen und hat trotz Ähnlichkeit zum Stachelschwein keine näheren Verwandten. Die nachtaktiven Nager finden sich vor allem in den Bäumen von Kenia, Uganda, Tansania. Aber auch in Somalia, Äthiopien und dem Sudan sollte man sich bei einer Begegnung mit dem toxinen Tier vorsehen.
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Quellen
- Kingdon, J., Agwanda, B., Kinnaird, M., O’Brien, T., Holland, C., Gheysens, T., … & Vollrath, F. (2012). A poisonous surprise under the coat of the African crested rat. Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences, 279(1729), 675-680.
- Weinstein, S. B., Malanga, K. N., Agwanda, B., Maldonado, J. E., & Dearing, M. D. (2020). The secret social lives of African crested rats, Lophiomys imhausi. Journal of Mammalogy, 101(6), 1680-1691.