Direkt zum Inhalt wechseln
logo Das Magazin für alle Tierbesitzer und -liebhaber
Lemminge und gestrandete Delfine

Begehen Tiere tatsächlich Selbstmord? 

Ein toter Delfin am Strand
Immer wieder gibt es Augenzeugenberichte darüber, dass Delfine absichtlich an den Strand schwimmen, um zu sterben. Aber handelt es sich dabei tatsächlich um Selbstmord? Foto: Getty Images
Porträt Saskia Schneider auf dem PETBOOK Relaunch
Redaktionsleiterin

15. April 2023, 8:58 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten

Suizid ist etwas, was uns Menschen von Tieren unterscheidet. Trotzdem gibt es immer wieder Berichte und Gerüchte, dass auch Tiere sich absichtlich das Leben nehmen. Aber gibt es so etwas wie Selbstmord tatsächlich auch im Tierreich?

Artikel teilen

Eines der wohl bekanntesten Phänomene für Suizid im Tierreich sind die Lemminge, die sich zu Zehntausenden über steile Klippen ins Meer stürzen. Zumindest ist es das Bild, das viele bis heute von den hoch im Norden lebenden Nagern haben. Zwar stimmt es, dass viele Lemminge auf ihren Wanderungen ihr Leben verlieren: Selbstmord begehen die Tiere dabei aber nicht. Diese weit verbreitete Legende vom Massenselbstmord der Lemminge hat ihren Ursprung höchstwahrscheinlich in der Tierdokumentation „Weiße Wildnis (White Wilderness)“ von Walt Disney. Dort zeigt eine Szene, wie sich Lemminge auf eine Massenwanderung in der Arktis begeben und von einer Klippe in den kalten Ozean stürzen. Doch die Tierfilmer hatten nachweislich nachgeholfen und die Tiere selbst über die Klippen getrieben, wie später bekannt wurde. Aber gibt es tatsächlich Tiere, die sich absichtlich das Leben nehmen?

Wie ist Selbstmord definiert?

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert Suizid als „alle Handlungen, die zum Tod führen, die absichtlich von der Person selbst ausgeführt wurden und bekannt oder angenommen werden, dass sie den Tod zur Folge haben werden.“ Die Definition bezieht sich also nur auf Menschen. Auch die Psychiater Prof. Dr. med. Ulrich Hegerl und Manfred M. Fichter schreiben in einer wissenschaftlichen Publikation zu dem Thema: „Suizidales Verhalten ist ein einerseits schillerndes, andererseits düsteres Phänomen, durch das wir Menschen uns vom Tierreich abheben. Selbst bei Primaten wird kein suizidales Verhalten beobachtet.“

Tatsächlich gibt es bisher nur begrenzte wissenschaftliche Untersuchungen zu Selbstmord im Tierreich, da es schwierig ist, das Verhalten von Tieren in freier Wildbahn zu beobachten und zu interpretieren. Es ist aber bekannt, dass Tiere in bestimmten Situationen selbstzerstörerisches Verhalten zeigen können. Dieses kann im schlimmsten Fall zum Tod führen, zum Beispiel, wenn Tiere durch ein gestörtes Verhaltensmuster, den Kopf an die Wand schlagen. So gab es etwa den Fall vom Orca Hugo, der 10 Jahre in einem kleinen Becken im Miami Seaquarium lebte und immer wieder mit dem Kopf gegen die Beckenwand schlug. Das Tier starb schließlich an einem Hirn-Aneurysma. Ob das die Absicht hinter dem Verhalten war, ist aber höchst fragwürdig.

Auch interessant: Was kann ich tun, wenn mein Hund aggressives Verhalten zeigt? 

Selbstzerstörerisches Verhalten bei Tieren

Ein Phänomen, welches gerne mit Selbstmord bei Tieren in Zusammenhang gebracht wird, ist das Stranden von Walen und Delfinen an Land. Hierbei wird vermutet, dass diese Tiere manchmal absichtlich an Land schwimmen, um sich selbst zu töten. Wissenschaftlich beweisen konnte man das bisher aber nicht. So gibt es auch andere Erklärungen für diese Strandungen, wie zum Beispiel Krankheit, Fehlorientierung oder Umweltfaktoren.

Über einige Primatenarten gibt es Berichte, dass sich die Tiere in Gefangenschaft selbst verletzen, indem sie sich ihre eigenen Gliedmaßen oder Genitalien abbeißen. Man nimmt an, dass dies durch Stress oder psychologische Probleme ausgelöst wird. Zudem gibt es Berichte über Wildtiere, die sich in Todesangst selbst Gliedmaßen abbeißen, um aus einer Falle zu entkommen.

Auch Haustiere können selbstzerstörerisches Verhalten zeigen. Meist steht dies mit Stress oder schlechten Haltungsbedingungen in Zusammenhang. So entwickeln Papageien bei Einzelhaltung oft Verhaltensstörungen und reißen sich die eigenen Federn aus. Hunde und Katzen können sich aus Stress oder Reizarmut regelrecht wund lecken oder auch beißen. Auch hier liegen überwiegend Verhaltensstörungen zugrunde. Von einer bewussten Absicht, sich selbst zu gefährden oder gar zu töten, kann man aber aus Sicht der Verhaltensbiologie nicht sprechen.

Tiere, die ihr Leben riskieren

Es gibt auch Fälle von Tierarten, die bei Gefahr ihr eigenes Leben riskieren, um etwa ihren Nachwuchs zu schützen. Zum Beispiel werfen sich einige Vogelarten, wie der Sandregenpfeifer, durch Scheinangriffe auf Feinde, um diese von ihren Jungen abzulenken und so zu schützen. Auch andere Tiere opfern ihr eigenes Leben für andere auf. So verlieren Honigbienen bei einem Stich des Feindes nicht nur den Stachel, sondern auch ihr Leben. Sie retten damit aber vielleicht das Volk vor einem Angriff. Allerdings ist nicht davon auszugehen, dass sich die Biene in diesem Moment bewusst ist, dass sie ihr Leben verliert. Vielmehr handelt es sich um eine instinktive Reaktion.

Wenn Tiere ihr Leben bewusst aufs Spiel setzen, hat das immer den Zweck, ihren Nachwuchs oder andere Mitglieder der Gruppe zu schützen. Im Fall von manchen Spinnen, die sich nach der Paarung von der Partnerin (mal mehr und mal weniger) freiwillig fressen lassen, kommt auch dies letztendlich dem Nachwuchs zugute, da ein wohlgenährtes Weibchen besonders gut ihren Mutterpflichten nachkommen kann.

Sind Tiere überhaupt zu Selbstmord in der Lage?

Insgesamt ist es schwierig zu sagen, ob es Selbstmord im Tierreich gibt, da es schwierig ist, die Motivationen und Gedanken von Tieren zu verstehen und zu interpretieren. Bisher wird vermutet, dass nur Menschen zu Suizid in der Lage sind. Wissenschaftlich beweisen lässt sich das bisher aber nicht. Der Schriftsteller und Informatiker Brian Tomasik, der unter anderem über Ethik und Tierschutz schreibt, äußert seine Gedanken dazu in einem Artikel auf der Plattform des Forschungsinstitutes „Center on Long-Term Risk“: „Wenn Tiere sich töten, wenn ihre Leben nicht lebenswert sind, warum sehen wir nicht mehr Suizide in Mastanlagen? Wahrscheinlich wären zumindest Hennen in Legebatterien besser dran, sich selbst zu töten? Ich denke, Tiere haben einen „Willen zu leben“, der teilweise getrennt von ihrem hedonischen Wohlbefinden ist. […] Wenn Tiere nicht diesen ‚Willen zu leben‘ hätten, würden sie wahrscheinlich nicht so effektiv überleben.“

Depressiv? Stecken Sie in einer Krise? Hier bekommen Sie Hilfe

Unter der kostenlosen Hotline 0800-1110111 oder 0800-1110222 erhalten Sie Hilfe von Beratern, die Auswege aus schwierigen Situationen aufzeigen können. Auch online, unter Telefonseelsorge.de.

Quellen

Mehr zum Thema

Weitere Quellen

Deine Datensicherheit bei der Nutzung der Teilen-Funktion
Um diesen Artikel oder andere Inhalte über Soziale- Netzwerke zu teilen, brauchen wir deine Zustimmung für diesen .
Sie haben erfolgreich Ihre Einwilligung in die Nutzung dieser Webseite mit Tracking und Cookies widerrufen. Sie können sich jetzt erneut zwischen dem Pur-Abo und der Nutzung mit personalisierter Werbung, Cookies und Tracking entscheiden.