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Wissenschaftler verblüfft!

Dieses kleine Säugetier lebt in lebensfeindlicher Höhe von 6700 Metern

Wissenschaftler hält eine Blattohrmaus hoch, die in 6739 Meter Höhe lebt
Auf dem Gipfel des Vulkans Llullaillaco im Norden von Chile haben Forscher in 6739 Meter Höhe eine Blattohrmaus entdeckt. Es ist das erste Mal, dass in so großer Höhe ein Säugetier gesichtet wurde. Foto: picture alliance/dpa/Universidad Austral de Chile | Marcial Quiroga-Carmona
Louisa Stoeffler
Redakteurin

30. Oktober 2023, 14:54 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten

Ab einer Höhe von 6000 Metern können Menschen und andere Säugetiere nicht mehr dauerhaft überleben. Diese Annahme hatte in der Wissenschaft lange Gültigkeit. Doch ein winziger Bewohner der Atacama-Wüste stellt diese Überzeugung nun vollständig auf den Kopf.

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Es gibt Zonen auf unserem Planeten, die zwar wunderschön, aber für das Leben ungeeignet sind. So dachte man zumindest bisher. Denn auf einer Höhe von 6739 Metern in der chilenischen Atacama-Wüste, bei der dem Menschen schon der Atem wegbleiben würde, wurde nun das am höchsten lebende Säugetier der Welt dokumentiert. Die Blattohrmaus hat sich einen der unbeliebtesten Lebensräume der Welt zu eigen gemacht – und das nicht erst seit Kurzem. Wissenschaftler sind verblüfft und verstehen nicht, wie der kleine Nager auf dieser Höhe überleben kann. Eine Entdeckung, die alles bisher Geglaubte über den Haufen wirft.

Blattohrmaus sprengt Höhenrekorde

„Unser Verständnis der Grenzen des tierischen Lebens wird durch die wissenschaftliche Erforschung extremer Umgebungen ständig neu definiert“, schreiben Erstautor Jay Storz von der Universität Nebraska-Lincoln und sein Team in ihrer 2023 erschienen, neuen Untersuchung der Blattohrmaus.

Bereits seit den 1970er-Jahren weiß man, dass es in luftigen Höhen von über 6000 Metern Höhe Blattohrmäuse gab. Damals vermuteten Archäologen jedoch, dass diese auf vulkanischen Gipfeln der Anden gefundenen Tiere von den Inka dorthin gebracht wurden. Doch dem widersprechen die Autoren in ihrer Untersuchung: „Die hier betrachteten Mäusemumien wurden nicht in enger Verbindung mit zeremoniellen Strukturen der Inkas gefunden.“

Mehr über die schöne und doch lebensfeindliche Atacama-Wüste lesen Sie bei TRAVELBOOK: Atacama-Wüste in Chile: die trockenste Wüste der Welt.

Nicht die Inka, sondern eigener Antrieb brachte Blattohrmäuse auf Vulkane

Erst seit wenigen Jahren weiß man, dass es auch heute noch immer lebende Mäuse in diesen unwirtlichen Höhen gibt, bei denen Menschen bereits der Atem stockt. Schon 2020 fanden Storz und Team auf dem Llullaillaco auf 6739 Meter Höhe eine lebende Blattohrmaus. Dieser Vulkan ist der zweithöchste aller noch aktiven Vulkane und befindet sich an der Grenze zwischen Chile und dem nördlichen Argentinien.

Tatsächlich scheint sich die Blattmaus die am höchsten gelegene Wüste der Welt – die Atacama-Wüste mit ihren vielen aktiven Vulkanen – auch nicht erst in jüngster Zeit als Heimat ausgesucht zu haben. In einer weiteren Untersuchung konnten die Wissenschaftler 2023 nun eine jahrhunderte alte Vorliebe der Blattohrmaus für diesen Lebensraum nachweisen.

Mithilfe von Radiokarbondatierungen konnten mumifizierte Tiere auf ein Alter von mindestens 350 Jahren datiert werden. Die Datierungen „bestätigen, dass sie alle weniger als 500 Jahre alt waren, sodass sie nicht gleichzeitig mit den Inkas entstanden sein können“, heißt es in der Studie weiter.

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Mehrere Generationen von Mäusen leben auf über 6000 Meter Höhe

Nur wie die kleinen Säugetiere es schaffen, in dieser Höhe zu überleben, ist noch immer nicht klar. Die Daten des Mäusegenoms zeigten ein hohes Maß an Kontinuität zwischen den Gipfelmäusen und ihren Artgenossen aus tieferen Lagen im umliegenden Altiplano der Anden. Tragen also alle Blattohrmäuse die Anpassungsfähigkeit an diese Höhe in sich?

Genomische Daten zeigten auch, dass es unter den Gipfelmäusen gleich viele Männchen und Weibchen gibt. Auch wurde ersichtlich, dass einige Individuen von denselben Gipfeln eng miteinander verwandt sind. Diese Ergebnisse untermauern die Belege für ansässige Populationen in Höhenlagen über 6000 m. Somit stellen sie alle bisherigen „Annahmen über die ökologischen Grenzen des Lebens von Wirbeltieren und die physiologischen Toleranzen kleiner Säugetiere“ zurecht infrage. Zuvor war man davon ausgegangen, dass ab einer Höhe von 5800 Metern keine Säugetiere mehr leben können.

Viele Fragen noch offen

Doch wie kann es sein, dass die Blattohrmaus in dieser Gegend überleben kann? Denn in dieser Höhe stehen durch geringen Luftdruck weniger als 50 Prozent des normalen Sauerstoffgehalts zur Verfügung. In der Nacht wird es im Lebensraum der Gipfelmäuse bis zu –15 Grad kalt, am Tag bis zu 30 Grad warm. Auch das Nahrungsangebot ist extrem reduziert. Diese Fragen bestehen auch nach jahrelanger Beschäftigung mit dem Phänomen immer noch.

Auch der Grund, aus dem die Tiere in luftige Höhen wanderten, muss noch geklärt werden. Eine mögliche Erklärung ist das Fehlen von größeren Beutegreifern oder Fressfeinden. Es bleibe ein Rätsel, warum die Tiere aus eigenem Antrieb in solch extreme Höhen aufstiegen, geben die verblüfften Forscher am Ende ihrer Untersuchung zu.

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Quellen

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