
24. April 2025, 17:46 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Bombardierkäfer haben mit Sicherheit eine der skurrilsten Methoden, ihre Feinde auf Abstand zu halten. Fühlen sie sich bedroht, schießen die Tiere in einer regelrechten Explosion ein kochend heißes Gasgemisch aus ihrem Hinterleib. PETBOOK-Redakteurin und Biologin Saskia Schneider erklärt, wie der Mechanismus funktioniert und was man sonst noch über diese faszinierenden Insekten wissen sollte.
Bombardierkäfer gehören zu den Insekten, die völlig harmlos aussehen, es aber in sich haben. Im wahrsten Sinne des Wortes. Denn in ihrem Hinterleib bergen die wenige Zentimeter großen Insekten ein explosives Gasgemisch, das sie Angreifern kochend heiß entgegenschleudern – und das ganz ohne sich dabei selbst zu verletzen.
Als Biologin liebe ich Insekten – aber um diese Käfer würde auch ich einen weiten Bogen machen. Denn ich erinnere mich noch gut daran, wie uns meine Tante bei einem Besuch in Texas erzählte, dass sie einmal einen der Käfer von ihrem Körper wischen wollte, als der frech auf ihrem Dekolleté landete. Es gab einen kleinen Knall und sie verspürte einen starken Schmerz. Danach hatte sie regelrechte Verbrennungen auf der Haut.
Käfer besitzen eingebautes Mini-Labor
Wie die Käfer es schaffen, diese Mini-Explosionen zu erzeugen, untersuchte 2015 ein Team von Wissenschaftlern des Massachusetts Institute of Technology mithilfe von Röntgenstrahlen. Demnach haben Bombardierkäfer ein eingebautes Mini-Labor im Hinterleib: zwei Kammern, in denen Chemikalien getrennt gelagert werden. Wenn Gefahr droht, werden sie gemischt – und es entsteht eine kleine Explosion, die man sogar hören kann. Dabei wird ein heißes, giftiges Gemisch aus dem Körper geschleudert. Bei den größeren Arten entsteht dabei sogar eine helle Gaswolke, da das Sekret nach dem Ausspritzen mit der Außenluft reagiert.
Das Erstaunliche: Die Käfer müssen dafür keine Muskeln anspannen. Stattdessen funktionieren winzige Klappen im Inneren wie eine automatische Sprühdose. Der Druck der Explosion drückt sie auf und zu – ganz von allein, im richtigen Rhythmus. Die Ergebnisse wurden im Wissenschaftsmagazin „Science“ veröffentlicht.
„Pupsen“ die Käfer tatsächlich?
Man spricht hier umgangssprachlich von „pupsen“, da bei der Verteidigung der Bombardierkäfer Gase aus dem Hinterleib ausgeleitet werden. Diese entstehen aber nicht im Darm, wie bei vielen Säugetieren. Generell gibt es bei Insekten keine Trennung zwischen Urin und Kot und auch die Verdauung der Tiere funktioniert etwas anders als bei Wirbeltieren. So können sich zwar auch Gase bei der Verdauung bilden, dies passiert aber nicht in dem Umfang. Insekten pupsen also generell nicht – es sieht nur so aus.
Was passiert, wenn einen das Gasgemisch trifft?
In der Regel richten sich die Angriffe der Käfer gegen andere Insekten oder Fressfeinde wie Kröten. Die Insekten können ihre explosive Verteidigungsstrategie aber auch gegen Menschen richten, wenn sie sich von ihnen gestört fühlen. Dafür muss man nicht einmal Hautkontakt zu den Tieren haben. Denn die Käfer können durch entsprechendes Drehen oder Kippen des Hinterleibs auch gezielt schießen. Wird man getroffen, können auf der Haut kleine Brandblasen entstehen. 1
Diese chemische Abwehr ist aber nicht nur hochwirksam, um sich Feinde vom Leib zu halten. Die Käfer können es sogar schaffen, aus dem Magen einer Kröte zu entkommen. Wissenschaftlich dokumentiert wurde das Verhalten erstmals von japanischen Forschern 2018. In ihrer Studie untersuchten sie, wie der Bombardierkäfer Pheropsophus jessoensis unter Laborbedingungen aus zwei Krötenarten, Bufo japonicus und B. torrenticola, entkam.
Obwohl alle Kröten die Bombardierkäfer verschluckten, erbrachen 43 Prozent der Amphibien die Käfer. Und das sogar noch über 100 Minuten nach dem Verschlucken. Alle erbrochenen Käfer waren noch am Leben und aktiv. Ihr Verteidigungsmechanismus hatte ihnen das Leben gerettet.
Wie viele Bombardierkäfer-Arten gibt es?
Wenn wir vom Bombardierkäfer sprechen, meinen wir nicht eine bestimmte Art, sondern eine Gruppe (Brachininae) innerhalb der Laufkäfer (Carabidae). Weltweit kommen etwa 500 Arten von Bombardierkäfern vor – 51 davon leben in Europa.
Ihr markantestes Merkmal ist ihr Verteidigungsapparat im Hinterleib. Er ist von außen aber nicht zu erkennen. Das macht es schwierig, die Insekten auf Anhieb überhaupt als Bombardierkäfer zu identifizieren. Für Laien sind sie kaum von anderen Laufkäfern zu unterscheiden. Ihr Körper ist – je nach Art – zwischen 5 und 15 Millimeter lang und langgestreckt. Die Deckflügel sind kürzer als der Hinterleib und am Ende gerade oder schräg nach innen abgestutzt. Meist sind die Flügeldecken blau oder grün, seltener schwarz gefärbt.
Wo leben Bombardierkäfer?
Bombardierkäfer leben in unterschiedlichen Lebensräumen, bevorzugen jedoch feuchte oder sandige Böden. Tagsüber begegnet man ihnen eher selten, denn sie sind nachtaktive Räuber, die gern Jagd auf kleinere Insekten oder Spinnentiere machen. Obwohl sie flugfähig sind, ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Bombardierkäfer am helllichten Tag durch die Gegend fliegt, eher gering. Vielmehr findet man die Tiere auf offenem Gelände häufig in kleinen Gruppen unter Steinen.
In Mitteleuropa gibt es insgesamt sechs Arten. In Deutschland kann man den Großen Bombardierkäfer (Brachinus crepitans) finden – zum Beispiel in Heidelandschaften und an Weinbergen.

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Sind Bombardierkäfer für Menschen oder Haustiere gefährlich?
Wie bereits beschrieben, dient die Verteidigung vor allem gegen kleinere Störenfriede oder Fressfeinde wie Kröten. Aber auch Menschen und Haustiere können von Bombardierkäfern beschossen werden, wenn sich die Tiere gestört fühlen. Normalerweise verursacht das Gasgemisch keine größeren Schäden. Doch vor allem, wenn sich eine neugierige Hunde- oder Katzennase zu nahe an den Käfer wagt und mit dem Gemisch in Berührung kommt, kann es unangenehm werden.
Eine wirkliche Gefahr besteht höchstens, wenn Hund oder Katze den Käfer in den Mund nehmen oder gar verschlucken. Denn aus dem Kröten-Experiment wissen wir, dass Bombardierkäfer hart im Nehmen sind und ihre Vermeidungsstrategie selbst im Magen ihrer Fressfeinde einsetzen. Das kann schlimmstenfalls zum Erbrechen oder Verätzungen in Mund und Speiseröhre führen.