1. März 2024, 16:42 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Es ist eine wissenschaftliche Sensation, die gleichzeitig mehrere Fragen bei Forschern und Experten aufwirft. So wird seit Jahren das Sozialverhalten der Buckelwale erforscht. Nun gelang es Fotografen erstmals den Geschlechtsverkehr zweier Buckelwale zu filmen. Allerdings mit einer überraschenden Wendung: Die gefilmten Tiere sind beides Männchen.
Da staunten die beiden Fotografen Brandi Romano und Lyle Krannichfeld nicht schlecht, als sie am 19. Januar 2022 kurz vor der Insel Maui in ihrem acht Meter langen Boot auf zwei Buckelwale trafen. Den Fotografen fiel vor allem einer der beiden Meeressäuger auf, der eine ungewöhnlich graue Färbung des Körpers hatte.
Die Sache mit den Buckelwal-Penissen
Die Fotografen beobachteten etwa eine halbe Stunde lang, wie die beiden Wale miteinander interagierten. Dabei fiel ihnen auf, dass der eine der beiden Wale sehr abgemagert war und offensichtlich von Walläusen – einer Parasitenart – befallen war, was wohl auch der Grund für die ungewöhnliche Hautfarbe war. Laut der Studie habe der magere Wal den Anschein gemacht, als wolle er vor dem anderen davon schwimmen. Allerdings habe er keine Anstalten gemacht, mithilfe eines plötzlichen Manövers abzutauschen oder anderweitig zu entkommen. Beide Tiere blieben während der gesamten Begegnung innerhalb von etwa fünf Metern unter der Wasseroberfläche.
Auffällig und überragend zugleich: Während der gesamten Begegnung war der ausgestreckte Penis des verfolgenden Wales sichtbar, was ungewöhnlich ist. Denn normalerweise ist der Penis männlicher Buckelwale im sogenannten Genitalschlitz verborgen und somit nicht sichtbar. So gab es in der Vergangenheit nur eine Situation, in der Forschende einen Buckelwal-Penis zu Gesicht bekamen, und zwar als ein Tier sein bestes Stück zum Urinieren nutze.
Beobachtung gibt Experten Rätsel auf
Doch nun bekamen die Fotografen nicht nur einen Walpenis zu sehen, sondern erstmals den Geschlechtsverkehr zwischen zwei Buckelwalen. Dabei näherte sich der eine Wal erneut dem schwächeren Tier und drang in es ein. Dabei schien es so, als halte er den anderen mit seinen Brustflossen fest. Laut der Augenzeugen seien die Eindringversuche recht oberflächlich und – ihrer Einschätzung nach – nur einige Zentimeter tief gewesen. Dabei soll jedes Eindringen weniger als zwei Minuten gedauert haben, heißt es.
Anschließend tauchte der penetrierende Wal ab und kehrte auch nicht wieder zurück, während der andere Meeresbewohner vorerst in Bootsnähe blieb, bevor auch er etwas später abtauchte. Mindestens genauso ungewöhnlich wie die Beobachtung an sich war die Tatsache, dass es sich bei den beiden Walen um zwei Männchen handelt. Somit wurden die Fotografen nicht nur erstmalig Zeugen von Geschlechtsverkehr zweier Buckelwale, sondern gleichzeitig auch einer homosexuellen Handlung. Ein Umstand, der bei Forschenden für viele Fragen sorgt.
Geht es hier um Sex oder um Dominanzverhalten?
Denn das Sexualverhalten der Buckelwale sei „bis jetzt weitgehend ein Rätsel geblieben“, erklärt Marinebiologin Stephanie Stack im britischen „Guardian“. Sie arbeitet bei der Pacific Whale Foundation und ist Hauptautorin der Studie. „Diese Entdeckung stellt unsere vorgefassten Meinungen über das Verhalten der Buckelwale infrage“, so die Expertin.
Daher ist diese Beobachtung eine wissenschaftliche Sensation. „Die komplexen sozialen Strukturen dieser unglaublichen Lebewesen kennen wir seit Langem, aber es ist ein einzigartiges und bemerkenswertes Ereignis, zum ersten Mal Zeuge der Kopulation zweier männlicher Wale zu werden.“ Ein großes Rätsel, vor das diese Beobachtung Forscher und Experten nun stellt, ist die Frage nach dem Ziel der Interaktion der beiden Wale. Ging es hier einfach nur um Sex, um das Erproben von Fortpflanzungsverhalten oder um Dominanzverhalten?
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„Unser Problem liegt genau darin, dass man viel zu wenig ‚dabei sein kann‘“
Antworten auf diese Fragen wird es wahrscheinlich erstmal nicht geben. Genauso wenig wie die Antwort auf die Frage, wie häufig es überhaupt zu gleichgeschlechtlichen Paarungen unter Walen kommt. So erklärt Diplom-Biologen Ulrich Karlowski, von der Deutschen Stiftung für Meeresschutz, auf PETBOOK-Anfrage dazu: „Unser Problem bei der Erfassung der Artenvielfalt in den Ozeanen und der Beobachtung tierischen Verhaltens liegt genau darin, dass man viel zu wenig sozusagen ‚dabei sein kann‘. Ein Beispiel: Es dauerte 30 Jahre, bis Wissenschaftler herausfanden, warum einige der Port-River-Delfine in Australien das Schwanzflossenlaufen beherrschen.“
So bewege man sich wissenschaftlich gerade bei marinen Arten oft im Bereich der dunklen Biodiversität. „Wir wissen viel zu wenig“, fasst Ulrich Karlowski zusammen. „Weder ich noch sonst jemand kann eine seriöse, faktenbasierte und damit belastbare Einschätzung dazu geben, wie häufig homosexuelle Handlungen unter Walen vorkommen“, so der Wissenschaftler zu PETBOOK. „Aber vielleicht ist das ja auch schon eine Antwort.“
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Quellen
- „Spiegel.de“, „Tierfilmer nehmen erstmals Sex von Buckelwalen auf – beide Tiere männlich“, (aufgerufen am 01.03.2024)
- „DerStandard.de“, „Buckelwale erstmals beim Sex beobachtet – es waren zwei Männchen“, (aufgerufen am 01.03.2024)
- „TheGuardian.com“, „Humpback sex photographed for first time – and both whales were male“, aufgerufen am 01.03.2024)