18. November 2024, 6:19 Uhr | Lesezeit: 10 Minuten
Seit vielen Jahren sind Pandas vom Aussterben bedroht und es gibt sie nur noch in China. Für das Land der Mitte Grund genug, die Tiere in einem groß angelegten Arterhaltungsprojekt zu schützen – und sie auch für eine diplomatische Politik zu nutzen.
Sie sind unfassbar niedlich und werden in Zoos auf der ganzen Welt zu Stars: Große Pandas und ihre Babys. Im Berliner Zoo wurden zum Beispiel bereits zum zweiten Mal Tiere vorgestellt, die wild lebend nur in China vorkommen, und seitdem weltweit für Begeisterung sorgen. Doch die vom Aussterben bedrohten, schwarz-weißen Bären sind viel mehr als nur eine flauschig anmutende Attraktion: Sie sind auch in diplomatischer Mission unterwegs, denn die Volksrepublik China betreibt Politik mit ihren berühmtesten Exportschlagern. Das geht so weit, dass es dafür sogar eine eigene Bezeichnung gibt: Panda-Diplomatie. Was es damit auf sich hat, wie weit der Einfluss Chinas auf weltweit in Zoos gehaltene Große Pandas reicht und warum auch in Deutschland geborene Tiere irgendwann zurück nach China müssen, erläutert PETBOOK.
Pandas kommen in freier Wildbahn nur noch in China vor
Große Pandas, wie die schwarz-weißen Bären offiziell heißen, gehören zu den vermutlich bekanntesten Tieren der Welt. Mit ihrer unverwechselbaren Optik, dem flauschig wirkenden Körper und den vergleichsweise kleinen, runden Öhrchen wirken sie wie das Kuscheltier schlechthin. Zudem eilt den Bären, die sich mit Vorliebe von Bambusblättern ernähren, der Ruf voraus, eher gemütlich, wenn ich sogar ein bisschen faul und tollpatschig zu sein. Auch das dürfte ein Grund dafür sein, warum die Tiere so beliebt sind.
Zudem steht der Bär seit Jahrzehnten als mahnendes Beispiel für die Zerstörung von bis dato unberührter Natur. Nicht umsonst ist er Wappentier der Natur- und Umweltschutzorganisation WWF. Die vom Aussterben bedrohten Bären kommen in freier Wildbahn lediglich noch in China vor und dort überwiegend in der Provinz Sichuan im Südwesten des Landes.
Zwar bemüht sich China, die Tiere zu schützen und durch menschliches Zutun vor dem Aussterben zu bewahren. Dennoch leben schätzungsweise nur noch rund 1800 bis 2000 Große Pandas in freier Wildbahn, knapp 700 in menschlicher Obhut. Daher spielen der Schutz dieser Tiere und die Bemühungen um erfolgreiche Nachzuchten für China eine große Rolle. Inzwischen gibt es Schutzgebiete, die eine Zersiedelung und Zerstörung des Panda-Lebensraums verhindern sollen. In großen, naturnah gestalteten Panda-Reservaten wie etwa in der Stadt Chengzou, werden die einzelgängerisch lebenden und als eher fortpflanzungsunlustigen Tiere zudem gezüchtet, aufgezogen und gegebenenfalls auf ein Leben in Freiheit vorbereitet.
Panda-Verleih festigt wirtschaftliche Beziehungen
Für die Weltmacht China ist der Bär jedoch nicht nur aus Naturschutzgründen interessant. Die Tiere, die in ihrem Heimatland als Symbol für Freundschaft, Frieden und Glück angesehen werden, sind auch eine Art Diplomaten auf vier Beinen. Sie gelten als Gradmesser für die Intensität der Beziehungen zwischen China und anderen Ländern, vor allem den USA, denn der Verleih der Bären gilt als Geste des Wohlwollens der chinesischen Regierung.
Daher, so heißt es, werden die Tiere auch nicht in jedes Land geschickt. Wer China gegenüber als wohlgesinnt gilt, darf sich Hoffnung auf ein Pärchen machen. So sichert das Land unter anderem wirtschaftliche Interessen, denn das Panda-Geschäft geht häufig mit für beide Beteiligten lukrativen Handelsabkommen einher, wie bereits 2013 eine Studie der Universität Oxford darlegte.
Zudem vermitteln die knuffigen Tiere ein positives Image Chinas im Ausland. Wer die niedlichen Bären sieht, verdrängt kritische Gedanken an die China regelmäßig vorgeworfenen Menschenrechtsverletzungen oder die Taiwan-Politik des Landes vermutlich eher. Der Bären-Verleih unterstützt zudem finanziell das teure Erhaltungszuchtprogramm des Landes, wie es heißt.
Denn die Bären werden seit 1982 nicht mehr an befreundete Länder verschenkt, sondern ausschließlich verliehen – gegen jährlich anfallende Gebühren, die sich zwischen 500.000 und einer Million US-Dollar pro Jahr bewegen sollen. Das Geld fließt nach Angaben Chinas in die Erhaltungszucht und den Schutz der Tiere in ihrem Herkunftsland. Zudem sollen die Pandas durch den weltweiten Verleih als eine Art Artenschutzbotschafter auf die Bedrohung ihrer Gattung aufmerksam machen.
Pandas als Gradmesser diplomatischer Beziehungen zu China
Welche Rolle der Bären-Verleih außerdem auf dem diplomatischen Parkett spielt, zeigt sich derzeit in den USA. Nachdem im vergangenen Jahr die letzten drei Pandas des Washingtoner Zoos zurück nach China reisen mussten, weil die Leihverträge nicht verlängert wurden, kamen nun zwei neue Tiere in der Hauptstadt an – die ersten seit 20 Jahren.
Ihr medial begleiteter Einzug in den Hauptstadt-Zoo glich einem Staatsempfang. Jill Biden, Ehefrau von US-Präsident Joe Biden, hatte diesen „historischen Moment“ bereits vor Monaten offiziell angekündigt und die Bedeutung der Tiere für die Beziehungen zwischen den beiden Ländern hervorgehoben. Das Pandapaar erreicht die USA in Zeiten, in denen die diplomatischen Beziehungen zu China als angespannt gelten. China wirft den USA unter anderem vor, das Land mit Sanktionen und Strafzöllen am Wachstum zu hindern und sich in innerpolitische Angelegenheiten einzumischen. 1
Umgekehrt beklagen die USA unter anderem unfaire Handelsstrategien und machten China in der Vergangenheit Spionagevorwürfe. Dennoch – oder gerade deswegen – sind nun wieder Pandas in den USA gelandet. Bemerkenswert: Zuvor waren sämtliche Leihverträge über die Bären mit anderen Zoos des Landes nicht verlängert worden. Das werteten Experten seinerzeit als deutliches Signal Chinas an die USA und Zeichen einer diplomatischen Krise. Unter anderem der Taiwan-Konflikt, der Umgang mit Russlands Überfall auf die Ukraine und die hohen Hürden bei der Visa-Vergabe an chinesische Staatsbürger hätten demnach die Misstöne erzeugt. Der Panda-Besuch in Washington soll nun offenbar für Entspannung sorgen, nachdem sich die Staatschefs beider Länder zu erneuten Gesprächen getroffen hatten.
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Pandas sind ein Millionengeschäft für China
Nicht nur China und die am Panda-Verleih beteiligten Länder profitieren wirtschaftlich von der Leihgabe. Auch für die Zoos, die Pandas erhalten, sind die beliebten Tiere meist ein finanzieller Glücksgriff. Sie garantieren hohe Besucherzahlen, die Eintrittsgeld, Mittel für Merchandising und Verpflegung sowie enorme Aufmerksamkeit bringen.
Zwar kosten die Tiere Unsummen. So fließen etwa für das Pandapaar aus dem Berliner Zoo rund eine Million US-Dollar pro Jahr allein als sogenannte Erhaltungsgebühr nach China, wie es heißt. Kosten für Futter, Pflege und Unterhalt kommen noch dazu. Und auch für die beiden in Berlin geborenen Jungtiere dürfte eine beachtliche Summe fällig werden, abgesehen von Futter und Unterhalt.
Belgischen Medienberichten zufolge kostet jedes im Ausland geborene Jungtier den Zoo, in dem es zur Welt kam, weitere 600.000 Euro pro Jahr Entleihgebühr. Dieser Betrag muss zusätzlich zu jenem Geld, das für die Elterntiere fällig wird, an China gezahlt werden. Wer Bären halten will, muss zudem hohe Auflagen erfüllen, die ebenfalls Teil der Verträge sind. Für Berlin und einen Zoo aus dem belgischen Brugelette hieß das unter anderem, neue Bärengehege zu bauen, damit es den Tieren an nichts fehlt und sie angemessen der Öffentlichkeit präsentiert werden können.
Dennoch lohnen sich die hohen Investitionen offenbar. So verzeichnete der Berliner Zoo, der als einziger in Deutschland Große Pandas hält, im ersten Monat nach Ankunft der beiden Bären Meng Meng und Jiao Qingso im Jahr 2017 rund 350.000 Besucher, die einen Blick auf die Stars aus China geworfen haben. Mit den beiden neugeborenen Pandababys dürfte sich der Ansturm auf den Zoo nun erhöhen. In Belgien schwärmt man von jährlich immer weiter steigenden Besucherzahlen seit Ankunft der Bären. 2023 etwa kamen demnach rund 2,3 Millionen Menschen nach Brugelette.
Finnischer Privatzoo gibt teure Pandas vorzeitig ab
Dass es jedoch auch Ausnahmen gibt, zeigt ein Beispiel aus Finnland: Dort wird ein privat geführter Zoo in der Stadt Ähtäri seine dort seit 2018 lebenden Bären bald wieder nach China schicken. Eigentlich sollten die beiden Tiere 15 Jahre in Finnland bleiben, doch nun sollen sie noch 2024 in ihr Heimatland zurück. Der Grund: Die Pandas sind einfach zu teuer. 2
Der finnische Zoo hatte ebenfalls extra ein Besucherzentrum bauen müssen. Allein dafür beliefen sich die Kosten auf rund acht Millionen Euro. Zwar hatte man auf zahlreiche Besucher gehofft, die das Geld wieder hereinbringen, doch diese Hoffnungen erfüllten sich nicht. Es zeigte sich lediglich, wie viel die Haltung der Bären tatsächlich kostet und dass dieses Geld nicht so einfach zu verdienen ist. Rund 1,5 Millionen Euro muss der finnische Zoo demnach jährlich für den Unterhalt der Tiere aufwenden, inklusive der Erhaltungs- bzw. Entleihgebühr an China. Geld, das er eigenen Angaben zufolge nicht mehr aufbringen kann. Denn seit der Corona-Pandemie und dem damit verbundenen Besucherrückgang habe man Schulden angehäuft.
Für spezielle Kostenverursacher wie die extrem teuren Pandas ist nun kein Geld mehr übrig. Daher werden die Tiere derzeit auf die Heimreise nach China vorbereitet. Und auch hierbei zeigt sich, welchen Stellenwert Pandabären offenbar für internationale Beziehungen haben: Laut Medienberichten habe ein Sprecher des finnischen Außenministeriums erklärt, dass die Rückgabe der Tiere eine „geschäftliche Entscheidung des Zoos“ sei. Die finnische Regierung habe damit nichts zu tun, sei in die Verhandlungen zwischen Zoo und chinesischem Pandazentrum nicht involviert und die Beziehung zwischen den Ländern sei durch die Rückgabe der Tiere auch nicht beeinträchtigt.
Jungbären müssen nach vier Jahren zurück
Zurück müssen alle Pandas irgendwann einmal. Jungbären treten nach rund vier Jahren den Weg in Heimat ihrer Eltern an, ungeachtet dessen, wo sie zur Welt kamen. Das wird auch die beiden in Berlin geborenen Pandas treffen, so wollen es die mit China geschlossenen Verträge. So erging es 2023 auch den in Berlin geborenen vierjährigen Pandas Pit und Paule, den älteren Geschwistern. Sie waren die ersten jemals in Deutschland geborenen Pandas.
Ihre Eltern sind Weibchen Meng Meng und Männchen Jiao Qingso, die auch jetzt wieder für den Nachwuchs sorgten. Sechs Jahre zuvor waren sie aus China in die Hauptstadt gekommen, zunächst ausgeliehen für 15 Jahre. 3 Die Hoffnung, dass sich Nachwuchs einstellt, haben sie nun zum zweiten Mal erfüllt. Für den Zoo Berlin sei bei der Zusammenarbeit mit China der Artenschutz daher wichtigster Aspekt, hieß es Ende 2023 seitens des Zoos in einem Gespräch mit Zeitungen der Ippen-Gruppe. 4
Die Erhaltung der Art ist zudem ein Grund, warum auch im Ausland geborene Jungbären im Alter von etwa vier Jahren nach China müssen. Sie alle kommen in das Panda-Forschungszentrum Chengdu, wo nach Angaben Chinas etwa 230 Bären leben, betreut und zur Zucht ausgewählt werden. Nirgendwo sonst auf der Welt leben so viele Pandas in menschlicher Obhut. Außerhalb Chinas leben derzeit nur 56 Pandas, die beiden Neugeborenen aus Berlin sind nun hinzugekommen.
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China baut mit Pandas Druck auf andere Staaten auf
Laut Forstbehörde arbeitet China bei der Erhaltung der Bären mit 20 Institutionen in 18 Ländern zusammen. In Chengdu laufen die Fäden des Erhaltungszuchtprogramms zusammen – dort wird koordiniert, welche Pandas miteinander vergesellschaftet werden können, um mit ihnen weiterzuzüchten. Denn um genetische Vielfalt sicherzustellen, dürfen die Tiere nicht zu nah miteinander verwandt sein. 5
Ein weiterer Grund, warum Pandas nicht im Ausland bleiben sollen, dürfte der Status der Bären sein. Pandas sind für China ein besonderer Schatz, PR-Instrument und Möglichkeit, gewissen Druck auf Staaten auszuüben, die Bären haben oder bekommen möchten. Daher hat das Land sicherlich wenig Interesse, das andernorts Pandas dauerhaft gehalten und womöglich zur Zucht herangezogen werden – langfristig gesehen könnte das sonst womöglich das Ende der pandabasierten Wirtschaftspolitik und Diplomatie bedeuten. 6