20. Dezember 2022, 16:48 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Der Säbelzahnschleimfisch ist ein kleines Tier, doch sein Biss hat eine umso größere Wirkung. Mit seinen gebogenen Fangzähnen verteidigt er sich effektiv gegen Raubfische und setzt sie vorübergehend außer Gefecht. Die Wirkung seines Gifts soll der des Opioids Heroin ähneln.
Schleimfische sind beliebte Aquarienbewohner und in freier Wildbahn in allen Weltmeeren zu finden. Zu den fünf bekannten Gattungen dieser Fische gehört auch der farbenfroh schillernde Säbelzahnschleimfisch (Meiacanthus atrodorsalis). Heimisch ist er im Pazifik und im australischen Great Barrier Reef. In seinem Unterkiefer befinden sich gebogene, hohle Fangzähne. Diese gerillten Zähne sind bei einigen Arten dieser Gattung mit Drüsen verbunden, die ein starkes Gift absondern. Untersucht wurde dieses Phänomen bereits im Jahr 2017 von einem Team internationaler Wissenschaftler um Bryan Fry, Professor an der Universität Queensland in Australien. Die Untersuchung der Tiere lieferte vielversprechende evolutionsbiologische Erkenntnisse und könnte bei der Weiterentwicklung von Schmerzmitteln eine wichtige Rolle spielen.
Übersicht
Der giftige Biss des Säbelzahnschleimfisches dient nicht dem Fangen von Beute
Im Gegensatz zu den meisten giftigen Tieren nutzen die Säbelzahnschleimfische ihr Gift nicht für die Jagd auf Beutetiere, sondern um deutlich größeren Fressfeinden zu entkommen. Im Ozean sind die kleinen, etwa fünf Zentimeter messenden Tiere leichte Beute für größere Räuber, die sie im Ganzen verschlingen können. Befinden sich die Fische im Maul eines Raubfisches, setzen sie ihre vergleichsweise langen Eckzähne als Verteidigungsmechanismus ein. An der Basis der gebogenen Zähne befinden sich Drüsen. Diese produzieren ein giftiges Sekret, das mit einem Biss des kleinen Fisches in den Organismus des Räubers gelangt. Die toxische Wirkung entsteht über Wechselwirkungen mit Opioidrezeptoren und setzt unmittelbar ein, sodass der Räuber vorübergehend gelähmt wird.
Das Gift des Säbelzahnschleimfisches unterscheidet sich von dem anderer giftiger Tiere, da die opioiden Peptide des Sekrets, ähnlich wie Heroin oder Morphin, betäubend wirken. Die Wissenschaftler der Studie beschreiben dazu beim betroffenen Organismus einen Blutdruckabfall um bis zu 40 Prozent. Als Folge dessen verlangsamt sich die Reaktionszeit des Raubfisches extrem. Dabei öffnet das Tier sein Maul, sodass der Säbelzahnschleimfisch blitzschnell entkommen und sich ein Versteck suchen kann.
Selbst ungiftige Arten imitieren giftige Säbelzahnschleimfische
Raubfische lernen dazu und sind mit zunehmender Erfahrung in der Lage, giftige Fischarten nicht nur zu erkennen, sondern auch zu vermeiden. Die giftigen Tiere profitieren so von ihren natürlichen Schutzmechanismen, denn das Risiko, von einem Räuber verschlungen zu werden, sinkt erheblich. Nicht alle Arten der Säbelzahnschleimfische sind jedoch giftig, von ungefähr 100 verschiedenen Arten produzieren etwa 30 das giftige Sekret.
Forscher konnten beobachten, dass viele Arten der Säbelzahnschleimfische, die nicht über diese Geheimwaffe verfügen, ihre Verwandten imitieren. Die Fische haben sich im Verlauf der Evolution an die Färbung, Körperform und sogar Bewegung der giftigen Fische angepasst, wie die Wissenschaftler um Bryan Fry herausfinden konnten.
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Giftige Fangzähne sind besondere evolutionäre Entwicklung
Nicht nur der Einsatz der giftigen Fangzähne versetzte die Wissenschaftler in Erstaunen, auch die evolutionäre Entwicklung der Waffe dieses kleinen Fisches sei besonders. Bei den meisten giftigen Tieren entwickelten sich nämlich erst die Gift absondernden Drüsen und anschließend die Fangzähne. Nicht so beim Säbelzahnschleimfisch. Tatsächlich scheint es bei diesem kleinen Ozeanbewohner andersherum gewesen zu sein – erst entwickelten sich die Fangzähne, anschließend das Gift. Zu diesem Schluss kamen die Wissenschaftler, als sie den Stammbaum des Säbelzahnschleimfisches mithilfe der DNA elf unterschiedlicher Arten rekonstruierten.
Die unverwechselbaren Fangzähne der Säbelzahnschleimfische bildeten sich den Erkenntnissen der Studie nach als Erstes. Bei einer Linie des Stammbaums entwickelten sich im weiteren Verlauf evolutionärer Veränderungen Giftdrüsen. Ihre gerillten Fangzähne wurden so zu giftigen Waffen – jedoch längst nicht bei allen Arten. Es könne sich bei dieser Gattung um die einzigen Fangzähne handeln, die sich mit dem Zweck der Feindabwehr entwickelten und nicht, um Beute zu erlegen.
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Das Gift der Säbelzahnschleimfische könnte Schmerzen lindern
Das Gift der Säbelzahnschleimfische lässt Raubfische nicht nur langsamer werden, sondern verursacht keine Schmerzen, wie die Forscher herausfinden konnten. In einer Meldung der Universität Queensland berichtet Bryan Fry von den faszinierenden Eigenschaften der Fische: „Schleimfische sind die interessantesten Fische, die ich je studiert habe und besitzen eines der faszinierendsten Gifte von allen.“
Die Begeisterung des US-amerikanisch-australischen Wissenschaftlers geht wohl auch auf eine weitere Erkenntnis zurück. Bryan Fry äußerte sich ebenfalls zur Möglichkeit, das einzigartige Gift für die Entwicklung von Schmerzmitteln zu nutzen. Daher müsse der Lebensraum der kleinen Fische unbedingt geschützt werden: „Wenn wir das Great Barrier Reef verlieren, verlieren wir auch Tiere wie den Säbelzahnschleimfisch und sein einzigartiges Gift, das Grundlage des nächsten, Erfolg versprechenden Schmerzmittels sein könnte.“ Seit der Entdeckung des Gifts der Säbelzahnschleimfische gab es bislang jedoch keine weiteren Forschungsergebnisse.