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Verhaltensanpassung

Einsiedlerkrebse, die bunten Plastikmüll als Behausung nutzen, wirken auf Weibchen besonders attraktiv

Ein Einsiedlerkrebs trägt einen roten Becher aus Plastik als Behausung
Einsiedlerkrebse nutzen alles, was sie am Meeresgrund finden, als Behausung. Durch die Verschmutzung ihres Lebensraums ist dies mittlerweile häufig Plastik – was den Männchen bei der Fortpflanzung ungeahnte Vorteile einbringt. Foto: Getty Images / Bertrand Godfroid
Louisa Stoeffler
Redakteurin

29. Januar 2024, 17:38 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten

Viele Tiere haben unter der Verschmutzung der Meere stark zu leiden. Auch der Einsiedlerkrebs schmückt sich nun immer häufiger mit Schalen aus Plastik als mit Muscheln. Doch in diesem Fall könnte es für die Tiere sogar Vorteile bieten.

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Viele Tiere haben geniale Strategien entwickelt, um sich zu tarnen. Nicht immer muss dies eine bestimmte Farbgebung auf Fell oder Schuppen sein. Einige schlaue Meerestiere nutzen dafür einfach die Ressourcen, die sie umgeben. Dazu gehören unter anderem Oktopusse und Krabben, die Kokosnussschalen als Heimstätte und Camouflage nutzen. Zu diesen schlauen Tarnkünstlern zählen auch Einsiedlerkrebse, die in der Vergangenheit häufig geeignete Muschelschalen nutzten, um sich zu verstecken. Doch durch die zunehmende Verschmutzung der Meere finden Wissenschaftler nun auch häufig Einsiedlerkrebse, die menschengemachten Müll aus Plastik als Heimstätte nutzen. Tatsächlich scheint ihnen dies sogar Vorteile einzubringen.

Forscherin: »Als ich diese Bilder sah, brach es mir das Herz

Wissenschaftler der Universitäten Warschau und Poznań in Polen analysierten fast 30.000 Bilder von Einsiedlerkrebsen, die sich mit Plastik schmücken. Darunter waren 386 Krabben, die vorwiegend menschengemachte Objekte nutzten. Die häufigsten Materialien, etwa 85 Prozent, waren Plastikverschlüsse von Flaschen, die die Tiere bei ihren Streifzügen auflasen. Es fanden sich aber auch Reste aus Metall, Glas oder einem Mix davon.

Die Forscher gehen davon aus, dass das Problem so weit verbreitet ist, dass es 10 von 16 Arten aller Einsiedlerkrebse der Welt betrifft. Studienautorin Prof. Marta Szulkin vom Institut für Evolutionsbiologie in Warschau, sagte gegenüber dem britischen Radiosender BBC 4: „Als ich diese Bilder zum ersten Mal sah, brach es mir das Herz“.

Gleichzeitig glaube sie, dass wir wirklich verstehen müssten, dass wir in einer anderen Zeit lebten und dass die Tiere das nutzten, was ihnen zur Verfügung steht. Denn die Muschelschalen, die die Einsiedlerkrebse zuvor nutzen, um ihre empfindlichen Bäuche zu schützen, werden immer seltener in den Meeren. Gleichzeitig nimmt jedoch die Verschmutzung der Meere immer mehr zu. Die pfiffigen Krebse greifen also auf alles zurück, was sie finden. Und das könnte in diesem Fall sogar von Vorteil sein.

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Einsiedlerkrebse haben spezielle Anforderungen an ihre Behausungen

Das Verhalten der Einsiedlerkrebse ist bereits genau erforscht, doch der Umsteig auf Plastik verblüfft die Wissenschaftler. Denn eigentlich folgen die Prozesse, nach denen Einsiedlerkrebse sich ihre Behausungen aussuchen, strengen Regeln.

Die Tiere müssen die perfekte Hülle für ihre Größe finden, um ihren weichen Unterleib zu schützen. Dazu verstecken sie sich in der Regel in Schalen, die von toten Krebstieren zurückgelassen wurden, heißt es von Prof. Marta Szulkin in einer Pressemitteilung ihrer Universität. Ein solcher Unterschlupf reiche jedoch wegen der Entwicklung der Krabbe, aber auch wegen des Wettbewerbs innerhalb der Art, nicht für ein ganzes Leben. Denn Einsiedlerkrebse führen untereinander häufig Kämpfe aus, um sich die begehrtesten Schalen zu sichern.

Doch auch die Qualität der Muschel und wie viele Feinde sich in ihrer Nähe befinden, hat einen Einfluss auf die Wahl der Behausung. Allerdings wurde in Studien auch bereits untersucht, dass insbesondere Männchen sich die Schalen aufgrund von chemischen Signalen aussuchen und Weibchen besonders positiv reagieren, wenn ein Männchen eine große, schöne, aber auch schwere Muschel trägt. Dies ist ein Zeichen, dass es kräftig ist und es sich lohnt, mit ihm Nachwuchs zu zeugen.

Fliegen Einsiedlerkrebs-Ladys auf buntes Plastik?

Die Wissenschaftler stellten vier verschiedene Theorien auf, wie sich das Verhalten der Einsiedlerkrebse durch den Gebrauch von Plastik verändern könnte. Diese neuen, häufig auch bunten Behausungen könnten Tieren einen Fortschritt bei der Fortpflanzung bringen, die ihn bisher nicht hatten. Neuartige, künstliche Schalen könnten für Weibchen attraktiv sein, denn sie seien Premium-Marker in der Evolution der sexuellen Zurschaustellung und Selektion.

Durch die Nutzung von Plastik haben nun aber auch Einsiedlerkrebse Chancen bei den Weibchen, die vorher wohl eher abgelehnt worden wären. Denn Plastik ist in der Regel um einiges leichter als die schweren Muschelschalen, kann also auch von kleinen und leichteren Tieren problemlos genutzt werden. Diese zweite Theorie der Forscher besagt aber auch, dass die Tiere so sehr viel Energie einsparen könnten.

Plastik könnte Einsiedlerkrebsen in verschmutzten Umgebungen helfen

Bei der Betrachtung der Bilder fanden die Forscher heraus, dass etwa 85 Prozent der Einsiedlerkrabben Verschlüsse von Flaschen als Heimstatt nutzten. Diese waren häufig aus

  • weißem (28 Prozent),
  • transparentem (13 Prozent) oder
  • schwarzem (18 Prozent) Plastik.

Dies könnte in Anbetracht der hohen Verschmutzung durch Meeresmüll auch eine neue Rolle bei der Bekämpfung von Raubtieren spielen, schreiben die Autoren in ihrer Studie. „Künstliche Muscheln“ könnten in verschmutzten Umgebungen als effiziente Tarnung dienen, da Krebse dazu neigten, Muscheln zu bevorzugen, die zu ihrem ökologischen Hintergrund passen.

Eine weitere Theorie besagt, dass Einsiedlerkrebse sich an dem Ausstoß von Dimethylsulfid orientieren, das viele Krustentiere beim Sterben von sich geben. Auch bei Plastik, das in die Meere gelangt, gibt es diesen Stoff, was ihre Präferenz für das Material erklären könnte. Die Forscher wollen nun im Anschluss an diese erste Studie alle aufgestellten Theorien untersuchen.

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Quelle

Themen Meerestiere
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