19. März 2024, 11:03 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Dass nur Menschen um ihre Toten trauern und diese auch begraben, war lange eine gültige Annahme. Allerdings stimmt dies wohl nicht, denn auch Elefanten zeigen eindeutige Zeichen von Verlust und Trauer – ganz besonders um verstorbene Kälber. Eine Studie zeigt nun, dass die Tiere sie wahrscheinlich sogar aktiv und gemeinsam begraben.
Jeder, der den Disney-Film „Der König der Löwen“ gesehen hat, wird sich wohl an die gruselige Szene erinnern, in der zwei kleine Löwen sich auf einen Elefantenfriedhof verirren und von Hyänen angegriffen werden. Doch woher stammt eigentlich die Vorstellung, dass Elefanten Friedhöfe anlegen? Denn eigentlich ging man lange davon aus, dass der Mensch als einziges intelligentes Tier trauert und ein Empfinden für den Tod hat. Tatsächlich ranken sich aber auch um die Vorstellung von Elefanten-Totenkultur so viele Mythen, dass sie bereits den Weg in Filme und Popkultur gefunden hat. Denn die Tiere scheinen tatsächlich ein Empfinden dafür zu haben, wenn Artgenossen versterben. Eine neue Studie untersucht sogar die Möglichkeit, dass Elefanten ihre Kälber aktiv begraben.
Trauer bei Elefanten bereits gut dokumentiert
Der Mensch ist für viele nachhaltige Veränderungen der Natur verantwortlich. Dadurch verändern sich Lebensräume – man gewinnt aber auch immer mehr Einblicke in Verhalten, das bislang noch unbekannt war. So auch bei Elefanten.
So ist mittlerweile bekannt, dass sie sehr soziale Tiere sind. Denn außer dem Menschen sind sie bislang die einzigen dokumentierten Wesen, die einander bei individuellen Namen rufen (PETBOOK berichtete). Auch dass sie um tote Artgenossen trauern, konnte man bereits in den 1970er-Jahren bei Afrikanischen Elefanten beobachten. Die Tiere sitzen teils mehrere Stunden neben toten Familienmitgliedern, tröten und berüsseln einander scheinbar tröstend.
Die Tiere praktizieren sogar eine Art von „schwacher Beerdigung“, bei der Artgenossen die Verstorbenen mit großen Blättern abdecken. Zudem zeigen die Tiere auch größeres Interesse an Schädeln und Elfenbein von Tieren, die ihnen bekannt waren. Manche Forscher glauben sogar, dass sie aktiv die Sterbeplätze von ihren Familienmitgliedern aufsuchen. Wenn sich dies bewahrheiten sollte, wären die Legenden um die Elefantenfriedhöfe tatsächlich aus einer Tatsache erwachsen.
Indische Elefanten begraben Kälber wohl in menschengemachten Strukturen
Doch dass die Tiere ihre verstorbenen Kälber wohl tatsächlich begraben, konnten Parveen Kaswan vom Indischen Forstdienst und Akashdeep Roy vom Institut für wissenschaftliche Bildung und Forschung Pune, in Indien, beschreiben. Die beiden Forscher berichten im Fachmagazin „Journal of Threatened Taxa“ darüber, dass sie tote, scheinbar sorgfältig begrabene, Elefantenkälber in den Bewässerungsgräben von Teeplantagen im nördlichen Bengal in Indien, entdeckt haben.
Sie konnten insgesamt fünf Begräbnisstätten begutachten. Die dort vergrabenen toten Kälber wurden auf den Rücken gelegt in den Gräben platziert. Da diese Bewässerungssysteme mit circa 60 bis 75 Zentimeter Tiefe ziemlich flach sind, gehen sie davon aus, dass die Tiere nicht dort oder durch einen Sturz gestorben sind. Dies vermuten sie auch deshalb, weil an diesen Grabstätten Schleifspuren gefunden wurden, die darauf hindeuten, dass die toten Kälber von den überlebenden Elefanten absichtlich dort vergraben wurden.
Elefanten suchten bis zu 45 Stunden nach dem richtigen Ort, um Kalb zu begraben
Auch scheint nicht nur ein Elefant das Begräbnis ausgerichtet zu haben. Um die Gräber fanden sich Fußspuren vieler verschiedener Tiere. Sicherheitsmitarbeiter der Teeplantagen berichteten den Forschern sogar darüber, wie die – meist nächtlichen – Vorgänge abliefen. Laut der Studie sagten sie aus, dass eine Gruppe von Tieren 30 bis 40 Minuten lautes Tröten von sich gegeben hätte. Die Elefanten hätten sich zudem alle an derselben Stelle aufgehalten und man hätte Geräusche von Grabungen vernehmen können. In einem Fall gab die Elefantengruppe diese Töne nur ca. 20 Minuten von sich, denn der Boden war an dieser Stelle feucht und leicht umzugraben.
Anschließend untersuchten die Forscher auch die fünf gefunden Kälber mithilfe von Tierärzten und Pathologen. Es zeigte sich, dass sie alle an verschiedenen Erkrankungen gestorben und nicht älter als zwölf Monate waren. Darüber hinaus zeigten sich auch postmortem Verletzungen, vor allem an Rüssel und Beinen, die belegen, dass die verstorbenen Kälber auch über weite Strecken gezogen wurden. Vermutlich um einen geeigneten Ort fern von Menschen für das Begräbnis zu finden, so die Forscher weiter.
Und dafür nehmen die Tiere offenbar auch lange Wanderungen in Kauf. Eins der Kälber war beim Auffinden bereits 60 bis 72 Stunden tot und wies besonders schwere Schleifspuren auf. Die Forscher und beteiligten Tierpathologen schätzen, dass die Elefanten dieses Kalb 40 bis 45 Stunden zogen, bis sie den richtigen Platz für die Begräbnisstätte entdeckt hatten.
Elefanten vermieden Wege, die an begrabenen Kälbern vorbeiführen
Dieses Verhalten interpretierten die Forscher so, dass die Elefanten ihre Kälber weit weg von Menschen begraben. Sie konnten auch beobachten, dass nach den Begräbnissen die hinterbliebenen Familienmitglieder sogar andere, parallel verlaufende Wege nutzten, um nicht an den Grabstätten der Babys vorbeizumüssen.
Allerdings schränken sie noch abschließend ein, dass sie dieses Verhalten bislang noch nicht selbst beobachten oder dokumentieren konnten. Auch wäre es möglich, dass die Elefanten nach dem Tod eines Kalbes in Panik geraten seien und das Begräbnis eher zufällig anstatt gezielt geschehen sei.
Dagegen sprechen jedoch die Schleifspuren und der immer gleiche Ablauf. Weitere Untersuchungen müssen nun belegen, ob alle Indischen Elefanten dieses Verhalten an den Tag legen, oder ob es sich um einen einzelnen Sozialverband handelt, der das Verhalten über die Zeit entwickelt hat.
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Quellen
- Kaswan, P., & Roy, A. (2024). Unearthing calf burials among Asian Elephants Elephas maximus Linnaeus, 1758 (Mammalia: Proboscidea: Elephantidae) in northern Bengal, India. Journal of Threatened Taxa, 16(2), 24615-24629.
- Goldenberg, S. Z., & Wittemyer, G. (2020). Elephant behavior toward the dead: a review and insights from field observations. Primates, 61(1), 119-128.
- McComb, K., Baker, L., & Moss, C. (2006). African elephants show high levels of interest in the skulls and ivory of their own species. Biology Letters, 2(1), 26-28.
- TheConversation.com, „Elephant calves have been found buried – what does that mean?“ (aufgerufen am 18.03.2024)