27. August 2024, 15:49 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Hätten Sie gewusst, dass manche Fische ganz untypischerweise an Land laufen oder klettern können? Einige ganz spezialisierte Arten haben sich dies im Laufe der Zeit angeeignet und clevere Strategien entwickelt.
Eigentlich ist biologisch ganz klar, wie ein Fisch definiert wird: ein im Wasser schwimmendes Wirbeltier mit Flossen, das durch Kiemen atmet. Doch ein paar Fische geben offenbar so gar nichts auf Stereotype und laufen an Land oder klettern sogar auf Bäume oder Wasserfälle hinauf.
Anabas testudineus (Kletterfisch)
Der wohl bekannteste Fisch, der sich an Land bewegt, ist der sogenannte Kletterfisch (Anabas testudineus). Er stammt aus Südostasien und läuft nicht nur über Land, sondern klettert sogar auf Bäume. Dafür hat er sogar einen Eintrag ins Guinnessbuch der Rekorde bekommen, in der Kategorie „Einziger bäumekletternder Fisch“.
An Land atmet er durch sein Labyrinthorgan. Dies haben vor allem Barsche entwickelt, um in sauerstoffarmen und sauren Gewässern überleben zu können. Der Kletterfisch nutzt es jedoch, während er sich über Land seinen Weg zu einem neuen Gewässer bahnt. Denn in seiner asiatischen Heimat kommt es häufig zu monsunartigen Regenfällen, die ihn neue Tümpel und Gewässer erschließen lassen. Diese trocknen jedoch nach der Regenzeit wieder aus. Damit der Kletterfisch dann nicht auch auf dem Trockenen sitzt, sucht er sich ein neues Zuhause.
Dazu nutzt er seine seitlichen Flossen, um sich am Boden festzuhalten und die Schwanzflosse, um sich nach vorne zu schieben. Warum die Fische jedoch diese Taktik auch nutzen, um auf Bäume zu klettern, muss noch weiter erforscht werden. Wahrscheinlich ist, dass sie damit entweder versuchen, Fressfeinden im Wasser zu entkommen, oder sich Insekten zu sichern, die sich in den Palmen aufhalten, auf die sie mit Vorliebe klettern.1
Cryptotora thamicola (Höhlenkaiserfisch)
2020 haben sich Forscher näher mit der Anatomie von Fischen beschäftigt, um zu überprüfen, wie sie sich gegen Strömungen stemmen – oder eben auch laufen können. Dabei haben sie auch herausgefunden, dass wahrscheinlich mehr Fische dazu in der Lage wären, als bisher angenommen. Ein Beispiel dafür ist der Cryptotora thamicola, der Höhlenkaiserfisch, der sich normalerweise in unterirdischen Gewässern aufhält. Bei ihm zeigten sich Veränderungen des Beckengürtels, die diesen direkt mit der Wirbelsäule verbanden.
Laut Zachary Randall, Biologe und Mitautor der Studie, ist das normalerweise bei Fischen nicht so. In einer Pressemitteilung erklärt er: „Bisher dachte man, dass der Höhlenkaiserfisch völlig einzigartig sei. Das wirklich Tolle an dieser Arbeit ist, dass sie sehr detailliert zeigt, dass robuste Beckengürtel in der Familie der Bergschmerlen häufiger vorkommen als wir dachten.“
Denn die in verschiedenen Höhlensystemen in Thailand beheimatete Schmerle klettert Wasserfälle und Bäche auf Steinen gegen den Strom hinauf. Allerdings konnten die Forscher auch beobachten, wie sie sich über trockenen Boden von Höhlen fortbewegt, um zum nächsten unterirdischen Gewässer zu kommen.
Dafür nutzt Cryptotora thamicola seine Flossen und sein fest mit dem Rücken verbundenes Becken, um wie ein Salamander zu laufen. Und scheinbar ist die Art damit gar nicht so allein, wie man bisher glaubte. Ganze elf Arten der Plattschmerle sollen laut der Untersuchung ein Becken haben, mit dem sie laufen könnten – nun müssen Forscher die Fische nur noch dabei beobachten.2
Schlammspringer
Ein besonderer Fisch, der tatsächlich mehr Zeit an Land als im Wasser verbringt, ist der Schlammspringer (Periophthalmus barbarus). Er findet sich vor allem in Flussmündungen und hat eine clevere Taktik entwickelt, um wie eine Amphibie zu leben. Er speichert Wasser in seinen Kiemen, um atmen zu können und hat kleine, mit Wasser gefüllte Vertiefungen unter seinen Augen, um diese zu befeuchten. In seinem matschigen Lebensraum bewegt er sich mit seinen Flossen auf dem Land vorwärts, zählt also ebenfalls zu den Fischen, die Laufen gelernt haben. Mehr über dieses faszinierende Tier erfahren Sie in diesem Artikel: Schlammspringer – diese Fische leben auch an Land.
Kuriose Geschöpfe Schlammspringer – diese Fische leben auch an Land
Latipinna-Molly
Anpassungsfähigkeit erklärt Einer der gefährlichsten Haie der Welt kann auch in Flüssen leben
Oopu nopili
Ein weiterer Fisch, der vor allem die Fähigkeit erlernt hat, zu klettern, ist der hawaiianische ‘O‘opu nōpili, der auch unter dem Namen Lippenzahngrundel (Sicyopterus stimpsoni) bekannt ist. 2013 wurde bei dieser Art näher untersucht, wie sie es schafft, sogar Wasserfälle zu erklimmen. Denn die Bewegungen, die die Grundel beim Klettern macht, erinnerte die Forscher stark an die, mit denen sie Algen und weitere Nahrung aus ihrer Umgebung saugt.3
Die Lippenzahngrundel hat eine sehr spezielle Lebensweise. Als Larve lebt sie im Salzwasser und ernährt sich von Plankton. Doch wenn die Fische größer werden, bilden sie ein Saugmaul aus, mit dem die Grundeln Steine und andere Oberflächen nach Algen absuchen – so wie man es auch von Putzerlippfischen kennt. Doch in dieser Lebensphase ist Eile geboten und die Fische nehmen eine gefährliche Klettertour auf sich, um als ausgewachsenes Tier ausschließlich im Süßwasser zu leben.
Dazu nutzen sie ihre ebenfalls zu einem Saugnapf verformten Bauchflossen und ihr Maul. Dies verwenden sie, um sich mit einem großen Sprung an die Steine hinter dem Wasserfall zu „kleben“. Dann klettern sie in Schüben nach oben, wobei ihr Maul für die Bewegung sorgt, und der Saugnapf am Bauch genutzt wird, um sie zu stabilisieren. Doch die Kletterpartie zum Süßwasser ist gefährlich und viele ‘O‘opu nōpili stürzen auch wieder herunter. Allerdings gibt es für die adulten Tiere keine andere Möglichkeit. Denn im Salzwasser können sie nun nicht mehr leben. Haben sie einmal das Süßwasser erreicht, unterlaufen sie nochmal eine Transformation. Sie werden zu „Gärtnern“, die ihre Algenfelder bestellen, fruchtbar halten und auch vor anderen Grundeln verteidigen.4